Logistik & Supply Chain

Mehrweg-Lösungen für Pharmatransportverpackungen?

Interview mit Helmut Müller-Neumayr, Loxxess Pharma

08.10.2019 -

Die zunehmende Notwendigkeit, Prozesse auf ihre Nachhaltigkeit zu überdenken, führt auch beim Transport von Pharmazeutika zu entsprechenden Überlegungen. So wären bspw. Mehrweg-Transportboxen oder optimierte Kartons für ein volumenreduziertes Verpacken Möglichkeiten, um auch die Pharmalogistik umweltverträglicher zu gestalten. Im Falle des Medikamententransports hängt die Messlatte etwas höher. Sonja Andres sprach für CHEManager mit Helmut Müller-Neumayr, Geschäftsführer von Loxxess Pharma über die Möglichkeiten, Chancen und Hindernisse, die eine Organisation von Pharmatransporten in Mehrweg-Verpackungen mit sich bringt.

CHEManager: Herr Müller-Neumayr, Mehrweg-Transportlösungen in der Pharmalogistik, geht das generell?
Helmut Müller-Neumayr: Grundsätzlich geht das! Es gilt jedoch, einige Besonderheiten zu beachten. Die Transportbox kann während des Transports verschmutzt oder kontaminiert werden. Dies ist insbesondere bei Pharmazeutika problematisch. Hieraus ergibt sich sofort die Frage nach Reinigungszyklen.

Ein weiterer Punkt betrifft die Etikettierung der Box: An welcher Stelle sollte dies geschehen und wie lässt sich ein altes Etikett wieder entfernen. Drittens muss die Mehrwegbox auf unterschiedlichster Fördertechnik problemlos transportiert werden können. Damit ein solches Mehrwegsystem überhaupt sinnvoll im Einsatz wird, muss eine möglichst umfassende Marktdurchdringung gewährleistet werden.

Wie lässt sich dies mit GDP-Regularien vereinbaren?
H. Müller-Neumayr: GDP stellt im Wesentlichen die Temperaturführung während des Transportes in den Mittelpunkt. Es sollte bei aktiver Kühlung hierbei auch im Mehrwegbetrieb kein Unterschied zur herkömmlichen Kartonverpackungen bestehen.

Worin bestehen die Vorteile gegenüber der Einweglösung und ist Mehrweg hier wirklich nachhaltiger?
H. Müller-Neumayr: In der Tat steht zunächst vor allem die Vermeidung von Kartonagen im Vordergrund und damit die Schonung der Ressource Wald. Auf der anderen Seite sind sortenreine Kartonagenabfälle ein durchaus gesuchtes Recycling Produkt und können mehrfach genutzt werden. Inwieweit die Herstellung der Kunststoff-Mehrwegbehälter und in der Folge deren zyklische Nutzung einen geringeren ökologischen Fußabdruck darstellen, kann ich nicht beurteilen. Die Verwendung von stabileren Behältern sollte insgesamt zu weniger Bruch bei der Ware führen. Zudem lassen sich Standardisierungen einfacher durchsetzen. Nachteilig auswirken auf die Ökobilanz kann sich ein größerer Transportaufwand für die Rückführung der leeren Boxen.

Wie lassen sich die jeweiligen Temperaturbereiche der Pharmaka einhalten?
H. Müller-Neumayr: Den GDP-Regelungen zufolge müssen zwischenzeitlich fast alle Arzneimittel in definierten Temperaturbereichen transportiert werden. Bei aktiver Transportführung, zum Beispiel über Trans-o-flex, sollten auch im Mehrwegsystem keine Unterschiede zu Kartonagen auftreten.

Was zeigen die ersten Gespräche, die Loxxess mit Beteiligten an der Pharma Supply Chain in Bezug auf die Idee von Mehrweg-Transportboxen geführt hat? Gibt es bereits ein Pilotprojekt?
H. Müller-Neumayr: Derzeit gibt es von unserer Seite noch kein Pilotprojekt. Es fanden bereits und finden weitere Gespräche mit den Verladern – den Pharmaunternehmen – und Pharmadienstleistern wie uns sowie dem Hersteller der Transportboxen statt. Die Festlegung konkreter Anforderungen steckt noch in der Anfangsphase. Standardmaße für Boxen müssen definiert werden auch in Abhängigkeit von Palettengrößen. Dabei stellt sich die Frage, ob die bisherigen Kartonstandardmaße einfach übernommen werden können.

Es müssen Wege für die Behälterrückgabe, zum Beispiel in Form eines Pfandsystems, gefunden werden. Wichtig für ein Funktionieren des Systems ist, wie bereits erwähnt, eine hohe Marktdurchdringung und Akzeptanz. Hierzu sollten die Partner auf Kundenseite – Pharmazeutischer Großhandel, Krankenhaus, Apotheke – eingebunden werden, damit diese ihre Möglichkeiten und Anforderungen mit einbringen können.

Welche Vorteile erwachsen den Pharmaunternehmen und den anderen Partnern, die an der Pharma Supply Chain beteiligt sind – einschließlich Apotheken, aus einer Mehrweg-Verpackung?
H. Müller-Neumayr: Mit den entsprechenden Mehrweg-Behältern lassen sich Kartonagenabfälle vermeiden. Aber sicher werden die Beteiligten hier für ihre eigene Supply Chain eine Kosten-/Nutzen-Rechnung aufstellen. Eine höhere Transportsicherheit ist mit den stabilen Containern gegeben, was zwangsläufig auch eine geringere Bruchquote bedeutet. Es würde ein einheitliches, für alle einsetzbares System geschaffen. Ein weiterer Vorteil besteht auf einer Standardisierung von Lagerfächern auf die gegebenen Boxenmaße. Auch das einfache Öffnen und Verschließen der Transportboxen würde viele Vorgänge innerhalb der Lieferkette beschleunigen. Bei kritischen Produkten ließen sich gegebenenfalls auch Plomben anbringen.

Könnte Blockchain-Technologie bei der Organisation hilfreich sein?
H. Müller-Neumayr: Dieses Thema ist bislang noch nicht angeschnitten worden. Der Einsatz wäre jedoch denkbar. Die Blockchain-Technik hätte am Ende den Vorteil, dass jedem Beteiligten an dieser Lieferkette alle Informationen zur gleichen Zeit zur Verfügung stünden und alle stets auf dem gleichen Stand wären. Konkrete Planungen, Blockchain einzusetzen, liegen derzeit aber nicht vor.

Wie beurteilen Sie den Zeithori­zont für eine Einführung von Mehrweg-Transportlösungen in der Pharmalogistik?
H. Müller-Neumayr: Ich schätze, dass noch etwa ein bis zwei Jahre vergehen werden, bis es zu einer Einführung kommen kann.

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