Strategie & Management

Co-Kreation nutzt das volle Gruppenpotenzial von Mitarbeitern

Systemischer Ansatz zur Innovation von Produkten und Dienstleistungen sowie zur Optimierung von Geschäftsprozessen

14.08.2019 -

Innovationsfähigkeit ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für Unternehmen. Durch die stetig zunehmende Komplexität des unternehmerischen Umfelds ist das Einbeziehen des Wissens und der Einschätzungen unterschiedlicher Gruppen essenziell, um innovative Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln sowie Geschäftsprozesse zu optimieren. Auch bei Veränderungsprozessen ist das Einbeziehen und Beteiligen der Betroffenen von großer Bedeutung. Die junge Firma Pictomind hat einen systemischen Ansatz entwickelt, mit dem sie Unternehmen bei solchen Projekten durch die Nutzung des vollen Potenzials ihrer Mitarbeiter unterstützt. Ralf Kempf sprach mit Markus Armbruster und Reto Aschwanden, den Gründern und Geschäftsführern, über die Grundlagen und Möglichkeiten ihrer Methode.

CHEManager: Herr Armbruster, Herr Aschwanden, viele Unternehmen nutzen das Potenzial ihrer Mitarbeiter sowohl fachbereichsübergreifend als auch innerhalb von Abteilungen und Teams nicht voll aus. Wie können Sie solche Firmen unterstützen? Welches Portfolio bietet Pictomind?
Markus Armbruster: Wir kreieren und facilitieren Workshops und ­Coachings für kleine Gruppen bis hin zu Großveranstaltungen mit hunderten von Teilnehmern. Das wesentliche Merkmal unseres Angebots ist die neuartige Kombination von visuellen Vorgehensweisen mit Elementen aus dem Design Thinking, welche insbesondere auf Kunden im naturwissenschaftlich-technischen Umfeld zugeschnitten sind.
Es gibt drei wesentliche Bereiche, in denen wir tätig sind: Strategieentwicklung, Bewältigung spezifischer Herausforderungen in Projekten sowie die Arbeit mit Großgruppen.
Im ersten Bereich bieten wir Unterstützung bei der Entwicklung von Unternehmens-, Geschäftsbereichs-, Innovations- und Digitalstrategien an.
Im zweiten Bereich ermöglichen wir Teams, Herausforderungen bei Projekten gemeinsam zum Erfolg zu bringen. Beispiele aus der Chemieindustrie sind die angestrebte Verbesserung eines Produktionsprozesses, das Ergründen neuer gemeinsamer Geschäfte mit Kunden oder der Ersatz giftiger Chemikalien als Vorbereitung auf ein mögliches Verbot für deren Verwendung.
Der dritte Bereich ist die Arbeit mit großen Gruppen, beispielsweise zum Erlebbarmachen von Unternehmensstrategien, zur Begleitung von Veränderungsprozessen oder zur Diskussion von Forschungsergebnissen und Trends in einer Innovationskonferenz. Hier arbeiten wir durchaus mit ein paar Hundert Menschen zusammen.

Co-Kreation spielt in den von Ihnen angebotenen Formaten eine zentrale Rolle. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff, und warum ist Co-Kreation Ihrer Erfahrung nach so essenziell?
Reto Aschwanden: Wir stellen immer wieder fest, dass gerade in größeren Konzernen Strategieprozesse oder auch Innovationsprojekte oftmals ‚top down‘ – also von der Unternehmensführung – angeordnet werden und dadurch auf weniger breite Akzeptanz in der Firma stoßen. Mangelnde Akzeptanz kann die Umsetzung solcher Prozesse oder Projekte erschweren.
Mit unserem co-kreativen Ansatz wollen wir genau diesem Phänomen Abhilfe schaffen, indem wir den beteiligten Personen die Möglichkeit geben, sich mit ihrem Fachwissen einzubringen.

M. Armbruster: Unserer Erfahrung nach erzielt eine Strategie dann die größte Wirkung, wenn die Mitarbeiter, die sie umsetzen, auch an deren Entwicklung beteiligt sind. Eine Person, die wertgeschätzt wird und mitentscheidet, übernimmt Verantwortung und ist deutlich motivierter und engagierter.
Co-Kreation ist allerdings ein bislang weitgehend unbekannter oder zumindest wenig genutzter Ansatz.

Wie wichtig ist die Diversität der Teams in solchen Workshops?
R. Aschwanden: Sie ist entscheidend! Jede Person kann schließlich unterschiedliche Kenntnisse und Erfahrungen einbringen. Die Berücksichtigung der Diversität von Mitarbeitern und deren Einbindung in co-kreative Prozesse bedarf allerdings einer speziellen Herangehensweise.
Wir wenden eine Kombination aus Visualisierung und spezifischen Methoden und Formaten der Facilitation an, um die gemeinsame Strategieentwicklung nicht nur effektiv und effizient, sondern auch erlebnisreich und vor allem nachhaltig zu gestalten.

M. Armbruster: Wir sind der Auffassung, dass sich die Lösung eines Problems oder eine neue Idee aus der moderierten Gruppe heraus entwickeln kann, sofern man das System richtig abbildet – sprich: wenn die richtigen Menschen aus einer Firma in dieser Gruppe vertreten sind. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von Pilotgruppen. Selbst wenn diese Pilotgruppe nicht alle Fragen beantworten kann, so sind die Teilnehmer zumindest in der Lage, diese Lücken zu identifizieren und entsprechende Experten einzubinden.

Sie legen sehr viel Wert auf die Nachhaltigkeit Ihrer Angebote. Wie ist das zu verstehen?
M. Armbruster: Bei unserer Arbeit sind uns zwei Aspekte besonders wichtig. Zum einen möchten wir in den Projekten konkrete Resultate erzielen, die für unsere Kunden in Form von Zahlen, Daten, Fakten messbar sind.
Zum anderen möchten wir bei den Teilnehmern in ihrem beruflichen Umfeld einen nachhaltigen Mindset Change bewirken, also eine mittel- und langfristige Verhaltens­änderung. Auf diesen systemischen Ansatz legen wir sehr viel Wert.
Mit unserer Vorgehensweise bieten wir Hilfe zur Selbsthilfe und freuen uns, wenn wir bei einem Folgetermin feststellen, dass eine Gruppe oder ein Team sich weiterentwickelt hat und die Fähigkeiten, die wir ihnen zuvor vermittelt haben, bereits anwendet.

Warum spielt Visualisierung bei den von Ihnen angebotenen Formaten so eine große Rolle?
R. Aschwanden: Wir nutzen Visualisierung in verschiedener Form, um Zusammenhänge transparent zu machen, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen und die Teilnehmenden fokussiert und co-kreativ durch die jeweilige Veranstaltung zu leiten. Aus dem intensiven Einsatz dieses Tools leitet sich auch unser Firmenname Pictomind ab.
In Unternehmen ergeben sich beispielsweise immer wieder Situationen, in denen Personen aus unterschiedlichen Abteilungen oder Geschäftsbereichen in einem Raum sitzen, um eine Aufgabe zu bearbeiten, aber völlig aneinander vorbei diskutieren.
Um diese Verständigungsprobleme zu überwinden, arbeiten wir sehr viel mit Visualisierungen. Damit schaffen wir, wenn man so will, eine gemeinsame Sprache, die förderlich für die Wirksamkeit und Qualität der Ergebnisse und deren Umsetzung ist.

M. Armbruster: Die Visualisierung hat aber noch einen zweiten Aspekt, der enorm wichtig ist.
Häufig entsteht bei Workshop-Teilnehmern der Eindruck, dass sie selbst keine oder kaum Beiträge leisten können, da die Arbeitsmaterialien bis ins kleinste Detail vorbereitet wurden. Wenn die Teilnehmer dann allerdings merken, dass dem nicht so ist und sie sich tatsächlich einbringen können, empfinden sie dies als etwas sehr Positives.
Unserer Erfahrung nach ist es daher enorm hilfreich, die Teilnehmer einen Stift in die Hand nehmen und damit arbeiten zu lassen. Menschen verspüren zunehmend wieder das Bedürfnis, sich einzubringen und mitzugestalten – und zwar auf eine Weise, die auch wahrgenommen wird.

R. Aschwanden: Visualisierung ist aber nicht nur ein integraler Bestandteil aller unserer Angebote. Wir selbst nutzen Visualisierungen auch, um Kunden und Workshop-Teilnehmern unsere Konzepte zu erklären. Diesen Ansatz nennen wir Visual Consulting.

Wie kann ich mir solch eine Visualisierung vorstellen?
M. Armbruster: Ich kann Ihnen das anhand eines ganz aktuellen Beispiels verdeutlichen. Im Juli trafen sich Vertreter von 20 internationalen Chemieunternehmen, darunter sowohl Fachexperten als auch verantwortliche Technologievorstände, auf gemeinsame Einladung der BASF und des World Economic Forums (WEF) zu einem Klimaschutz-Workshop bei BASF in Ludwigshafen. Mit dem erklärten Ziel, gemeinsam beim Klimaschutz schneller voranzukommen, diskutierten die Teilnehmer nicht nur innovative Technologien zur CO2-Reduktion, sondern auch neue Ansätze in der Zusammenarbeit.
Pictomind hat in diesem Workshop die Teilnehmenden anhand einer Technology Landscape durch die Arbeitsblöcke geführt. Zunächst wurde eine Landkarte der Technologien rund um das Thema CO2-Entstehung in der chemischen Industrie erarbeitet, um einen Konsens in der Gruppe hinsichtlich der Technologien und deren Abhängigkeiten zu erzielen. In einem weiteren Schritt wurde diese Landkarte in Technologiecluster aufgeteilt, an denen dann verschiedene Teams gearbeitet haben. Abschließend wurden diese Teile wieder – nun ergänzt um tiefergehende Erkenntnisse – zusammengesetzt.
Eine weitere Möglichkeit, die wir vor allem bei Großgruppen einsetzen, ist die strukturierte Zusammensetzung von in Kleingruppen erarbeiteten ‚Mikrostrategien‘ zu einer Gesamtstrategie. Diese Methode haben wir kürzlich bei einer Verkaufskonferenz mit rund 100 Teilnehmern und dem gemeinsamen Ziel, den Verkauf innovativer zu gestalten, eingesetzt.

Pictomind ist ein junges Unternehmen, das Sie erst im August 2018 in der Schweiz und im März 2019 in Deutschland gegründet haben. Welche Expertise haben Sie im Hinblick auf die von Ihnen angebotenen Formate und Methoden?
M. Armbruster: Wir haben beide langjährige Erfahrung in der Planung, Durchführung und Auswertung von Workshops und Aktivitäten in unterschiedlichen Branchen – vom hochinnovativen Start-up bis zur Großindustrie.
Ich selbst bin Chemiker und Wirtschaftswissenschaftler mit über 10-jähriger Erfahrung in der Chemischen Industrie.
Während meiner bisherigen Berufstätigkeit war ich bereits führend bei der Strukturierung von Unternehmensstrategien und Unternehmenskommunikationen im In- und Ausland aktiv.
Bis Juni dieses Jahrs war ich innerhalb des BASF Management Consulting als Leiter der globalen Innovation Academy des Unternehmens tätig. In dieser Rolle habe ich weltweit Veranstaltungen – von kleinen Workshops bis hin zu innovativen Großevents – individuell entwickelt und durchgeführt. Hauptauftraggeber waren oberste Führungsebenen des Konzerns bis hin zum Vorstand und dem Vorstandsvorsitzenden.
Zuvor hatte ich über einige Jahre einen neuen Geschäftsbereich der BASF im Bereich Batteriematerialien aus den USA heraus als Strategieberater mit aufgebaut. Basierend auf meinen Erfahrungen in diesem Bereich habe ich 2016 schließlich die BASF Innovation Academy gegründet.

Wie sieht Ihr beruflicher Hintergrund aus, Herr Aschwanden? Sind Sie ebenfalls Chemiker?
R. Aschwanden: Nein, ich habe nicht Chemie studiert und auch nicht in der Industrie gearbeitet, sondern bin Jurist und Inhaber zweier Kanzleien in der Schweiz und Deutschland. Neben meiner Beratungs- und Prozess­tätigkeit führe ich als Rechtsanwalt und Mediator seit 10 Jahren Mediationen mit Großgruppen durch und habe hierbei Erfahrungen gesammelt, wie man in diesen Gruppen einen Konsens herstellen kann.
Dabei setze ich ebenfalls visuelle Bild- und mediative Moderationstechniken ein, mit deren Hilfe ich die Positionen und Interessen meiner Kunden in einer für alle verständlichen Bildsprache darstelle und sie auf diese Weise bei der Findung kreativer, innovativer und allparteilichen Lösungen ihrer Konflikte unterstütze.

Was war die Initialzündung für die Gründung von Pictomind?
M. Armbruster: Wir konnten in unseren bisherigen Tätigkeiten fast täglich die faszinierende Erfahrung machen, welches Potenzial Teams im Forschungs- und Entwicklungsumfeld in den unterschiedlichsten Bereichen entwickeln können.
Im vergangenen Jahr, also noch während meiner Zeit bei der BASF, gab es verstärkt externe Anfragen, das Angebot der Innovation Academy auch in anderen Industriebereichen als der Chemie anzubieten.
Aufgrund dieser Nachfrage und natürlich aus unserer Begeisterung für dieses Thema heraus entwickelte sich schließlich die Idee zur Gründung einer eigenen Firma.
Mit Pictomind wollen wir unser Know-how nun auch für andere Industrien zugänglich machen.

R. Aschwanden: Wir von Pictomind leben, was wir predigen. Es passiert wohl eher selten, dass sich ein Chemiker und ein Jurist zusammentun – unsere beiden Berufsgruppen sprechen ja schon eine sehr unterschiedliche Fachsprache.
Wir haben uns aber bereits während unserer Studienzeit in Zürich kennengelernt und schon damals für interdisziplinäre Gespräche und die Zusammenarbeit mit Gruppen begeistert.
In den vergangenen Jahren haben wir Teams immer wieder vermittelt, grenzüberschreitend zu arbeiten und sich auch als Entrepreneur zu begreifen, um innovativ zu sein und sich weiter zu entwickeln.
Für uns war es nun der logische Schritt, genau dies zu tun und unsere eigene Firma zu gründen.

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