Chemie & Life Sciences

Mission: Länderübergreifende Zusammenarbeit

Schweizer Chemie-, Pharma- und Life-Sciences-Industrie will Spitzenplatz verteidigen

22.07.2022 - 2022 feiert der Schweizer Chemie-, Pharma- und Life-Sciences-Verband Scienceindustries das 140-jährige Jubiläum – Anlass für einen Rück- und Ausblick der Schweizer "Chemischen".

Der Schweizer Wirtschaftsverband Scienceindustries gratuliert dem ­CHEManager zu 30 Jahren Qualitätsjournalismus. 2022 feiert der Chemie-, Pharma- und Life-Sciences-Verband selbst das 140-Jahr-Jubiläum – zwei Geburtstagskinder, die vieles verbindet, und Anlass für einen Rück- und Ausblick der Schweizer „Chemischen“.

Auch in der Schweiz gilt der ­CHEMa­nager als die führende Fach- und Wirtschaftszeitung in der chemisch-pharmazeutischen sowie angrenzenden Industrien. Die Beiträge über Unternehmen und Märkte sind Diskussionsthemen der Führungskräfte der Mitgliedsunternehmen von Scienceindustries. Als Schweizer Wirtschaftsverband der Industrien Chemie, Pharma, Life Sciences verbindet uns mit dem CHEManager die Passion für diese Themen und der Anspruch, ein verlässlicher Faktenlieferant zu sein.

Wettbewerbsfähigkeit: Schweiz auf Platz 2 hinter USA

Als Repräsentant der größten Schweizer Exportindustrie setzt sich Scienceindustries dafür ein, dass diese bezüglich Wettbewerbsfähigkeit weiterhin ihren zweiten Platz nach den USA halten oder sogar verbessern kann und auch künftig mit Blick auf Performance, Marktstellung, Innovationsfähigkeit und Technologieführerschaft zur absoluten Weltspitze gehört. Patentschutz, Zolltarif sowie ein Handelsvertrag zwischen Frankreich und der Schweiz waren die ersten Geschäfte auf der Agenda der 1882 neu gegründeten Schweizerischen Gesellschaft für Chemische Industrie (SGCI) – ähnliche Themenbereiche, die auch den Wirtschaftsverband Scienceindustries 140 Jahre später beschäftigen.

Doch wie kam es überhaupt zur Gründung und welche Entwicklung hat die Schweizer „Chemische“ gemacht? Die Branche selbst ist bereits rund 100 Jahre länger in der Schweiz aktiv: Die erste großtechnische Gewinnung von Grundchemikalien war bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts möglich. Die moderne chemische Industrie der Schweiz hat ihren Ursprung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – bei der Synthese der natürlichen und der Herstellung der künstlichen Farbstoffe zu Gunsten der Textilindustrie.

Eigener Weg in Abgrenzung zu Deutschland

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war geprägt von zahlreichen Gründungen, Übernahmen und Fusionen, aber auch schwierigen Zeiten: So verstanden die führenden Köpfe in den 1870er Jahren, dass die Schweizer chemische Industrie einen eigenen Weg gehen muss, um sich gegenüber der internationalen Konkurrenz, vor allem aus Deutschland, abzuheben. Sie fanden diesen Weg bei den Spezialitäten und ­Nischenprodukten.

Anfänglich waren dies fast ausschließlich spezielle, hochwertige Farbstoffe auf Basis von Teer, später kam die Bereitstellung von Basischemikalien wie Acetylen, Ammoniak und Blausäure hinzu, die ihrerseits neue Synthesewege ermöglichten und einer aufkommenden Produktion pharmazeutischer Wirkstoffe den Weg bereiteten. Entscheidend für diese Entwicklung war auch, dass diese hochstehende Chemie im Gegensatz zur Massenproduktion einen hohen Forschungsstandard, gut ausgebildete Mitarbeiter und immer komplexere Fertigungsanlagen bedingten.

Lösungen für Herausforderungen unserer Zeit

Der Anstieg der Mitglieder von Scienceindustries über die vergangenen 140 Jahre ist eindrücklich und illustriert die stetig gestiegene Relevanz unserer Industrien für die Gesamtwirtschaft: An der Gründungsversammlung 1882 nahmen erst 41 Unternehmen teil, 1914 waren es bereits 134 Mitglieder und 1957, anlässlich des 75-jährigen Jubiläums, deren 188. Heute sind es rund 250 Mitglieds­unternehmen, die in der Schweiz rund 74.000 Erwerbstätige beschäftigen, dazu kommen verschiedene Headquarters oder Regional Hubs.
Ob Medikamente, Pflanzenschutzmittel oder Nahrungsmittelzusatzstoffe, ob Aromen und Riechstoffe – alle diese Produkte unserer Mitglieder verbessern unsere Lebensqualität, tragen zum Fortschritt bei und schaffen Lösungen für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit wie Klimawandel, Demografie und Digitalisierung. In den vergangenen zwei Jahren haben die Firmen der Industrien Chemie, Pharma, Life Sciences entscheidend zur Eindämmung der Auswirkungen der Coronapandemie beigetragen. Die weltweit größten Hoffnungen im Kampf gegen das Virus lagen auf Impfstoffen – hohe Erwartungen von Politik und Gesellschaft an unsere Industrien, die erfüllt wurden.

TRIPS-Waiver: gefährliches Zeichen für Innovationsfähigkeit

Die internationale Zusammenarbeit zwischen Industrie und Forschungseinrichtungen sind in der Geschichte der Impfstoffentwicklung einmalig. Innovative Technologien und Produkte sind der Schlüssel zur erfolgreichen Krisenbewältigung. Das Aussetzen geistiger Eigentumsrechte für Covid-19-Impfstoffe (TRIPS-Waiver) – wie vor einigen Wochen von der Ministerkonferenz der Welthandels­organisation (WTO) beschlossen – verbessert die Situation nicht, sondern sendet ein falsches Signal an alle, die sich in Forschung und Entwicklung engagieren und Innovation schaffen.

 

„Geistiges Eigentum stellt kein Hindernis für die Pandemiebekämpfung dar,
sondern ermöglicht rasche und sichere
Gesundheitslösungen für die Patienten.“

 



Geistiges Eigentum stellt kein Hindernis für die Pandemiebekämpfung dar, sondern ermöglicht im Gegenteil rasche und sichere Gesundheitslösungen für die Patienten. Nicht die Produktion ist der Flaschenhals für die niedrige Impfquote, sondern mangelnde Distributionslogistik, Fachkräftemangel sowie schwache Gesundheitssysteme gehören zu den Gründen. Trotz des Verzichts der Durchsetzung des Patentschutzes in Afrika sowie frei verfügbarer Patentinformationen eines Anbieters im Internet, wurden diese nicht genutzt.

Bereit sein für eine allfällige nächste Pandemie

Das Aussetzen von Patentrechten wird die Impfquote in Ländern nicht erhöhen, sondern die Handlungsfähigkeit zur Entwicklung neuer Impfstoffe und Medikamente infrage stellen. In Rekordzeit wurden mehr als 380 freiwillige Partnerschaften für Covid-19-Impfstoffe und 150 für Covid-19-Therapeutika gegründet, von denen über 88 % bzw. 79 % einen Technologietransfer beinhalten. Forschende haben weltweit sehr raschen Zugang zu den Gen-Daten des Sars-CoV-2-Virus erhalten und die Pharmaindustrie hat innert Rekordzeit sichere Impfstoffe, Therapeutika und Tests entwickelt.

Über die Covax Facility wurden bereits 1,2 Milliarden Impfdosen an Länder mit niedrigen und mittleren durchschnittlichen Haushaltseinkommen geliefert. Die aktuelle Covid-­Krise ist noch nicht vorbei. Nun gilt es, sich bereits jetzt auf eine allfällige nächste Pandemie vorzubereiten, sodass diese global noch erfolgreicher bewältigt werden kann – Scienceindustries wird sich mit Nachdruck für das Thema „Geistiges Eigentum“ einsetzen, auch im Rahmen der WTO, wo es ja bereits in sechs Monaten um die Frage gehen wird, ob der Geltungsbereich erweitert werden soll.

Große Bedeutung des Handels- und Forschungspartners EU

Neben der WTO gehört die EU zu den großen relevanten internationalen Dreh- und Angelpunkten der Schweizer chemisch-pharmazeutischen Industrie: Mit einem Anteil von rund 50 % an den Gesamtexporten und einem Anteil von rund 70 % an den Gesamtimporten der Chemie-, Pharma-, Life Sciences-Industrien ist die EU der wichtigste Handelspartner. Vor diesem Hintergrund hat Scienceindustries den Abbruch der Verhandlungen mit der EU über ein institutionelles Rahmenabkommen stark bedauert.

Nebst dem Freihandelsabkommen von 1972 kommt insbesondere den Verträgen über die technischen Handelshemmnisse, die Personenfreizügigkeit und die Forschung im Tagesgeschäft eine zentrale Bedeutung zu. Durch die Konformitätsanerkennung für Pharmaprodukte allein können die Unternehmen Mehrkosten von jährlich 150 bis 300 Mio. CHF vermeiden. In der Coronapandemie sorgt diese gegenseitige Anerkennung von Normen bspw. dafür, dass Lonza ihre in der Schweiz produzierten Impfdosen schnell und ohne weitere Prüfungen in die EU exportieren konnte.

Dringliche Notwendigkeit für neue Verhandlungen Schweiz-EU

Die Personenfreizügigkeit wiederum ermöglicht eine unbürokratische und rasche Rekrutierung von Fachkräften aus der EU. Unsere wissensintensive Industrie ist darauf angewiesen, auch in Zukunft hochqualifizierte Fachleute aus dem Ausland anwerben zu können. Angesichts des sich weiter verschärfenden Fachkräftemangels sind wir auf hervorragende Talente aus dem nahen, aber auch dem fernen Ausland angewiesen.

 

„Unsere wissensintensive Industrie ist darauf angewiesen,
auch in Zukunft hochqualifizierte Fachleute
aus dem Ausland anwerben zu können.“

 


Neben der Erosion der bestehenden Marktzugangsabkommen riskiert die Schweiz ohne institutionelles Rahmenabkommen die Nichterneuerung weiterer Abkommen, wie sich dies bereits am für den Forschungsstandort wichtigen Forschungsabkommen «Horizon Europe» zeigt. Scienceindustries hofft, dass sich sowohl die Schweizer Regierung als auch die EU bewegen und die Sondierungsgespräche für sektorielle Abkommen eine Nachfolgelösung zu den bewährten bilateralen Abkommen sein können.

Horizon Europe: Rasche Vollassoziierung zentral

Für die forschungsintensiven Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie in der Schweiz ist zur Sicherung ihrer Innovationskraft sowie eines hochkarätigen Nachwuchses eine vollständige Assoziierung der Schweiz an das EU-Forschungsprogramm Horizon Europe zentral. Aufgrund der zunehmenden Komplexität der Wissenschaft werden bedeutende Entwicklungen und Innovationen fast immer in Zusammenarbeit von internationalen Netzwerken führender Forschungsinstitute und Unternehmen erarbeitet.

Eine erneute rasche Vollassozi­ierung der Schweiz – und auch des Vereinigten Königreichs – an Horizon Europe haben jüngst über 5.600 Forschende, Forschungseinrichtungen sowie Wirtschaftsvertreter aus ganz Europa in einem offenen Brief an Ursula von der Leyen gefordert. Die EU-Kommissionspräsidentin solle die Blockade im Interesse der Union wie auch der beiden engagierten Partnerländer aufheben. Die Forschungszusammenarbeit kommt allen zugute, und unsere gemeinsame Zukunft wird mit weniger wissenschaftlicher Zusammenarbeit schlechter aussehen.

Gemeinsam die Probleme von morgen angehen

Vom Klimawandel bis hin zur Vorbereitung und Verhütung künftiger Pandemien – länderübergreifende Zusammenarbeit ist die beste Voraussetzung, um Lösungen zu finden, von denen wir alle profitieren. Politische Beziehungen können heilen, aber die Auswirkungen einer fragmentierten Forschung in der Gegenwart werden auch in den kommenden Jahrzehnten zu spüren sein.

 

„Innovation ist und bleibt der Schlüssel
zur Lösung der großen gesellschaftlichen
Herausforderungen der Zukunft.“

 

Innovation ist und bleibt der Schlüssel zum Erfolg unserer Mitglieder und zur Lösung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft. Auch nach 140 Jahren bleibt für Scienceindustries noch viel zu tun!


Autor: Stephan Mumenthaler,  Direktor, Scienceindustries, Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences

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