Strategie & Management

Smart-Data-Technologien

Wie auch KMU Digitalisierungsvorhaben erfolgreich umsetzen

20.04.2022 - Auch in der chemischen Industrie ist die Digitalisierung längst angekommen.

Zumindest die großen Player der Branche profitieren im Zuge dessen längst von neuen Geschäftsmodellen und/oder effizienteren Prozessen. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben hingegen oft noch das Nachsehen, trauen sich an die Materie nicht so recht heran. Vielen von ihnen fehlt es an Know-how und Ressourcen. Dass auch sie – mit der richtigen Hilfestellung – Digitalisierungsprojekte erfolgreich umsetzen können, zeigt das Beispiel der Firma Schlötter. Eine kostenlose Potenzialanalyse des Smart Data Solution Center Baden-Württemberg (SDSD-BW) ermöglichte es dem Experten für Galvanotechnik, seine Verkaufsmengen mittels maschinellen Lernens intelligent vorherzusagen.

Der chemischen Industrie mangelt es nicht an Daten. Für Digitalisierungsvorhaben sind sie eine wahre Fundgrube, sei es, um Produktionsanlagen zu automatisieren, die Prozesssteuerung zu digitalisieren oder die Ressourceneffizienz zu verbessern. Die großen Chemieunternehmen tun dies längst und profitieren von entsprechenden Wettbewerbsvorteilen – für viele KMU der Branche ist dies noch Wunschdenken. Viele von ihnen wähnen Digitalisierungsprojekte „eine Nummer zu groß“ oder zweifeln per se an einer ausreichend großen Datenbasis im eigenen (vermeintlich zu kleinen) Unternehmen; nicht zuletzt, weil das Digitalisierungsschlagwort Big Data entsprechendes suggeriert. Dass es aber weniger auf die Menge der Daten ankommt als auf deren Qualität und Varianz, ist ihnen nicht bewusst. Dabei können auch geringere Mengen an Daten wertvolle Erkenntnisse für Prozessoptimierungen liefern, lassen sich in ihnen Muster oder Verbindungen erkennen. Das Stichwort an dieser Stelle: Smart Data. Bei ihrer Analyse geht es nicht nur um die mittels IT erfassten Datenmengen, sondern insbesondere auch um das Zusammenführen mit weiteren Informationen. So können bspw. die Erfahrungswerte von Technikern oder die Materialbeschaffenheit einen entscheidenden Mehrwert bieten.

Hilfestellung für KMU

Um KMU bei der Frage zu unterstützen, ob, wann und wie sich Big-­Data-­/Smart-Data-Technologien für sie lohnen, existieren in den Bundesländern mittlerweile zahlreiche Initiativen, Förderprogramme und Kompetenzzentren. Sie gleichen das interne Know-how-Defizit der KMU aus und begleiten sie auf ihrem Weg zu eigenen Digitalisierungsvorhaben; so z. B. das Smart Data Solution Center Baden-Württemberg (SDSC-BW) mit Sitz in Stuttgart. 2014 von Sicos BW und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gestartet, berät es KMU neutral und unabhängig zu Smart-Data-Technologien – finanziell unterstützt durch das Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Das Expertenteam des Solution Center bietet ratsuchenden KMU insbesondere eine kostenfreie Potenzial­analyse, die ihnen einen ersten Einblick in die Welt der Datenanalyse ermöglicht. Im Kontext ihrer eigenen Daten lernen die KMU so erste Smart-Data-Technologien kennen. Am Ende wissen sie, inwiefern sich die Hebung ihres Datenschatzes lohnt und welche Werkzeuge sie dafür benötigen. Erfolgreich umgesetzt wurde dies u.a. beim baden-württembergischen Mittelstandsunternehmen Dr.-Ing. Max Schlötter.

Schlötter: Verkaufsprognosen im Griff

Schlötter mit Hauptsitz in Geislingen zählt zu den führenden Firmen für Galvanotechnik in Deutschland und sieht seine Kernkompetenzen in der Entwicklung und Herstellung von Galvanochemikalien zur Oberflächenbeschichtung sowie im Bau von Galvanoanlagen. Das Verkaufsvolumen der Schlötter-Produkte wird von vielen Faktoren beeinflusst – bspw. vom Marktwettbewerb, wirtschaftlichen Veränderungen oder Marketingstrategien. Qualitativ hochwertige Umsatzprognosen sind entsprechend schwierig. „Überraschungsbestellungen“, bei denen die Bestellmenge oft unvermittelt um ein Vielfaches höher ist als üblich, erschweren die Prognosen zusätzlich. Ungenaue Vorhersagen können in diesem Kontext zu unterschiedlichen Verlusten führen: Eine Unterprognose führt zu Auftragsverlusten und Sonderfahrten, eine Überprognose zu unnötigen Lagerkosten.

Um Verluste dieser Art zu verringern, versuchte das SDSC-BW-Team mithilfe des maschinellen Lernens die Vorhersage der Verkaufsmenge zu optimieren. Hierfür stellte Schlötter den Datenanalyseexperten die Verkaufsdaten der letzten 13 Jahre zur Verfügung: insgesamt rund eine Million Datenelemente. Die Daten enthielten Verkaufsinformationen zu jedem Produkt an jedem Tag, wie z.B. Verkaufsvolumen, Lageradresse, Kundennummer, Bestellzeit, Lieferzeit usw.

© Schlötter

Das Team des SDSC-BW betrachtete die Fragestellung im Rahmen der kostenlosen Potenzialanalyse als sogenannte Zeitreihen-Vorhersage-Aufgabe. Da eine Unterprognose im Vergleich zu einer Überprognose zu einem dreifach höheren Verlust führen kann, definierten die Experten eine asymmetrische Bewertungsmetrik. Anschließend extrahierten sie verschiedene Merkmale aus den Verkaufsdaten-Zeitreihen, darunter statistische Informationen (wie Mittelwerte und Autokorrelationen) oder Frequenzinformationen (wie Fourier Transformation).

Auf Basis dieser Merkmale testeten sie verschiedene Modelle, um das beste unter ihnen zu identifizieren. Abschließend verglich das Team das optimierte Modell mit der Prognosestrategie von Schlötter. Das Resultat: Durch die detaillierte Analyse und umfassende Recherchen entwickelten die Experten eine Methode, die die Verkaufsmengen unterschiedlicher Produkte automatisch und adap­tiv vorhersagt. Das neue Modell erzielte bessere Ergebnisse als die bislang genutzte Prognosestrategie. Schlötter weiß nun, welch großes Potenzial für die Entwicklung eines intelligenten Systems in den firmen­eigenen Daten liegt. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse gehen die Partner davon aus, dass weitere Datenanalysen die Produktionsplanung zusätzlich verbessern werden.

Internes Know-how aufbauen

Das Beispiel Schlötter zeigt, dass auch KMU den Schritt in die Welt der Digitalisierungsvorhaben wagen sollten – unter Wettbewerbsgesichtspunkten verschenken sie sonst wertvolles Potenzial. Neben externer Hilfestellung können sie dafür auch zielgruppengerechte Weiterbildungsangebote in Anspruch nehmen, um (parallel) internes Know-how aufzubauen. So stärken bspw. neun Hochschulen aus Baden-Württemberg mit dem Projekt „Data Literacy und Data Science für den Mittelstand: Weiterbildung und Qualifizierung“ (Dataakademie) die Kompetenzen bei der Erfassung und Auswertung massiver Datenmengen. Im Rahmen des Projekts gibt es zahlreiche praxisbezogene Schulungs- und Qualifizierungsangebote; auch im Blended-­Learning-Format. Nutzen kleine und mittlere Chemieunternehmen Angebote dieser Art, rücken Digitalisierungsvorhaben mitsamt ihren Vorteilen schnell in greifbare Nähe.

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„Auch geringere Mengen an Daten können wertvolle Erkenntnisse für Prozessoptimierungen liefern.“

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