Anlagenbau & Prozesstechnik

CO2-Schneestrahlreinigung in der Medizintechnik

21.03.2016 -

Die Auswahl der optimalen Reinigungstechnik leistet bei der Herstellung medizintechnischer Produkte einen wichtigen Beitrag zu deren Qualität und Wirtschaftlichkeit. Mit einer Schneestrahlreinigung lässt sich auch bei Produkten mit sehr komplexen Geometrien eine hohe Sauberkeit erzielen. Dies hat eine beim Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Institut (NMI) an der Universität Tübingen durchgeführte Untersuchung zum Einsatz innovativer Reinigungsverfahren belegt.

Rückstände aus der Herstellung stellen beim Einsatz zahlreicher medizintechnischer Produkte, bspw. Instrumente, Implantate, OP-Bestecke für minimalinvasive und klassische chirurgische Eingriffe ein Risiko dar. Fertigungsbedingte Verunreinigungen wie Bearbeitungsmedien, Trennmittel, Partikel und Grate sind daher zuverlässig zu entfernen. Bei der Endreinigung der Produkte ist eine hohe partikuläre und filmische Sauberkeit sowie biologische Verträglichkeit zu erzielen. Gleichzeitig darf der Reinigungsprozess weder die Oberflächen noch die Produkteigenschaften beeinträchtigen. Insbesondere bei Teilen mit komplexen Geometrien und schwierigen Konturen wie bspw. Sacklochbohrungen und Hinterschneidungen stößt die klassische nasschemische Endreinigung mit wässrigen Medien häufig an Grenzen. Dies liegt meist an einer nicht ausreichenden Bespülung der Werkstoffoberflächen in diesen Bereichen. Dies kann sowohl zu einer ungenügenden Reinigung der Oberflächen als auch zu einem erschwerten Abtransport der abgereinigten Kontaminationen führen. Ein weiterer Aspekt ist, dass nach der Reinigung noch weitere Prozessschritte wie bspw. eine Beschichtung erfolgen. Daraus resultiert ein Bedarf an innovativen Reinigungsverfahren, wie die Schneestrahlreinigung, die eine Verbesserung der Reinigungsqualität ermöglichen.

Untersuchung zur Validierung des Reinigungsverfahrens
Das Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut (NMI) an der Universität Tübingen führte im Rahmen eines Verbundprojektes Untersuchungen zur Anwendbarkeit, Leistung und Tauglichkeit innovativer Reinigungsverfahren wie der Plasma-­ und der CO2-Schneestrahlreinigung durch. Darüber hinaus wurde vor dem Hintergrund einer möglichen Integration dieser Reinigungstechnologien in einen bestehenden Reinigungsprozess ein validierbares nass­chemisches Verfahren für die Medizintechnik vorgestellt. Die Projektteilnehmer kamen aus den Bereichen Medizinprodukte und Reinigungsverfahren, unter anderem die Firma acp advanced clean production.
Die Ermittlung der Reinigungseffizienz erfolgte durch den Vergleich des Reinheitszustandes definiert kontaminierter Proben vor und nach der Reinigung. Dafür wurden verschiedene Baugruppen mit schwierig zu reinigenden Geometrien (Sacklochbohrung, Hinterschneidungen, Kanülenbohrung mit großem Längen-/Durchmesserverhältnis, Sacklochbohrung mit Hinterschneidung und Sacklochbohrung mit Hinterschneidung und Gewinde) aus den Werkstoffen Edelstahl und Titan mit unterschiedlichen Oberflächenoberflächenstrukturen sowie PEEK untersucht. Nach der Herstellung der Proben fand zunächst eine werkstoffkundliche Charakterisierung, eine Grundreinigung sowie eine weitere werkstoffkundliche Charakterisierung statt. Dafür kamen die Röntgen-Photoelektronenspektroskpie (XPS), Lichtmikroskopie (LM) und Rasterelektronenmikroskopie (REM) zum Einsatz. Danach wurden die Proben definiert partikulär und filmisch kontaminiert, nasschemisch gereinigt und werkstoffkundlich charakterisiert. Anschließend erfolgte die Reinigung mit Plasma bzw. der CO2-Schneestrahltechnologie. Zusätzlich wurden die Proben nur mit Plasma und Kohlendioxid gereinigt. Die abschließende Prüfung hinsichtlich Sauberkeit, Partikelarmut, Zytotoxizität mittels BCA-Test und Funktionalität (Oberflächenstrukturen) ergab, dass durch die Kombination nasschemische und anschließende CO2-Schneestrahlreinigung mit dem QuattroClean-System bei allen metallischen Proben die besten Sauberkeitswerte erzielt werden.
Das Verfahren ist daher geeignet, schwierige Konturen oder bestimmte Funktionsbereiche in einem der nasschemischen Reinigung nachgeschalteten Prozess im One-Piece-Flow gezielt zu reinigen. Dies ermöglicht, die Ausbringung der Reinigungsanlage zu erhöhen und damit auch deren Wirtschaftlichkeit.

Trocken, rückstandsfrei und schonend reinigen
Medium der Schneestrahltechnologie ist flüssiges Kohlendioxid. Es entsteht als Nebenprodukt bei bspw. chemischen Prozessen sowie der Biogasherstellung und wird für die Reinigung aufbereitet aus Flaschen oder Tanks zugeführt. Die gute Reinigungsleistung des Verfahrens resultiert aus der speziellen Wirkungsweise des patentierten QuattroClean-Reinigungssystems. Eines seiner Kernelemente ist eine Überschall-Zweistoffringdüse. Das flüssige Kohlendioxid wird durch die Düse geleitet und entspannt beim Austritt zu einem Schnee/Gas-Gemisch. Diesem Kernstrahl wird Druckluft als Mantelstrahl zugeführt, der die ungiftigen und nicht brennbaren CO2-Schneekristalle auf Überschallgeschwindigkeit beschleunigt. Die geringe Härte des feinen Kohlendioxid-Schnees sorgt außerdem dafür, dass em­pfindlichste Bauteile und filigrane Strukturen substratschonend gereinigt werden. Beim Auftreffen des gut fokussierbaren Schneestrahls auf die zu reinigende Oberfläche kommt es zu vier Effekten.
 

  • Thermischer Effekt

Das rund –78,5 °C kalte Strahlmittel kühlt die oberste Schicht der Oberfläche schockartig ab, wodurch sich die Verschmutzung löst. Unterschiedliche Wärmeausdehnungsko­effizienten von Werkstoff und Verunreinigung begünstigen diesen Wirkmechanismus. Durch die tiefe Prozesstemperatur wirkt die CO2-Schneestrahlreinigung außerdem bakteriostatisch und unterstützt die Keimreduzierung auf Oberflächen.

  • Mechanischer Effekt

Der mechanische Effekt bewirkt eine Ablösung der Schmutzpartikel vom Substrat. Durch die kinetische Energie des Kohlendioxid und des Druckluftstrahls werden die abgelösten Schmutzpar­tikel weggeströmt.

  • Lösemitteleffekt

Beim Übergang von der festen in die gasförmige Phase wirkt das Kohlendioxid als Lösemittel und entfernt organische Verunreinigungen.

  • Sublimationseffekt

Er unterstützt die vorgenannten Effekte durch eine Druckwelle infolge der Volumenvergrößerung beim Übergang vom festen in den gasförmigen Zustand.
Da das Kohendioxid unter Umgebungsdruck vollständig sublimiert, bleiben keine Reinigungsmittelrückstände oder Sekundärabfälle zurück und das Reinigungsgut ist sofort trocken.

Flexibles Verfahren mit breitem Einsatzspektrum
Da sich mit der QuattroClean-Schneestrahlreinigung sowohl partikuläre als auch filmische Verunreinigung (auch Silikone) von nahezu allen Materialien prozesssicher und reproduzierbar entfernen lassen, bietet es ein breites Einsatzspektrum in der Medizintechnik. Und das nicht nur, wenn es um die Reinigung von Instrumenten und Implantaten geht, sondern auch bei mechatronischen Komponenten. So ermöglicht das Verfahren bspw. die selektive Reinigung von Kontakt- und Bondflächen, Klebestellen oder Schweißbereichen vor und nach dem Schweißen. Da die Reinigung trocken erfolgt, kann sie auch für stromführende Komponenten und Baugruppen sowie Kunststoffteile eingesetzt werden. Die Prozessparameter wie Strahl­intensität und Dauer lassen sich exakt auf die jeweilige Applikation, die Materialeigenschaften und die abzureinigende Kontamination abstimmen und als Rezept in den Anlagensteuerung hinterlegen.
Gleichzeitig sorgt die einfache­ Automatisierbarkeit für eine pro­blemlose Integration in Fertigungs­linien. Dies wird durch den geringen Platzbedarf unterstützt – eine QuattroClean-Schneestrahl­einheit lässt sich inklusive einer Absaugung für den entfernten Schmutz auf einer Fläche ab zirka 20 x 20 cm unterbringen. Systeme in Reinraumausführung können entsprechend der Aufgabenstellung mit einem lokalen Reinraumsystem (MENV) und einer speziell angepassten Absaugung realisiert ­werden.

Kontakt

acp systems AG

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