Anlagenbau & Prozesstechnik

Mehrwert durch Management

Wie Reinraummanagement den Nutzen steigert

01.06.2016 -

Ein Reinraummanagement, das alle reinraumspezifischen sekundären Aufgaben beinhaltet, die die Prozess­sicherheit und den optimalen Betrieb des Reinraumes gewährleisten, ermöglicht dem Betreiber sich auf seine Kernprozesse im Reinraum zu konzentrieren. Ziel des professionellen Reinraummanagements ist die Verfügbarkeit der Anlagen und die Reinheit durch technische und organisatorische Maßnahmen zu sichern, für eine optimale Betriebsweise zu sorgen und die Anpassungs­wünsche des Betreibers effektiv umzusetzen. Dadurch wird langfristig der Nutzwert der Investition erhöht und ­abgesichert.

Nicht selten sieht sich der Reinraumbetreiber mit einer Vielzahl von Fragen konfrontiert, die in erster Linie nichts mit seinem Kernprozess zu tun haben, aber für die Funktion des Reinraumes notwendig sind: Wer kümmert sich um Wartung und Instandhaltung? Stimmen meine Reinraumparameter noch? Wie oft muss ich requalifizieren? Was passiert bei einem Störfall? Welches Bekleidungskonzept ist für mich das richtige? Ist meine Reinigungsfirma ausreichend qualifiziert? Kann ich meinen Reinraum dem neuen Prozesslayout anpassen? usw. Es sind auch schon Reinräume stillgelegt worden, weil sie den veränderten Anforderungen nicht mehr genügten. Dies gilt es durch ein aktives Management zu vermeiden.
Das Konzept des Reinraummanagements sieht vor, alle notwendigen Dienstleistungen, die für die Verfügbarkeit und optimale Nutzbarkeit des Reinraumes notwendig sind, bei einem professionellen Dienstleister zu bündeln. Ein flexibles Rahmenvertragswerk sichert dem Auftraggeber die Verfügbarkeit und Kostentransparenz auf lange Zeit, der Dienstleister kann durch organisatorische Synergien, langfristige Planungen und evtl. Einkaufsvorteilen von Verbrauchsmaterialen und Verschleißteilen eine wirtschaftliche Nutzung gewährleisten und damit den Betreiber entlasten. Durch eine enge Abstimmung mit dem Betreiber werden der gemeinsame Fahrplan und die Strategie des Reinraummanagements festgelegt. Das Vertragswerk lässt Spielraum zwischen „Rundum-Sorglos-Paket“ und „Minimum-Instandhaltung“, sodass das der Betreiber nicht zu hohen Fix-Kosten auf lange Zeit verpflichtet wird.

Die Vorgehensweise
Den Anfang der Zusammenarbeit macht eine gemeinsame Bestandsaufnahme, um den Umfang der zu betreuenden Anlagen festzulegen und deren Zustand zu ermitteln. Die Anlagen werden dann mit Hilfe von Raumbüchern und Ausrüstungslisten katalogisiert und der Stand der Dokumentationen festgestellt. Danach beginnt die gemeinsame Priorisierung von Maßnahmen.
Die von der DIN EN ISO 14644-2 geforderten Wartungsintervalle sind prozessabhängig und variieren zwischen einem halben Jahr und zwei Jahren. Der Dienstleister erstellt die erforderlichen Wartungspläne, falls nicht vorhanden, einschließlich der benötigten Ersatz- und Verschleißteillisten und organisiert die Durchführung. Grundlegend für die Wartungspläne sind die Richtlinien des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA). Alle Wartungsaktivitäten werden dokumentiert, für die einzelnen Anlagen werden Logbücher angelegt und geführt. Eventuell erforderliche Reparaturen werden angeboten und durchgeführt.
Die Requalifizierung überprüft und dokumentiert, ob die kritischen Reinraumparameter noch die Akzeptanzkriterien erfüllen. Des Weiteren ist die regelmäßige Kalibrierung bestimmter Sensoren unerlässlich.
Sollte sich aufgrund einer Risikoanalyse herausstellen, dass bestimmte Parameter für den Prozess besonders kritisch sind, kann man die Überwachung in engeren Zyklen durchführen oder ein Monitoringsystem installieren. Dieses zeichnet die Messwerte permanent auf, archiviert diese und liefert Trenddaten und statistische Auswertungen. Die Daten können über einen Webklienten zu einem oder mehreren beliebigen PCs weitergeleitet werden (via Intranet  / Internet). Grenzwertüberschreitungen und Störungen können vielfältig weitergeleitet werden.
Je nach Nutzungsgrad und Arbeitsprozess ist die Reinraumreinigung in bestimmten Intervallen notwendig, um die Reinraumklasse zu erhalten. Die Schwierigkeit dabei ist jedoch, dass man den Erfolg der Reinigung nicht sieht, da wir es hier mit Partikeln kleiner 5 µm zu tun haben. Daher sind hier das richtige Personalverhalten, die Arbeitsgeräte und Hilfsmittel und die richte Methodik von entscheidender Bedeutung. Der Reinigungsprozess muss zunächst auf seine Wirksamkeit hin validiert werden und schließlich in konkreten Anweisungen (SOPs) niedergeschrieben werden. Die SOPs werden in regelmäßigen Abständen überprüft und gegebenfalls angepasst, das Personal wird entsprechend geschult, die Reinigung wird stichprobenartig kontrolliert.
Kein Reinraum funktioniert ohne Einweg- und Verbrauchmaterial, sodass hier eine genaue Planung der Reinraumkleidung (Einweg / Mehrweg) und der Logistik unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ratsam ist.

Mitarbeiterqualifizierung
Die Schulung der Reinraumnutzer und des Reinigungspersonals sind für die Wirksamkeit des Reinraumes besonders wichtig, weil der Mensch die Hauptkontaminations- und Störquelle des Reinraumes darstellt. Um das Personal für das Umkleiden und Verhalten im Reinraum zu sensibilisieren sind regelmäßige Schulungen bzw. Trainings unerlässlich, zumal die notwendigen Maßnahmen immer eine Erschwernis der eigentlichen Arbeit darstellen. Auch diese Schulungen müssen dokumentiert werden. Eine Zugangsberechtigung zum Reinraum sollte an einen gültigen Schulungsnachweis gekoppelt sein. Das Erstellen von Schulungsmaterial, die Durchführung und das Führen einer Schulungsdatenbank ist Teil des Reinraummanagements. Mehrsprachiges Schulungsmaterial und der Einsatz von kurzweiligen Präsentationen und Videos erhöhen den Schulungserfolg.

Energiemanagement
Der Energieverbrauch wächst permanent zu einem wesentlichen Kostenfaktor, daher ist es sinnvoll ihn konkret zu messen, um eine Grundlage für eventuelle Investitionen in die Energieeinsparung zu erhalten. Weiterhin lässt sich oft durch Optimierung der Regelparameter eine beträchtliche Einsparung erzielen (gleitender Sollwert, Erhaltungsbetreib, Nachtkühlung, etc.).

Bauliche Anpassungen
Oft müssen Reinräume an veränderte Nutzungen baulich angepasst werden, wie z. B. neue Maschinen, mehr Nutzer oder höhere Reinraum­anforderungen. Die Umbauten oder Anbauten sollten sorgfältig geplant werden, weil meist alle Komponenten des Reinraumes (Kabine, Lufttechnik, MSR-Technik, Medien, etc.) betroffen sind. Im Hinblick auf Betriebsausfallzeiten sollen die Unterbrechungen natürlich so kurz wie möglich sein oder bei laufendem Betrieb durchgeführt werden. Dies erfordert ein hohes Maß an Projektierung und Montageorganisation, sowie das Beherrschen der gesamten Schnittstellenbreite. Hier hat natürlich ein professioneller Dienstleister, der bereits das spezifische Know-how besitzt, unbestreitbare Vorteile.

Qualifizierung externer Lieferanten und Dienstleister
Externe Lieferanten und Dienstleister, die in den Reinraumbetrieb involviert sind, wie z. B. Raumreinigung, Reinigung der Kleidung, Wartung der Prozesstechnik, etc., werden einer Qualifizierung unterzogen. Innerhalb dieser Qualifizierung werden u. a. folgende Kriterien geprüft:

  • Gibt es ein wirksames Qualitätssicherungswesen?
  • Ist die Firma zertifiziert?
  • Qualifikation der eingesetzten Mitarbeiter
  • Gibt es ggf. ähnliche Referenzen

Weiterhin müssen die eingesetzten Mitarbeiter nachweislich an gewissen turnusmäßigen Schulungen teilnehmen, d. h. es werden nur Mitarbeiter mit den entsprechenden Schulungsnachweisen akzeptiert.

Alle Tätigkeiten werden protokolliert.
Am Beispiel der Raumreinigung bedeutet es, dass für jeden Raum ein eigenes Reinigungsprotokoll geführt wird, auf dem ersichtlich ist, wer hat was mit welchen Reinigungsmittel gereinigt. Für sehr kritische und sensible Bereiche (=> ergibt sich aus der Risikoanalyse) kann man den Detaillierungsgrad weiter erhöhen.

Notfallmanagement
Ein wesentliches Ziel des Reinraummanagements ist, unvorhergesehene Störfälle im Vorfeld auszuschließen. Sollte es dennoch dazu kommen, muss je nach Brisanz schnell reagiert werden. Eine zuvor durchgeführte Risikoanalyse muss zeigen, welche Reaktionszeiten für welche Ausfälle erforderlich sind. Daraus ergeben sich Angaben für die Ersatzteilbevorratung, eventuelle Redundanzen und die Reaktionszeit bis ein Techniker Vorort eintrifft. Im Allgemeinen sind Reaktionszeiten bspw. innerhalb von 2 Arbeitstagen ausreichend, kürzere Zeiten können natürlich auch realisiert werden, sind natürlich dann auch mit höheren Kosten verbunden. In diesem Zusammenhang kann man erwägen, ob die Einrichtung einer Fernüberwachung (Monitoring, Stör- und Warnmeldungen, etc.) sinnvoll und wirtschaftlich ist.
Die Partnerschaft für ein Reinraummanagement erfordert ein flexibles auf lange Sicht angelegtes Rahmensvertragswerk, welches den Betreiber vor hohen Fixkosten schützt und dem Anbieter eine längerfristige Planung und Kalkulation ermöglicht. Die Kosten sollten für permanente, periodische und Einzelereignisse separat aufgeführt werden.
Permanente Kosten fallen für die Verfügbarkeit und Beratung, Verwaltung, ggf. Fernüberwachung, Vorhaltung von Messgeräten, Störfallbereitschaft und das Führen der Bestandsunterlagen an.
Wartung, Requalifizierung und Schulung sind periodische Ereignisse, deren Kosten vorher bekannt sind und regelmäßig anfallen. Für die gängigsten Ersatz- und Verschleißteile werden Preislisten erarbeitet, optimiert nach Lieferzeiten und Bevorratungsmöglichkeiten, sodass auch diese Kosten vorhersehbar sind, zumal bereits Erfahrungswerte für den Verschleiß existieren (z. B. Filterwechsel). Wenn der Dienstleister über ein gutes Lieferantennetzwerk mit guten Einkaufsbedingungen verfügt, profitieren beide Vertragsparteien von den Einkaufsvorteilen.
Bestandsaufnahme, Erstellen von Dokumentationen und Unteralgen, Reparaturen, Umbauten, Optimierungsprojekte und Störfälle sind typische Einzelereignisse, die nach zuvor erstellter und vom Betreiber freigegebener Kalkulation bzw. festen Verrechnungssätzen abgerechnet werden. Dadurch ist für den Betreiber ein hohes Maß an Transparenz und Mitspracherecht gewährleistet.
Für den Betreiber ergibt sich der Vorteil, dass er durch das professionelle Reinraummanagement, seine eigenen Ressourcen entlastet und gleichzeitig eine hohe Verfügbarkeit und Nutzbarkeit der Reinräume sicherstellt. Durch die Konzentration der Partner auf ihre jeweiligen Spezialgebiete entsteht eine erfolgreiche Zusammenarbeit.