Märkte & Unternehmen

Die Krise verantwortungsvoll gestalten

Wie können mittelständische Chemieunternehmen international wettbewerbsfähig bleiben?

22.03.2023 - Der Darmstädter Plexiglas-Hersteller Röhm ist Materialzulieferer von zahlreichen Kunden rund um den Globus. Die unter hohem Energieeinsatz hergestellten Produkte werden in der Bau-, Automobil- oder Elektronikindustrie eingesetzt. Hans-Peter Hauck, COO von Röhm, erläutert die derzeitigen Herausforderungen für das Unternehmen.

Als eines der führenden Unternehmen der Methacrylatchemie mit bedeutenden Produktionsstandorten in Deutschland haben uns die hohen Energiepreise massiv unter Druck gesetzt: Viele unserer Anlagen laufen im kontinuierlichen Betrieb und sind auf eine stabile Energieversorgung angewiesen. Erdgas ist für uns wichtig, wird jedoch vorrangig als Rohstoff für die Herstellung unserer Produkte und nur untergeordnet für die Energieversorgung eingesetzt. Auch wenn wir bereits hocheffizient produzieren, sind unsere Produktionskosten derzeit stark belastet und erholen sich nur langsam.

Wie können wir als mittelständisches Chemieunternehmen in Deutschland international wettbewerbsfähig bleiben? Kurzfristig ging es erst einmal darum, angemessen auf die Auswirkungen der Energiekrise zu reagieren. An unseren Standorten arbeiten wir seit Beginn der Krise noch intensiver an der Erhöhung der Energieeffizienz und nutzen weitere Synergien, wo immer diese in unserem Produktionsverbund möglich sind. Wir sichern unsere Energie- und Rohstoffversorgung durch den zunehmenden Einsatz alternativer Energiequellen, die den Einsatz von Erdgas substituieren. Wir nehmen hier auch unsere gesellschaftliche Verpflichtung wahr, denn die freiwerdenden Erdgasmengen können damit anderweitig zur Erhöhung der allgemeinen Versorgungssicherheit beitragen.

Wir als Röhm nehmen unsere Verantwortung in der europäischen Wertschöpfungskette ernst und sehen unsere Produktion an den lokalen Standorten als einen Teil der europäischen Chemieindustrie. Mit unseren Kunden und Lieferanten trauen wir uns zukunftsfähige Reformen zu. Denn wie wichtig die räumliche Nähe zu unseren Kunden ist, haben uns die letzten Jahre gelehrt, in denen globale Lieferketten monatelang gestört waren – etwa durch Ereignisse wie Covid-19, der Blockade des Suezkanals, oder der mangelnden Verfügbarkeit von Schiffstransporten aus den USA und Asien. Wir sind fest entschlossen, im europäischen Markt mit seinen hoch integrierten Lieferketten weiterhin ein Schlüsselspieler zu bleiben und unsere Kunden auch in Zukunft sicher, schnell und zuverlässig mit unseren Produkten „Made in Europe“ zu beliefern.

 

 

„Eine nachhaltige Hilfe für energieintensive Industrieunternehmen ist strategisch wichtig für die Zukunft.“

 



Staatliche Unterstützung durch die Stabilisierung der notleidenden Lieferverträge bis hin zur Verstaatlichung großer Importeure war zu Beginn der akuten Krise wertvoll. Eine nachhaltige Hilfe für energie­intensive Industrieunternehmen, die ihre Kostenposition international sichern würde, ist strategisch wichtig für die Zukunft. Auf Sicht gewinnen wir mit den Flüssiggasterminals für die chemische Industrie wie auch Röhm eine gewisse Versorgungs- und auch wieder Preissicherheit. Wir gehen davon aus, dass sich die Erdgaspreise weltweit mittelfristig normalisieren werden, allerdings auf einem in Europa höheren Niveau als vor der Krise.

Nachhaltige Transformation

Für uns jedoch ist klar: Um langfristig auf dem europäischen und dem internationalen Markt bestehen zu können, müssen wir auf Rohstoffe und Energien umstellen, die aus nicht-fossilen Quellen stammen und in ausreichender Menge und zu bezahlbaren Preisen am Weltmarkt verfügbar sind.
Für uns bedeutet dies: Neben dem Krisenmanagement, das derzeit unser Tagesgeschäft überschattet, müssen wir die Weichen stellen für die Zukunft. Nachhaltigkeit und die Umstellung auf nicht-fossile Rohstoffe ist auch eine Chance für uns, neue Produkte und Geschäftsmodelle zu entwickeln und uns damit zu differenzieren. Röhm hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) um rund 30 % deutlich zu reduzieren. Bis 2050 will Röhm gar keine Treibhausgasemissionen mehr verursachen und damit klimaneutral produzieren. Beim Erreichen unserer Ziele spielen erneuerbare Energien, der Einsatz von alternativen Rohstoffen in der Produktion sowie Technologien zur Reduktion von CO2 eine entscheidende Rolle. Gleichzeitig werden wir das Thema Kreislaufwirtschaft entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit eigenen nachhaltigen Produkten vorantreiben. Bereits jetzt bieten wir unseren Kunden einige Produkte, die auf den Einsatz recycelter Rohstoffe setzt.

Damit die nachhaltige Transformation gelingt, müssen wir langfristige Allianzen mit anderen Partnern bilden – etwa beim Thema Beschaffungsquellen. Bereits heute arbeiten wir mit Partnern zusammen, um z. B.  an unseren Anlagen und Standorten Fotovoltaikanlagen zu errichten. So können wir einen Anteil unseres Strombedarfs selbst decken. Die weitere Integration erneuerbarer Energien in die Energieversorgung wird dazu beitragen, die Klimaziele von Röhm zu erreichen. Erst kürzlich haben wir einen Technologiepartner mit der Durchführung einer Machbarkeitsstudie beauftragt, um die Herstellung von Methylmethacrylat und Plexiglas durch Abtrennung und Speicherung von CO2, dem sog. Carbon Capture and Storage, zu dekarbonisieren. Unser Ziel ist es, auf diesem Weg unsere Bilanz jährlich um rund 500.000 t CO2-Emissionen zu reduzieren.

Klar ist, dass wir noch ein Stück des Weges vor uns haben. Aber wir handeln entschlossen und in der Überzeugung, dass die Transformation möglich ist, wenn auch von staatlicher Seite die Rahmenbedingungen geschaffen und eine entsprechende Infrastruktur errichtet wird: Genehmigungsverfahren müssen verkürzt und Innovationen und Allianzen unbürokratisch gefördert werden.

Vor allem aber ist es die Aufgabe der Bundesregierung, mit aller Konsequenz in den Ausbau des Stromnetzes für die effektive Nutzung erneuerbarer Energien zu investieren.

 

 

„Wir müssen die Herausforderung annehmen, Wachstum und Nachhaltigkeit,
so zu managen, dass es zwei Seiten einer Medaille sind.“



Als Unternehmen verfolgen wir eine weiterhin auf Wachstum ausgelegte Unternehmensstrategie. Wir müssen die Herausforderung annehmen, zwei auf den ersten Blick widersprüchliche Themen, nämlich Wachstum und Nachhaltigkeit, so zu managen, dass es zwei Seiten einer Medaille sind. Denn die Veränderungen erfordern Investitionen und die Integration neuer Prozesse und Verfahren in bestehende Anlagen. Alle unsere Produkte – ob konventionell oder nachhaltig produziert – müssen in Qualität, Verfügbarkeit und Eigenschaften unsere Kunden überzeugen.

Mit unseren Produkten stehen wir im internationalen Wettbewerb. Daher gilt es jetzt, die aktuelle Krise verantwortungsvoll zu gestalten: wir als Unternehmen mit unseren Kunden und Lieferanten, aber auch flankierend durch die Politik, für unsere Mitarbeitenden.


Autor: Hans-Peter Hauck, COO, Röhm, Darmstadt

ZUR PERSON
Hans-Peter Hauck ist seit 2019 als Chief Operating Officer (COO) bei Röhm für die vier operativen Geschäftsbereiche, den Bereich Einkauf und das Supply Chain Management verantwortlich. Nach dem Studium der Chemie und anschließender Promotion in Marburg trat Hauck in bei Hüls ein. 2001 übernahm er bei Degussa die Gesamtverantwortung für den Vertrieb von Hochleistungskunststoffen in Asien. Während seiner weiteren beruflichen Laufbahn bei Degussa bzw. ab 2007 Evonik leitete Hauck verschiedene Produktlinien und übernahm 2016 die Leitung des Geschäftsgebiets Methacrylates.

BEWEGTE GESCHICHTE
1907 gründeten Otto Röhm und Otto Haas die Firma Röhm & Haas in Esslingen, die enzymatische Mittel für die Lederbeize entwickelte. 1909 verlegte das Unternehmen seinen Firmensitz und Produktionsstandort nach Darmstadt. Ab 1911 beschäftigten sich die Chemiker von Röhm & Haas mit der Erforschung von Acrylverbindungen. 1928 gelang die Entwicklung eines Verbundsicherheitsglases mit innenliegender Polyacrylschicht, das für Schutzbrillen und splittersichere Frontscheiben in der Automobilindus­trie eingesetzt wurde. Bis 1933 wurde dann das außergewöhnliche Acrylglas (chem. Polymethylmethacrylat, kurz PMMA) entwickelt, das seitdem unter dem Markennamen Plexiglas bekannt ist: Nach dem Ausscheiden der Familie Haas wurde die Firma 1971 zu Röhm und 1989 zu einer 100%igen Tochtergesellschaft von Hüls. Nach der Fusion von Degussa und Hüls im Jahr 1999 blieb das Unternehmen 20 Jahre lang im Konzernverbund der heutigen Evonik, bis der Essener Chemiekonzern das Methacrylatgeschäft an den Finanzinvestor Advent International veräußerte. Seitdem firmiert das eigenständige Unternehmen wieder unter dem traditionsreichen Namen Röhm.1907 gründeten Otto Röhm und Otto Haas die Firma Röhm & Haas in Esslingen, die enzymatische Mittel für die Lederbeize entwickelte. 1909 verlegte das Unternehmen seinn Firmensitz und Produktionsstandort nach Darmstadt. Ab 1911 beschäftigten sich die Chemiker von Röhm & Haas mit der Erforschung von Acrylverbindungen. 1928 gelang die Entwicklung eines Verbundsicherheitsglases mit innenliegender Polyacrylschicht, das für Schutzbrillen und splittersichere Frontscheiben in der Automobilindustrie eingesetzt wurde. Bis 1933 wurde dann das außergewöhnliche Acrylglas (chem. Polymethylmethacrylat, kurz PMMA) entwickelt, das seitdem unter dem Markennamen Plexiglas bekannt ist: Nach dem Ausscheiden der Familie Haas wurde die Firma 1971 zu Röhm und 1989 zu einer 100%igen Tochtergesellschaft von Hüls. Nach der Fusion von Degussa und Hüls im Jahr 1999 blieb das Unternehmen 20 Jahre lang im Konzernverbund der heutigen Evonik, bis der Essener Chemiekonzern das Methacrylatgeschäft an den Finanzinvestor Advent International veräußerte. Seitdem firmiert das eigenständige Unternehmen wieder unter dem traditionsreichen Namen Röhm. | © Röhm GmbH

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