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Heute in die Zukunft investieren

14.09.2022 - Zukunftsinvestitionen sind zwingend notwendig, um den wirtschaftlichen Beschränkungen der Krisenjahre etwas entgegenzusetzen.

Zukunftsinvestitionen sind zwingend notwendig, um den wirtschaftlichen Beschränkungen der Krisenjahre etwas entgegenzusetzen. Dieses Fazit zog Thomas Wessel, Vorsitzender des Ausschusses Forschung, Wissenschaft und Bildung im Verband der Chemischen Industrie (VCI), auf der Forschungspressekonferenz Mitte August in Frankfurt. Doch die Realität sieht anders aus (siehe nebenstehende Meldung). Thomas Wessel erläutert die Details.

CHEManager: Herr Wessel, kann Forschung in der Krise Pause machen?

Thomas Wessel: Nein, in Krisenzeiten kommt der Forschung eine besondere Bedeutung zu. Sie soll dazu beitragen, einen Weg aus der Krise zu finden. Zurzeit stehen wir vor einer Situation, die noch nie so stürmisch und riskant war – und in ihrer Gleichzeitigkeit noch nie so viel von unserer Innovationsfähigkeit einforderte. 

Also müsste jetzt erst recht in F&E investiert werden.

T. Wessel: Ja! Innovationen fallen nicht vom Himmel. Ihre Grundlagen müssen durch harte, oft langwierige und kostspielige Forschungs- und Entwicklungsarbeiten erst geschaffen werden. Aber die Bedingungen für Forschung und Entwicklung in Deutschland und Europa lassen erheblich zu wünschen übrig. Die Kostenbelastung der Unternehmen steigt massiv und die Ertragslage wird sich aufgrund der hohen Rohstoff- und Energiepreise verschlechtern. Dies dürfte dazu führen, dass die Unternehmen Forschungsvorhaben verschieben oder sogar ganz streichen. Die Unsicherheiten für Forschungsprogramme und Investitionen verstärken sich also. Das wirkt sich in der Folge negativ auf die F&E-Budgets am Standort Deutschland aus.

Ist die Kostenbelastung das einzige Problem?

T. Wessel: In der aktuellen Lage ist das Umfeld für Innovationen umso wichtiger. Leider sieht es hierbei nicht allzu rosig aus. Erstens steigt auch bei Innovationen der globale Wettbewerbsdruck – zum Beispiel hat für China die starke Unterstützung von F&E und Innovationen eine strategische Bedeutung und wird staatlicherseits massiv gefördert. Außerdem ist China um ein Vielfaches schneller, wenn es um die Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen geht. Hinzu kommen zweitens unsere hausgemachten Probleme, die den Innovationsprozess in Deutschland dauerhaft ausbremsen, etwa die politischen Rahmenbedingungen für Forschung, der Fachkräftemangel und die Regulierung.

Können Sie ein Beispiel nennen?

T. Wessel: Bei der Finanzierung von Forschungsvorhaben mit Industriebeteiligung durch den Staat liegt Deutschland verglichen mit dem Ausland auf einem der hinteren Plätze. Lag der Anteil der vom Staat finanzierten internen F&E-Aufwendungen in Projekte der Wirtschaft oder mit Wirtschaftsbeteiligung 1995 noch bei 10,2 %, waren es 2019 nur noch 3,2 %. Obwohl die Haushalte der Bundesressorts für Forschung in den letzten Jahren insgesamt gestiegen sind, zieht sich der Staat aus F&E-Projekten mit Beteiligung der Industrie immer mehr zurück. Das ist besorgniserregend. 

Also finanziert die Wirtschaft den Löwenanteil der Forschungsaufwendungen in Deutschland?

T. Wessel: Über zwei Drittel der Forschungskosten werden von den Unternehmen getragen – weniger als ein Drittel vom Staat. Der Staat muss sich mehr engagieren, wollen wir das von allen getragene Ziel der Bundesregierung erreichen, künftig 3,5 % des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung auszugeben. Auch bei der Finanzierung von Start-ups mit Wagnis- und Wachstumskapitalinvestitionen hapert es immer noch. Doch unser heimischer Innovationsstandort braucht junge Gründer – auch in der Chemie. 

Sie haben auch die Regulierung erwähnt, was zum Beispiel?

T. Wessel: Die Dauer der Genehmigungsverfahren in Deutschland ist ein besonders eklatantes Hemmnis für Innovationsvorhaben. Die hohen Anforderungen der Genehmigungsprozesse insgesamt, die Komplexität der Gesetze sowie eine unnötig breite Beteiligung der Öffentlichkeit haben neue Zukunftsprojekte in den letzten Jahren zunehmend erschwert und verzögert. Jede dritte Firma aus unserer Branche sieht in den Genehmigungsverfahren für ihre Forschungsprojekte einen Bremsklotz. Doch exzellente Bedingungen für Zukunftsinvestitionen sind noch nie so wichtig wie heute gewesen. Wir müssen in die Zukunft investieren!

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