Anlagenbau & Prozesstechnik

100% Verfügbarkeit: Drehöfen verzichten auf Stillstand

Gebläse und Verdichter sichern im Zementwerk den Nachschub an Material und Brennstoff

02.04.2019 -

Pneumatische Fördertechnik bestimmt das Bild des Materialflusses in der Zement­industrie. Es sind Gebläse, die das feine Material in Rohrleitungen durch den ­Herstellprozess fördern. Die Ansprüche an die Verfügbarkeit der Aggregate sind entsprechend groß, weil ohne Gebläseluft die Produktion stehen würde. Dyckerhoff setzt im Zementwerk Lengerich seit Jahrzehnten Lösungen von Aerzen ein.

In Lengerich sind sie echte Spezialisten für tiefe Löcher. Je schwieriger die Einsatzbedingen, desto häufiger ist die Kompetenz von Dyckerhoff gefragt. Das Zementwerk im Münsterland ist in Deutschland der einzige Standort für so genannten Tiefbohrzement. Der Werkstoff wird auf der ganzen Welt in die Bohrlöcher von Erdgas- und Rohölfeldern eingebracht, um die Außenwände bis in Tiefen von 6.000 bis 8.000 m abzudichten und zu stabilisieren. Die herrschenden Temperaturen und Drücke setzen dem Tiefbohrzement ordentlich zu – weshalb das Ausgangsgestein samt weiterer Zuschlagsstoffe ganz besondere Zusammensetzungen aufweisen muss. Und die gibt es in Deutschland nur in Lengerich.

Neue Verbindungen schafft das Sintern im Drehofen
Ob einfacher Portlandzement, spezielle Sorten für den Tiefbau, Hochofenzement oder Mixturen mit nanokristallinen Strukturen: Die Basis bildet bei Dyckerhoff immer der Kalkstein vor der eigenen Haustür, eine Rezeptur an Zuschlagsstoffen sowie das Brennen im Drehofen nachdem alles gut gemischt und fein gemahlen wurde. Was dort herauskommt, nennt die Branche „Klinker“. Dafür wurde die Mischung einem Sinterprozess unterzogen. Circa 1.500 °C herrschen in der Sinterzone des 58 m langen Drehofens 8, einem der beiden Drehöfen in Lengerich, den Dyckerhoff 2001 in Betrieb nahm und der aufgrund seiner hohen Energieeffizienz nach wie vor zu den modernsten in Europa zählt. „Die Mineralien werden in der Sinterzone fast flüssig“, erklärt Heinz Hülsmeier. Er zählt zum Urgestein bei Dyckerhoff, hat bis zur Pensionierung in der Instandhaltung gearbeitet und führt heute Besuchergruppen durch das Werk.
Heiße Prozessluft zählt im Zementwerk ebenfalls zu den wichtigsten Energieträgern, weil die Hitze letztlich den Herstellprozess bestimmt. Als Brennstoff nutzt Dyckerhoff zum Anheizen zunächst Heizöl und stellt dann um auf Braunkohle­staub, der über eine Brennerlanze in den sich drehenden Ofen eingeblasen wird und sofort verbrennt. Mit den Öfen ist Dyckerhoff zudem in der Lage, unter anderem so genannte Sekundärbrennstoffe zu verheizen. Hierbei handelt es sich um Fluff, eine feinfaserige, hochkalorische Masse, die beim Recycling von Gelben Säcken anfällt und überwiegend aus chlorfreien Kunststoffen besteht.

Gebläsetechnik auch für die ­Brennstoffversorgung
Für die Versorgung des Brenners nutzt Dyckerhoff ebenfalls das Prinzip der pneumatischen Fördertechnik und setzt dafür Drehkolbengebläse (GM 25, 304 bis 1452 m³/h, 55 kW max) der Delta Blower Baureihe ein. Für den Braunkohlenstaub- und Flufftransport liefert das Aggregat einen Volumenstrom von 16 m3/min bei einer Motoranschlussleistung von 36 kW. Mit der neuen Generation 5 der Delta Blower hat Aerzen aktuell eine Serie im Feld, die vor allem durch ihre Effektivität besticht.
Beide Einheiten sorgen bei Dyckerhoff dafür, dass der Brennstoff aus den Silos immer mit optimalem Druck und in ausreichender Menge an der Brennerdüse ankommt. Mit dem verstärkten Einsatz von Sekundärbrennstoffen reagiert das Unternehmen auf die gewaltig gestiegenen Energiekosten, die den größten Kostentreiber bei der Zementproduktion darstellen. Die Verbrennung von Fluff bringt auch ökologisch jede Menge Vorteile mit sich, weil Primärenergieträger eingespart werden. Eine Tonne Fluff liefert in etwa den gleichen Brennwert wie eine Tonne Braunkohle.
Der während des Produktionsprozesses entstehende Staub, der aus Rohmaterial besteht, wird mit der elektrischen Gasreinigung (EGR) abgeschieden und in Silos gesammelt. Der EGR-Staub kommt anschließend zurück in den Prozess – und zwar ebenfalls mit einer Förderanlage, in der Delta Screw-Aggregate (VML 18, 380 bis 1.190 m3/h, 75 kW max.) für den notwendigen Volumenstrom von 18 m3/min in den Rohleitungen sorgen. Elektrofilter sind heute eine etablierte Technik, um den Staub aus der Abluft zu entfernen und Reinstaubgehalte von deutlich unter 10mg/m³ sicher zu gewährleisten. Damit das feine Material im Silo nicht verklumpen kann, setzt Dyckerhoff kleinere Drehkolbengeläse (GM 4 S, 46 bis 342 m3/h, 15 kW max.) von Aerzen ein, die über einen pneumatischen Boden Luft in den Silo blasen und das Material mit einer Luftmenge von knapp sechs Kubikmetern in der Minute regelmäßig durchmischen.
Platziert ist die Anlage im Bereich der Rohaufbereitung des Rohmehls. Hier übernimmt eine Vertikalmühle die Zerkleinerung des Kalksteins zu einem feinen, vorgetrockneten Mehl, das aus einer Vorratssiloanlage durch Transportrohrleitungen in den mehr als 100 m hohen Wärmetauscher geblasen wird. Hier wird das Rohmehl auf Temperatur gebracht und durchfließt dabei auf dem Weg immer heißere Zonen – bis schließlich der Ofeneinlauf des Drehofens erreicht ist. Das Mineralgemisch hat jetzt eine Temperatur von rund 850 °C erreicht. Mit Blick auf eine möglichst hohe Energieeffizienz, speist Dyckerhoff den Wärmetauscher mit der heißen Luft aus dem Klinkerkühler am Ende des Drehofens. Auf diese Weise muss dem Wärmetauscher weniger Energie zugeführt werden.
Es sind Deltascrew-Aggregate vom Typ VML 18 mit einer Motorleistung von 45 kW, einem Druck von 2,25 bar und einem Volumenstrom von jeweils 1.080 m3/h, die das Transportnetz vom Vorratssilo bis in den Ofen hinein am Laufen halten. Die einstufigen, ölfreien Schraubenverdichter bietet ­Aerzen als skalierte Baureihe mit Volumenströmen zwischen 950 und 15.000 m3/h an. Die Einheiten sind konzipiert als Universalwerkzeuge, ausgelegt auf maximale Energieeffizienz und ermöglichen es aus einem Baukasten heraus, alle Verdichter und Zubehörkomponenten nahezu beliebig miteinander zu kombinieren. Auf diese Weise lassen sich die Verdichter optimal an die jeweilige Applikation anpassen.

Enge Zusammenarbeit auch im Service
Drehöfen sind allein schon wegen des hohen Energieeinsatzes beim Anfeuern auf kontinuierlichen Betrieb ausgelegt. Zudem sind diese Anlagen überaus empfindlich bei Temperaturänderungen, weil die Auskleidung im Inneren durch wechselnde Heiß- und Kaltphasen unweigerlich Schaden nehmen würde. „Dann entstehen Dehnungsfugen und das Ganze beginnt zu bröckeln und quadratmeterweise abzufallen“, erklärt der Heinz Hülsmeier. Tritt dieser Fall ein, sind Reparaturen angesagt, die mit einer Woche Stillstand verbunden sein können – eine lange Zeit, die für Dyckerhoff automatisch Produktionsausfall bedeuten. Die Unternehmensgruppe setzt deshalb ausschließlich Technik ein, die ausfallsicher eine hohe Verfügbarkeit erreicht – flankiert von Servicedienstleistungen. „Bei einer Tageskapazität von bis zu 3.700 t sind eine Woche Ausfall also rundweg 20.000 t“, fasst Hülsmeier zusammen. Die Zusammenarbeit mit Aerzen sei deshalb auf Serviceebene sehr eng und die Auslegung der Technik stehe immer unter der Prämisse, so viel wie möglich zu standardisieren, um die Ersatzteilbevorratung zu limitieren. „Bei der vorbeugenden Instandhaltung arbeiten wir Hand in Hand zusammen.“ Während sich ein Servicetechniker von Aerzen auf den Weg macht, beginnt die Instandhaltung in Lengerich bereits damit, Arbeiten vorzubereiten. „Wir haben gut ausgebildete Handwerker, die sehr viel Erfahrung mit der Gebläsetechnik haben. Deshalb holen wir uns die Experten in der Regel auch nur für die Feineinstellungen ins Haus.“

Fazit
In Summe sind im Zementwerk von Dyckerhoff am Standort Lengerich rund 130 Aggregate von ­Aerzen im Einsatz – die meisten von ihnen mit 6.000 bis 7.000 Stunden im Jahr – geplanter Betriebsstillstand abgerechnet – quasi im Dauerbetrieb. Vor allem bei den am Drehofen eingesetzten Gebläsen zählt maximale Verfügbarkeit bei gleichzeitig hohen Ansprüchen an die Energieeffizienz.