Anlagenbau & Prozesstechnik

Dem individuellen Engineering gehört die Zukunft

Druckluftlösungen nahtlos in die Anlagen der Prozesstechnik einbinden

27.02.2020 - Mit der Zielsetzung, Anlagen nicht nur produktiver sondern auch ressourcenschonender und sicherer zu betreiben, positioniert sich RKR, ein Tochterunternehmen der Aerzener Maschinenfabrik, als Engineering-Partner und Systemintegrator.

Eine typische Anforderung an größere Druckluftanlagen in der Chemietechnik ist es z. B., 2.500 m3 mit 10 bar Druckdifferenz erzeugen: Wer nur auf die Förderleistung schaut, kann seinen Bedarf mit einem kurzen Blick in die Kataloge bekannter Hersteller decken, denn zweistufige, ölfreie Verdichter gibt es von der Stange. Wenn aber Integrationsaspekte abseits harter Kennzahlen eine Rolle spielen, kommen die ausgereiften Katalogmaschinen an ihre Grenze – und zwar in limitierten Möglichkeiten, sich an das Umfeld anpassen zu können.

Worauf kommt es heute und in Zukunft an?
Mit dem Ziel vor Augen, Anlagen wirtschaftlicher und umweltschonender zu betreiben, fordern Betreiber die Möglichkeit, die Prozesse ganzheitlicher zu überwachen und im laufenden Betrieb zu optimieren. Parallel dazu steigen auch die Ansprüche an die Anlagenzuverlässigkeit und Sicherheit – was sich nur mit mehr Sensorik und Intelligenz erreichen lässt. Begriffe wie Selbstlernende Maschinen, künstliche Intelligenz und vorbeugende Analytik kommen ins Gespräch.

Der Blick in die täglichen Geschäftsabläufe zeigt, dass Betreiber enger mit ihren Anlagenherstellern kooperieren – bis hin zur direkten Zusammenarbeit mit Maschinenbauern. Die Rintelner Firma RKR Gebläse und Verdichter sieht sich deshalb verstärkt in der Rolle des Sparringspartners für spezialisierte Druckluftlösungen. „Wir verlassen dabei die Gerätesicht und bewegen uns vielmehr auf Prozessebene, bei der die Druckluft ein Teil ist“, erklärt RKR-Projektmanager Bernd Klemme. Dieser Ansatz führt in der Realisierung dazu, die Drucklufterzeugung integrativ in den Gesamtprozess zu bringen. Hierbei zählen vor allem die Definition und Gestaltung sämtlicher denkbarer Schnittstellen. Diese können mechanisch-konstruktiv sein, aber auch das weite Feld der Steuerungssoftware betreffen. Während zweistufige Verdichter aus dem Katalog naturgemäß als Black-Box mit eigener Steuerung ausgeliefert werden, bindet RKR die Funktionseinheit direkt an die Anlagensteuerung eines Chemiebetriebs an. Die gerade Verbindung ohne den Umweg durch die Verdichter-SPS vereinfacht die Schnittstellengestaltung. Indem die Drucklufteinheit Teil des Ganzen ist, stellen sich keine Fragen mehr, welche Daten die übergeordnete Anlagensteuerung in welchem Format und in welcher Sprache aus einem Druckluftaggregat bekommt und mit welchem Informationstiefgang.

Geräteidentität zu Gunsten des ­Gesamtverbunds aufgeben
RKR setzt hier bereits in der frühen Maschinenkonzeption auf maximale Offenheit bis hin zum Zugriff auf die Aktorik- und Sensorikebene. Klemme: „Wir verlassen damit das klassische Sender-Empfänger-Modell.“ Die barrierefreien Eingriffsmöglichkeiten versetzen die Betreiber chemischer Anlagen sodann in die Lage, die Drucklufterzeugung als Funktionseinheit einer Fabrikation im Betriebsverhalten genauso optimieren zu können, wie die eigentlichen chemischen Prozesse. Der Verlust der eigenen Geräteidentität zu Gunsten des Gesamtverbunds schafft unter dem Strich also bessere Möglichkeiten der Optimierung – dies mit dem Ziel, wirtschaftlicher, umweltschonender und ressourceneffizienter zu produzieren. Darüber hinaus gewinnt der Verbund durch die direkte Signalführung an Sicherheit und Verfügbarkeit.

„Functional Safety“ zählt abseits der digitalisierten Industrie 4.0 nach wie vor zu den Innovationstreibern in der Fabrikautomation und Prozesstechnik. Die Bewertung von Anlagen erfolgt dabei über die Ermittlung von Eintrittswahrscheinlichkeiten und Schadensauswirkungen im Rahmen einer Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) – was sich letztlich niederschlägt in einer SIL (Safety Integrity Level) oder PL (Performance Level) Eingruppierung. Gerade in der risikobehafteten Chemieindus­trie führt nach Erfahrung von Bernd Klemme die Kategorisierung nach SIL 3 der IEC/EN 61511 häufig zu dreifach ausgeführten Messstellen, um jederzeit ausreichend Redundanz bei möglichen Fehlfunktionen zu erhalten. Reflektiert auf eine Druckluftstation, müssen die Sicherheitsanforderungen entsprechend technisch umgesetzt und die dazugehörigen Signale in die Failsafe-Kommunikation integriert sein. „Als Systempartner sind wir auch hier frühzeitig in das Engineering eingebunden“, unterstreicht der Projektmanager. Je nach Anwendung nutzt RKR für die anschließende Realisierungsphase natürlich auch das Produktportfolie von Aerzen.

Damit kann die eigene Flexibilität und das spezielle Applikations-Know-how mit sämtlichen Vorteilen kombiniert werden, die eine Großserienfertigung mit sich bringt – bis hin zum internationalen Service samt globaler Ersatzteilverfügbarkeit. Daran anschließend kommt die Inbetriebnahme vor Ort mit der entsprechenden Abstimmung in puncto Schnittstellen und die Einbindung der Drucklufttechnik in die Steuerungssoftware der Anlage – unabhängig davon, welcher Hersteller auf der SPS steht.

Maßgeschneiderte Lösungen
Dieses Zusammenspiel liefert in der Praxis Lösungen, die so gar nichts mehr mit dem Konfektionsanzug von der Stange zu tun haben. Für die Druckluftversorgung prozesstechnischer Anlagen abseits üblicher Versorgungsinfrastruktur verbindet RKR bspw. die zweistufigen Verdichter ihres Mutterhauses in Aerzen über eine Flanschlösung samt Ausrückkupplung mit einem Lkw-Dieselmotor. Ebenfalls denkbar ist der direkte Antrieb über eine Dampfturbine. „Dieser Aufbau ist für die Chemiebranche sehr interessant – gerade dann, wenn Dampf als Abfallprodukt eines Prozesses entsteht“, erklärt Klemme. „Warum erst aus dem Dampf per Turbine und Generator aufwändig elektrischen Strom erzeugen, um damit einen Elektromotor anzutreiben, wenn es doch auch direkt funktioniert?“

Ein weiteres Beispiel: Aus dieser kundenspezifischen Engineering-Strategie heraus, hat RKR für Aerzen Rental in den Niederlanden einen speziell abgestimmten Luft-Luft-Nachkühler in Rack-Form konzipiert. Die Aggregate der konzerneigenen Vermietungsgesellschaft sind als Leihgeräte in Standardcontainer inte­griert. Auf diese Weise lassen sich die temporär aufgestellten Einheiten am einfachsten und sichersten transportieren und wettergeschützt im Außenbereich von Baustellen, Kläranlagen oder chemischen Betrieben aufstellen. Der Maschinenverleiher deckt dabei aus einem standardisierten Maschinenpark heraus ein möglichst weites Einsatzgebiet ab. Folglich muss eine Nachkühleinheit am besten so konstruiert sein, dass sie sich wie eine weitere Schublade in das Container-Gehäuse schieben lässt, wenn die Anwendung gekühlte Verdichterluft erfordert. Auf diese Weise kann Aerzen Rental den Luft-Luft-Nachkühler als Option anbieten, ohne dafür den Maschinenpark dauerhaft umrüsten zu müssen. Die von RKR gebauten Racks sind deshalb weitgehend Plug and Play und die insgesamt vier Lüftermotoren mit Blick auf den variierenden Leistungsbedarf per Frequenzumrichter drehzahlgesteuert.

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