Strategie & Management

Mit Big-Data-Analytics Datenspuren richtig lesen

Process Mining bei AkzoNobel

06.06.2018 -

Für Unternehmen der chemischen Industrie ist das aktuelle Geschäftsumfeld in Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung in vielen Fällen ein Anlass, um Strategien und Geschäftsmodelle zu hinterfragen. Immer mehr wird dabei die konkrete Umsetzung zum Differenzierungsmerkmal: Was muss ich tun, um zukünftig erfolgreicher zu sein als bisher? Und welche Technologien können mich dabei substanziell unterstützen?

Ein vielversprechender Ansatz ist die Nutzung von Big Data – also die Sammlung, Verarbeitung und Nutzung großer Datenmengen. Die noch relativ junge Big-Data-Analytics-Technologie Process Mining zielt darauf, Organisationen digital zu scannen und so datenbasiert zu bestimmen, wie und wo sich das Unternehmen verbessern kann. Aber wie funktioniert Process Mining und wie können Unternehmen der chemischen Industrie hiervon profitieren?

Die smarte Nutzung von Big Data

Im Spannungsfeld von steigendem Wettbewerb und sich ständig verändernden Kundenbedürfnissen ist die Sicherung von Wettbewerbsvorteilen zu einem wichtigen Faktor für Unternehmenserfolg geworden. Die Transformation bisheriger Geschäftsmodelle und die stetige Verbesserung und Optimierung von Prozessen ist dabei auch in Organisationen der chemischen Industrie zentral. In diesem Kontext kann Big-Data-Analytics relevante Einblicke liefern. Tagtäglich werden in einem Unternehmen Millionen von Aktionen in unterschiedlichsten Systemen gespeichert. Process Mining macht sich diese Informationen zunutze, setzt bei der Analyse im Unterschied zum klassischen Data Mining allerdings nicht auf der Daten- sondern auf der Prozessebene an: Die Software analysiert sogenannte „Logs“, die als Aktivitäten im Prozess gekennzeichnet sind. Um diese „Eventlogs“ zu definieren und in die Analyse zu integrieren, sind drei Komponenten relevant: Zeitstempel, Eventbezeichner und Fallschlüssel, wie beispielsweise eine Rechnungsnummer. Der Ablauf eines Prozesses kann in der Software als Fluss chronologisch ablaufender Ereignisse visualisiert werden, beispielsweise ein Einkaufsprozess – von der Vorarbeit über die Bestellung bis hin zur Zahlung. Anwender können so die Ist-Prozesse im Unternehmen erkennen, mit den Soll-Prozessmodellen abgleichen und so Schwachstellen und Engpässe erkennen und entsprechende Maßnahmen ableiten. Durch die Integration von maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz wird es zudem möglich, auf Basis von sehr großen Datensätzen Handlungsempfehlungen und Entscheidungen zu generieren. Das System lernt dabei aus den Abläufen, erkennt Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung und kann Abweichungen erklären. Welche Maßnahmen im konkreten Fall ergriffen werden, bleibt nicht mehr alleine der subjektiven Einschätzung des Anwenders überlassen.

Process Mining bei AkzoNobel

Das niederländische Chemieunternehmen AkzoNobel – ein weltweit operierendes Unternehmen mit 2.300 Mitarbeitern und 15 Produktionsstandorten allein in Deutschland – sieht sich in einem saturierten Markt vor allem damit konfrontiert, bei gleichbleibendem Einsatz ein maximales Ergebnis zu erzielen. Konkrete Fragestellungen sind daher: Wie lässt sich trotz der großen Bandbreite an Produkten die Wettbewerbsfähigkeit weiter ausbauen? Wie lassen sich Produktionskosten senken, Durchlauf- und Lieferzeiten reduzieren und der Service für Kunden verbessern? Um diesen konkreten Anforderungen zu begegnen, setzt AkzoNobel auf seine Mitarbeiter: Sie sollen mithilfe von Process Mining interne Prozesse digitalisieren, verschlanken und automatisieren und damit Raum für mehr Effizienz schaffen. Bislang war es für AkzoNobel schwer nachvollziehbar, was in den Kernprozessen des Unternehmens passierte. So fortschrittlich das Reporting auch war, es fehlte die Visualisierung des Prozessablaufs abseits des Idealprozesses und das Bewusstsein über Abweichungen und deren Ursachen. "Wollten wir Teile der Prozesse exportieren und aus Vogelperspektive anschauen, bedeutete das Wochen, wenn nicht gar Monate Arbeit", erklärt Nina van Krimpen, Expertin für Purchase-to-Pay-Themen bei AkzoNobel. "Wir hatten ein gutes Gespür dafür, wo unsere Probleme lagen, hatten aber Schwierigkeiten damit, die Ursachen zu verstehen."

Transparent vom Einkauf bis zur Bezahlung

Seit 2016 setzt AkzoNobel Process Mining ein. Die zentrale Frage vor der Einführung der Technologie war: Welche Prozesse sind elementar für den Erfolg des Unternehmens? Entsprechend wurden in einem ersten Schritt die Bereiche Purchase-to-Pay und Accounts Payable ausgewählt. Einer der Schwerpunkte der Arbeit war die Überarbeitung von Bestellungen im Rahmen des Purchase-to-Pay-Prozesses und die Reduzierung manueller Nacharbeit. Dabei wurde sichtbar, dass bei 18 Prozent aller Transkationen manuelle Änderungen vorgenommen werden. Ursachen hierfür gab es zahlreiche, beispielsweise die Nutzung von veralteten oder fehlerhaften Stammdaten, nicht von Anfang an erfasste Frachtkosten oder Inputpreisdatensätze. Dies verzögerte den Prozessablauf signifikant und ließ Kosten nach oben schnellen. Wichtig war hierbei vor allem zu erkennen, ob die Ursache für Korrekturen bei AkzoNobel oder auf Lieferantenseite lag – ein entscheidender Faktor bei Absprachen und Preisverhandlungen. Durch den Einsatz von Process Mining kamen auch ganz neue Erkenntnisse bei Bestell- und Rechnungsprozessen zutage, wie Nina van Krimpen erklärt: „Wir wussten bereits im Vorfeld, dass wir zu viele Aufträge mit einem geringen Auftragswert unter 100 Euro haben. Schwarz auf weiß zu sehen, dass diese ein Drittel unseres gesamten Bestellvolumens ausmachen, war allerdings ein echter Schock.“ AkzoNobel arbeitet heute aktiv daran, kleine Bestellungen zu bündeln. „Wir sind jetzt in der Lage zu sehen, was all diese Aufträge mit geringem Auftragswert antreibt.“

Unternehmensweite Prozessoptimierung

Auch im Bereich Accounts Payable führten neue Erkenntnisse zu konkreten Ergebnissen: So konnte beispielswiese die termingerechte Bezahlung um 20 Prozent verbessert und damit Mahngebühren und Skontoverluste reduziert werden. Ein Fünftel der früher manuell überarbeiteten Rechnungen folgt heute dem Ideal-Prozess ohne zusätzliche unerwünschte Prozessschritte. Auch die Preisänderungen im Bereich Accounts Payable wurden unter die Lupe genommen, beispielsweise in Kombination mit Zahlungssperren. Denn manuelle Eingriffe verlängern die Durchlaufzeiten, wodurch AkzoNobel Gefahr läuft, seine Rechnungen zu spät zu begleichen. Mit der kürzlich erfolgten Implementierung von Order-to-Cash, einem Prozess, der viele Stakeholder weltweit einbezieht, setzt AkzoNobel auf eine langfristige unternehmensweite Prozessoptimierung. Auch ein ERP-Konsolidierungsprojekt ist geplant, in dem vier Quellsysteme zu einem zusammengeführt werden sollen. Dabei kann Process Mining eine Schlüsselrolle spielen, wenn es um einzigartige Prozessabläufe und Systemanpassungen geht. „Und natürlich ist auch Robotic Process Automation ein heißes Thema für uns", so van Krimpen. „Aber zunächst müssen wir unsere Prozesse stabilisieren und unsere Probleme mit den Stammdaten in den Griff bekommen. Erst dann können wir das Thema Prozessautomatisierung ausbauen und damit die Effizienz weiter verbessern und Kosten senken.“ Heute arbeiten rund 50 Anwender in verschiedenen Abteilungen mit der Technologie. Alle verfolgen ein gemeinsame Ziel: Die Kernprozesse von AkzoNobel zu verbessern.

Gut gerüstet für die digitale Unternehmenswelt

Eine erfolgreiche digitale Transformation gelingt nur, wenn Führungskräfte und Mitarbeiter einen tiefen Einblick in ihre Daten haben und verstehen, was im eigenen Unternehmen vor sich geht. Je mehr Anwender, Aktivitäten und Daten in einem Unternehmen zusammenlaufen, desto komplexer, aber auch notwendiger wird es, die wirklichen Prozesse zu sehen. Celonis Process Mining skaliert für jede Branche, Unternehmensgröße, IT-Landschaft und alle erdenklichen IT-gestützten Prozesse. Durch das „Mining“ nach den digitalen Prozessspuren in den Systemen können Unternehmen der chemischen Industrie alle Varianten im Prozess sehen, welcher zeitliche Mehraufwand dadurch entsteht, was die Ursachen sind und welche Maßnahmen für die Lösung des Problems entscheidend sind. Damit gelingt es, das Potenzial der eigenen Prozessdaten zu heben sowie Automatisierungspotenziale richtig zu erkennen und zu priorisieren.