Personal & Karriere

Chef, ich brauche mehr Geld

Einen tragfähigen Kompromiss in der Gehaltverhandlung finden

08.12.2022 - Aufgrund der hohen Inflation werden zurzeit viele Arbeitnehmer bei ihren Chefs mit der Forderung nach einer Gehaltserhöhung vorstellig – teils sogar mit Konkurrenzangeboten. Wie sollten Arbeitgeber darauf reagieren?

„Zurzeit stecken viele Unternehmer in folgendem Dilemma“, sagt Prof. Dr. Georg Kraus, Inhaber der Unternehmensberatung Kraus & Partner, Bruchsal: „Sie wissen, dass sie eigentlich all ihren Mitarbeitern eine satte Lohnerhöhung gewähren müssten, um deren inflationsbedingten Kaufkraftverlust auszugleichen, doch betriebswirtschaftlich können sie sich dies nicht leisten.“ Zum Beispiel, weil die Erträge ihres Unternehmens bereits im Keller sind oder sie befürchten: Das wird aufgrund der sich abzeichnenden Rezession bald geschehen, weshalb sie die Fixkosten ihres Betriebs nicht erhöhen möchten.

Mitarbeiter spüren ihren ­Kaufkraftverlust täglich

Ihre Mitarbeiter spüren jedoch seit Monaten die Preissteigerungen beim Einkauf und ihre Gas- und Stromrechnungen dokumentieren sie. Deshalb werden sie häufiger bei ihren Arbeitsgebern vorstellig mit der Bitte bzw. Forderung „Chef, ich will und brauche mehr Geld“. Und nicht selten untermauern sie diese mit dem Angebot eines anderen Arbeitgebers. Denn weil sie Tag für Tag spüren, wie ihre Kaufkraft schrumpft, schauen sie sich auch häufiger nach Job-Alternativen um – „teils weil sie real einen Arbeitgeberwechsel erwägen, meist jedoch um zunächst auszuloten, wieviel ihre Arbeitskraft anderen Arbeitgebern wert ist, um gegenüber ihrem aktuellen eine bessere Verhandlungsposition zu haben“, erklärt Hans-Peter Machwürth, Inhaber der Unternehmensberatung Machwürth Team International, Visselhövede. Oft erhalten sie dann, weil gute Fachkräfte in fast allen Berufen und Branchen eine Mangelware sind, sehr schnell ein zumindest finanziell attraktives Stellenangebot und mit ihm konfrontieren sie dann ihren Arbeitgeber, sofern sie ihm nicht gleich eine Kündigung schicken.
Mit diesem Problem kämpften aktuell außer Profit- auch Non-Profit-Organisationen wie öffentliche Verwaltungen, weiß Barbara Liebermeister, die Leiterin des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Frankfurt. So klagt z. B. der Leiter einer Justizvollzugsanstalt (JVA), den sie berät, dass seine Anstalt immer größere Schwierigkeiten habe, Wachpersonal zu finden. Denn nicht wenige der sogenannten Schließer sind qua Erstberuf Handwerker, die irgendwann entschieden: Ich wechsle in den öffentlichen Dienst – wegen der Arbeitsplatzsicherheit dort und weil ich den Schließer-Job auch mit 50, 60 Jahren noch ausüben kann.

Profit- und Non-Profitorganisationen sind betroffen

Solche Bewerbungen berichtet Liebermeister bekäme die JVA heute viel seltener. Ein recht junges Phänomen sei zudem: Wenn die Anstalt bzw. die ihr übergeordnete Behörde Bewerbern eine Stellenzusage erteilt, dann sagen diese oft ab. Denn wenn sie bei ihrem Arbeitgeber mit ihrer Kündigung vorstellig werden, sagt dieser: „Bleib‘ da, du kriegst ab nächstem Monat 500 Euro mehr Gehalt.“ Denn dieser weiß:

  • Es wird für mich schwer und vermutlich sogar noch teurer, einen adäquaten Ersatz zu finden, als dem Mitarbeiter ein höheres Gehalt zu gewähren. Und:
  • Ich kann gestiegene Personalkosten aktuell recht problemlos an meine Kunden weitergeben, da alle Welt nach Handwerkern schreit.
  • Wenn es um die Frage geht, wie reagiere ich als Personalverantwortlicher auf eine höhere Gehaltsforderung von Mitarbeitern, gilt es laut Georg Kraus denn auch zwischen folgenden Unternehmen zu unterscheiden:
  • Unternehmen, die höhere Personalkosten relativ problemlos an ihre Kunden weitergeben können, und
  • solche, die dies nicht oder nur sehr schwertun können – so wie z.B. viele Zulieferer von Großunternehmen oder solche Organisationen wie die JVA, die an das Tarifsystem für den öffentlichen Dienst gebunden sind.

Verständnis für das Anliegen der Mitarbeiter zeigen

Keinesfalls sollten Unternehmer laut Kraus auf einen entsprechenden Vorstoß eines Mitarbeiters jedoch mit einer Aussage reagieren wie „Wie, Sie wollen mich erpressen?“ – gerade in der aktuellen Situation nicht, in der viele Arbeitnehmer extrem verunsichert sind und oft mitbekommen: Mein Arbeitgeber erhöht auch seine Preise, weil seine Kosten gestiegen sind.
Dass Arbeitnehmer in dieser Situation das Gefühl haben „Auch ich muss eine Preisanpassung vornehmen“, dafür sollten Unternehmer zumindest Verständnis zeigen, betont Kraus, ansonsten sei „ein Konflikt, der zu einem Bruch der Beziehung führt“, vorprogrammiert. Inwieweit sie dann auch die gewünschte Gehalts- bzw. Preisanpassung vollziehen, sei eine andere Sache.

Unternehmen sollten Mitarbeitern, die sie nicht verlieren möchten, zudem das Gefühl vermitteln, dass sie sich ernsthaft bemühen, ihren Wunsch nach einer Gehaltserhöhung „soweit möglich“ zu erfüllen, betont Hans-Peter Machwürth. Denn hinter der Forderung nach mehr Gehalt stecke zwar oft auch der Wunsch nach mehr Anerkennung, doch aktuell hätten viele Arbeitnehmer, die nicht zu den Top-Verdienern zählen, entweder bereits finanzielle Probleme oder sie sähen diese auf sich zukommen, wenn die Lebenshaltungskosten weiter steigen.

Einen für beide Seiten tragfähigen Kompromiss finden

Doch wie sollte ein Arbeitgeber nun konkret reagieren, wenn ein wichtiger Mitarbeiter bei ihm bspw. mit der Bitte nach 500 EUR mehr Gehalt im Monat vorstellig wird, die er nicht bezahlen kann oder möchte? Dann sollte er laut Kraus zunächst nicht in Panik verfallen, selbst wenn bereits ein Konkurrenzangebot vorliegt, denn: „Die Tatsache, dass der Arbeitnehmer das Gespräch mit ihm sucht, zeigt, dass er sich noch nicht entschieden hat“ und zumindest zwei Seelen in seiner Brust miteinander kämpfen.

Deshalb sollte er zunächst einmal dem Mitarbeiter das Gefühl vermitteln, ich verstehe ihr Anliegen und nehme es ernst. Zum Beispiel mit Worten wie: „Dass Sie ein höheres Gehalt wünschen, überrascht mich nicht. Schließlich merke auch ich – beruflich und privat – wie stark die Preise seit Monaten steigen.“ Danach sollte er bspw. sagen: „Ich würde Sie extrem ungern als Mitarbeiter verlieren, da wir seit fünf Jahren sehr gut zusammenarbeiten und ich Sie auch als Mensch schätze“. Danach sollte er abwarten, was der Mitarbeiter sagt. Angenommen dieser erwidert: „Auch ich arbeite gerne für Ihr Unternehmen, doch ich muss auch schauen, wie ich meine Familie ernähre und das fällt mir zunehmend schwer.“ Eine solche Aussage signalisiert laut Liebermeister Gesprächsbereitschaft – „und sei es nur, weil auch der Mitarbeiter weiß, dass mit jedem Arbeitgeberwechsel Risiken verbunden sind“. Hinzu kommen nicht selten handfeste Nachteile wie längere Fahrzeiten oder ein nötiger Umzug, der ebenfalls Geld kostet. „Deshalb lässt sich meist ein für beide Seiten noch tragfähiger Kompromiss finden.“

Dieser kann wie folgt aussehen: Das Unternehmen gewährt dem Mitarbeiter, sofern der erforderliche finanzielle Spielraum besteht, statt der 500 EUR Gehaltserhöhung 250 EUR/Monat – unter der Prämisse, dass er gewisse Zusatz­aufgaben übernimmt. Dies als Bedingung zu formulieren, ist oft nötig, um das Gehaltsgefüge nicht zu sprengen oder bei der Entlohnung nicht – offensichtlich – willkürlich zu agieren.

Notfalls, um einen terminlichen Aufschub bitten

Angenommen nun das Unternehmen kann real kein höheres Gehalt bezahlen oder sein Inhaber befürchtet: Dann bekommen wir wegen der höheren Fixkosten massive Probleme. Dann kann er zum Mitarbeiter auch sagen: „Ich würde Ihnen gern mehr Geld bezahlen, das geht aber zurzeit nicht – auch weil noch unsicher ist, welche Unterstützung der Staat Betrieben wie uns gewährt. Können wir uns eventuell in ein, zwei Monaten nochmals zusammensetzen und darüber sprechen, wie es weitergeht?“ Dann besteht zumindest die Chance, dass der Arbeitnehmer, sofern er sich mit dem Unternehmen emotional verbunden fühlt, ihm diese Frist gewährt. Tut er dies nicht, dann hat sein Arbeitgeber die (mögliche) Trennung als normale Folge der Ist-Situation zu akzeptieren. Schließlich trennt auch er sich zuweilen von Mitarbeitern und Lieferanten, wenn aus seiner Warte das Preis-Leistungsverhältnis nicht mehr stimmt.

Autor: Bernhard Kuntz, Inhaber, Die ProfilBerater

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