Logistik & Supply Chain

Chemielogistikforum der BVL: Outsourcing von Logistikleistungen im Wandel

Interview mit Andreas Backhaus, Senior Vice President European Site Logistics Operations, BASF

23.05.2018 -

Im Markt ist eine Veränderung der Nachfrage beim Outsourcing von Logistikleistungen in der Chemieindustrie zu verzeichnen. Neben operativen Tätigkeiten wie Lagerung und Transport werden vermehrt Prozesswissen und innovative IT-Lösungen gesucht. Diese Leistungen finden sich im Portfolio von Lead Logistics Providern (LLP) oder Fourth Party Logistics (4PL) Providern. Eine Studie von Camelot Management Consultants und Christian Kille, Studiengangleiter an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt, beleuchtet diese Entwicklung, deren Ergebnisse beim Forum Chemielogistik der BVL vorgestellt werden.

Die Ergebnisse der Studie werden zudem mit Vertretern aus Industrie und Logistikdienstleistung eingängig diskutiert. Unter den Diskutanten wird auch Andreas Backhaus sein, Senior Vice President European Site Logistics Operations bei BASF. Im Vorfeld gab er Sonja Andres von CHEManager einige Einschätzungen zum Einsatz von LLP und 4PL-Unternehmen.

CHEManager: Herr Backhaus, der Einsatz von Lead Logistics- oder 4PL-Unternehmen soll besonders in der Chemieindustrie hohe Einsparpotenziale bieten. Sehen Sie das auch so, und warum?

Andreas Backhaus: Ich denke, diese Frage lässt sich nicht generell beantworten, sondern muss die spezifische Situation eines Unternehmens berücksichtigen, die einem möglichen Outsourcing zu Grunde liegt. Dabei spielen meines Erachtens drei Merkmale eine besondere Rolle: Welche Bedeutung kommt der Logistik in einem Unternehmen zu, welchen Umfang haben die Logistikaktivitäten und wie hoch ist die vorhandene Logistikkompetenz. Je nach Ausprägung dieser Kriterien ergibt sich ein breites Spektrum an Outsourcing-Szenarien, die zum Teil deutliche Einsparpotenziale aufzeigen.

Für andere Szenarien erscheint ein Outsourcing zumindest aus wirtschaftlichen Gründen nicht zwingend. Neben der reinen Kostensicht, auf die die Logistik häufig reduziert wird, tritt zunehmend deren Beitrag zur Wertschöpfung entlang der Lieferkette in den Vordergrund der Diskussion. Dann entscheiden eher Themen wie Prozessintegration und Kooperationsfähigkeit einer Organisation über Vor- und Nachteile des Einsatzes von LLP- und 4PL-Unternehmen.

Worin sehen Sie konkret die größten Vorteile beim Einsatz eines LLP oder 4th Party Logistics Providers? Was kann er besser als das produzierende Unternehmen?

A. Backhaus: Nun, der LLP oder 4PL Provider ist Profi auf dem Gebiet der Logistik und Logistiksteuerung. da es sein Kerngeschäft ist. In der Regel kennt er eine Vielzahl von Unter-nehmen und damit eine große Bandbreite von Aktivitäten und Lösungen. Das unterscheidet ihn zunächst deutlich von einem produzierenden Unternehmen, das sich – je nach Ausprägung – auf andere Themen fokussiert. Das bedeutet, Unternehmen mit wenig Logistikkompetenz, die diesem Gebiet gegebenenfalls auch weniger strategische Bedeutung zumessen, kann der LLP oder 4PL aufgrund seiner Expertise einen echten Mehrwert liefern.

Es sind viele erfolgreiche, mittelständische Unternehmen über die Jahre gewachsen, haben aber ihre Logistik in Umfang und Kompetenz nicht den neuen Randbedingungen angepasst. Durch den Einsatz eines LLP/4PL kann hier vergleichsweise schnell die notwendige Expertise zum Einsatz kommen. Das gilt insbesondere für die Prozess- und IT-Kompetenz.

Neben der Logistikexpertise kann ein LLP/4PL bei sehr volatilem Marktumfeld notwendige Volumenschwankungen besser managen, da er in der Regel für mehrere Partner arbeitet und notwendige Kapazitäten bereitstellen kann. Auch bei der zunehmenden Tendenz nach immer differenzierteren Services kann sich der 4PL einbringen.

Was könnte nach Ihrer Ansicht gegen das Outsourcing von Logistik-Management-Aufgaben sprechen?

A. Backhaus: Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren erkannt, dass die Logistik sich in zunehmendem Maße zu einem Wettbewerbsfaktor entwickelt hat. Wenn sie zunächst nicht als Kernaktivität eines produzierenden Chemieunternehmens wahrgenommen wird, so ist diese Aktivität für die Kundenbelieferung und damit der Kundenzufriedenheit von außerordentlich großer Bedeutung. Je nach Wettbewerbsumfeld wird die Logistik damit eine strategische Größe, die man nicht per se in andere Hände geben möchte, zumindest nicht deren Steuerung. Das wiederum ist ja eine Kernkompetenz und ein Mehrwert des LLP/4PL-Unternehmens.

Ein anderer Aspekt ist das abzuwickelnde Volumen und die Bandbreite der erforderlichen Logistikservices. Bei entsprechendem Geschäftsvolumen ist die kritische Masse, die notwendig ist, um effizient arbeiten zu können, schnell erreicht, so dass Kostenvorteile und Qualitätssteigerungen durch die Logistiksteuerung und -kompetenz im produzierenden Unternehmen selbst erreicht werden können. Voraussetzung dafür ist, dieses kundenrelevante Thema entsprechend ernst zu nehmen und notwendige Investitionen in Organisation, Expertise und logistische Einrichtungen zu tätigen.

Für welche Art von Chemieunternehmen bietet sich der Einsatz von LLP oder 4PL-Unternehmen besonders an?

A. Backhaus: Der Einsatz solcher Unternehmen bietet sich insbesondere für kleinere Chemieproduzenten an, denen, um ihre Logistik effizient betreiben und steuern zu können, das entsprechende (Umsatz-)Volumen fehlt. Des Weiteren kann der Einsatz von LLP/4PL-Unternehmen ein Weg sein, um schnell die notwendige Logistikkompetenz einsetzen zu können, wenn diese nicht im eigenen Hause zur Verfügung steht.

Akquisitionen beziehungsweise der Zusammenschluss vorher eigenständiger Partner kann ein Grund sein, logistische Steuerungskompetenz von extern in Anspruch zu nehmen, wenn die Logistikaktivitäten des neuen Unternehmens eine andere Dimension aufweisen und keine der vorhandenen Organisationen in der Lage ist, dieser gerecht zu werden.

Welche Kriterien sollten auf jeden Fall erfüllt sein, damit das Outsourcing von Logistik-Management-Aufgaben sinnvoll ist?

A. Backhaus: Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Outsourcing ist, dass dabei ein Mehrwert erzeugt wird, sei es bei den Kosten und/oder bei Servicelevel und Qualität. Dieser Mehrwert wird jedoch nur erreicht werden können, wenn das jeweilige Unternehmen auch die erforderliche Motivation mitbringt, diesen Schritt mit gegebenenfalls erheblichen Konsequenzen für die Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb der Unternehmensgrenzen zu gehen. Wie eingangs besprochen, ist es wichtig, die individuelle Situation zu analysieren. Ein generelles Vorgehen in die eine oder andere Richtung halte ich für nicht zielführend.

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