Anlagenbau & Prozesstechnik

Alles wird möglich

Radarfüllstandmessung von Schüttgütern

07.10.2015 -

Nach einem Jahr im Feld: Die Bilanz des neuen Radarfüllstandmessgerätes von Vega, das mit einer Frequenz von 79 GHz arbeitet, überrascht selbst die Experten.

Die wichtigste Neuentwicklung des Vegapuls 69 ist, dass das Füllstandmessgerät mit einer Frequenz von 79 GHz arbeitet. Die höhere Frequenz ermöglicht eine deutlich bessere Fokussierung des Sendesignals. Vor allem bei Behältern mit vielen Einbauten oder einer stark strukturierten Behälterwand hilft die gute Fokussierung, das eigentliche Messsignal von Störsignalen besser zu trennen. Mit neuen Mikrowellenkomponenten können selbst kleinste Reflexionssignale erfasst werden. Damit lassen sich auch bis dahin schwierig zu messende Medien mit schlechten Reflexionseigenschaften, also sehr niedriger Dielektrizitätszahl, wie Kunststoffpulver oder leichte Farbpigmente zuverlässig messen. Aber auch extreme Staubentwicklungen meistert das neue Gerät.

Begeisterte Anwender in vielen Branchen
Die Rückmeldungen aus den weltweiten Anwendungen klingen manchmal fast schon euphorisch. Seit der Markteinführung wurden über 5000 Geräte verkauft und Anwendungen erschlossen, bei denen man bis dahin nicht glaubte, dass sie möglich sind. Es stehen dadurch immer schwierigere Messanforderungen im Fokus und es ist verblüffend, wie einfach Füllstandmessung von Schüttgütern geworden ist. Dabei zeichnete sich der Erfolg bereits in der Nullserie ab, die schon vor der offiziellen Markteinführung im September letzten Jahres weltweit installiert wurde. Damit konnte viel Erfahrung gesammelt werden, so dass zum Verkaufsstart ein ausgereiftes Gerät zur Verfügung stand.
Von der neuen Sensorausführung profitiert auch die Chemieindustrie, da sehr viele Medien eine sehr niedrige Dielektrizitätszahl aufweisen. Diese Medien liefern dementsprechend auch nur sehr schwache Reflexionen, da ein großer Teil der Radarsignale vom Medium absorbiert wird oder einfach durch diese hindurchgeht. Und ein Radarsensor kann nur den richtigen Füllstand messen, wenn auch ein Füllstand­echo klar zu erkennen ist. Weisen die Störsignale die gleiche Größe wie das Füllstandecho auf, ist eine zuverlässige Messung nicht möglich. Kommen noch Einbauten in den Silos und Behältern dazu, wird die Messsituation schwierig. Solche Anwendungen löst das neue Radarfüllstandmessgerät durch die bessere Sig­nalfokussierung nun deutlich besser. Es gibt aber noch eine ganze Reihe anderer Anwendungen, in denen der Vegapuls 69 zum echten Problemlöser wurde.

Unbeeindruckt von Staub und Verschmutzungen
Dank der eingesetzten Linsenantenne aus PP oder PEEK konnte das Antennensystem des Sensors nahezu frontbündig gestaltet werden. Dadurch ragt nichts in den Behälter hinein und es entstehen kaum Ablagerungen. Ein Spülanschluss eignet sich bei extremen Anhaftungen dazu, die Verschmutzungen durch einen kurzen Luftstoß zu entfernen. Bei typischen Messaufgaben wie die Inhaltserfassung im Zement- oder Kalksilo konnten die Sensoren ihre Leistungsfähigkeit bereits unter Beweis stellen.
Eine Herausforderung ist der Einsatz in sehr stark leitfähigen und zusätzlich anhaftenden Medien wie z. B. Grafit. Das feine Grafitpulver wird pneumatisch gefördert und lagert sich an der gesamten Behälterwand und natürlich auch an den eingesetzten Sensoren ab. Gerade bei solchen sehr stark dämpfenden Ablagerungen zeigt sich die Stärke des Vegapuls 69. Die Unempfindlichkeit gegenüber Verschmutzungen und der große Dynamikbereich macht es möglich auch bei solch schwierigen Anwendungen eine zuverlässige Messung zu realisieren.
Um ein kontinuierliches Anwachsen der Verschmutzung mit dem hochleitfähigen Grafit zu verhindern, wird die Antenne in zyklischen Abständen mit einem kurzen Luftstoß gereinigt.

Sichere Messung durch bessere Fokussierung
Hintergrund für die guten Messergebnisse ist, dass der Vegapuls 69 mit einer Antennengröße von ca. 75 mm arbeitet. Dadurch ist der Öffnungswinkel nur 4° groß. Dies ist insofern entscheidend, weil der Öffnungswinkel der abgestrahlten Radarenergie und damit auch die Fokussierung sowohl von der Sendefrequenz als auch der wirksamen Antennenfläche abhängen. Mit einer höheren Frequenz bei gleicher Antennengröße wird eine deutlich bessere Fokussierung erreicht. Zum Vergleich: Bei einem Radarsensor mit 26 GHz-Sendefrequenz beträgt der Öffnungswinkel etwa 10° bei gleicher Antennengröße. Dagegen geht der 79 GHz-Strahl mit seinem 4°– Winkel an Einbauten oder Anhaftungen der Behälterwand vorbei. Das macht die Messung zuverlässiger und bei manchen Anwendungen erst möglich.
Ein solches Beispiel ist die Messung von sehr feinen Farbpigmenten für die Herstellung von Dispersionsfarbe. Die Produkte werden in ca. 18 m hohen Silos bevorratet. Um möglichst viele unterschiedlichen Medien zu lagern, sind die zylindrischen Silos in der Mitte geteilt und zur Verstärkung mit Trapezblechen versehen, zusätzlich sind noch Leitern und Verstrebungen im Silo eingebaut. Gerade diese Einbauten und die strukturierte Behälterwand brachte die Füllstandmessung mit Radar bisher oft an ihre Grenzen, vor allem wenn das Medium, wie bei dieser Anwendung, nur ein sehr schwaches Reflexionssignal erzeugt.
Durch den Frequenzbereich von 79 GHz ist nun eine deutlich bessere Signalfokussierung möglich und Einbauten oder die Behälterwand selbst erzeugen kaum Störreflexionen. Die Messung des Füllgutes erfolgt also mit einer deutlich höheren Sicherheit und Zuverlässigkeit, in der Praxis bedeutet das für den Anwender eine bessere Planung für die Produktion und optimale Auslastung der Anlagen.

Mehr Leistungsreserven für einen breiten Einsatz
Je größer der Dynamikbereich (Unterschied zwischen größtem und kleinstem Signal), desto breiter das Einsatzspektrum eines Füllstandmessgerätes. Da der Vegapuls 69 über einen Dynamikbereich von 120 dB verfügt, lassen sich selbst kleinste Reflexionen messen. Mit der neuen Technik lassen sich also auch Medien mit sehr schlechten Reflexionseigenschaften mit extrem kleiner Dielektrizitätszahl messen. Diese Anwendungen waren bisher oft nur mit speziellen Einstellungen möglich. Heute ist es für den Anwender sehr viel einfacher geworden.
Ein besonderes Beispiel für eine solche Anwendung ist die Messung von Dämmstoffverschnitt. Durch den großen Anteil an Luft ist die Dielektrizitätszahl extrem klein und liegt je nach Konsistenz des Mediums zwischen 1,2 – 1,3. Mit bisherigen Sensoren wäre eine Messung nicht möglich gewesen. Dank des großen Dynamikbereiches und der sehr guten Signalbündelung können selbst kleinste Signale von der Füllgutoberfläche detektiert werden und eine zuverlässige Messung ist möglich. Eine weitere Besonderheit bei dieser Anlage ist, dass die Dämmstoffe in einem ca. 10 m hohen Silo aus Kunststoffgewebe gelagert werden. Da in der bestehenden Anlage kein passender Montagestutzen vorhanden war, erfolgt die Messung direkt durch die Decke des Gewebebehälters. Der Radarsensor Vegapuls 69 wurde direkt über der Decke montiert und misst durch die gewebeverstärkte Kunststofffolie hindurch – Ablagerungen in der Form von Staub oder Dämmstofffasern beeinträchtigen die Messung nicht. So konnte ohne jeglichen Umbau eine schnelle Inbetriebnahme und zuverlässige Messung erreicht werden.
Smartphone-App zum optimalen

Ausrichten von Radarsensoren
Mit dieser neuen Funktion in der Vega Tools-App wird es zum Kinderspiel, Radarsensoren für Schüttgüter optimal auszurichten und in Betrieb zu nehmen. Über die Eingabe der Behälterhöhe und des Abstands zur Austragsöffnung errechnet die App automatisch den optimalen Neigungswinkel. Mithilfe der im Smartphone integrierten Neigungssensoren und einer grafischen Darstellung des Messpunktes kann der Sensor optimal ausgerichtet werden.