Anlagenbau & Prozesstechnik

Mit Vakuum zum Optimum

Neue Entgasungssysteme befreien das Medienhandling von Schadluft

04.11.2020 - Die vakuumgestützten Systemlösungen von Tartler decken die Prozesskette von der Abfüllung der Materialien bis zur Entnahme und Förderung in der Applikationsanlage ab.

Mit den Anlagen der Baureihe TAVA F bietet das Michelstadter Unternehmen eine branchenübergreifend nutzbare Systemlösung, mit der sich hochviskose und pastöse Halbzeuge prozesssicher in marktübliche Spannring-Deckelfässer abfüllen lassen. Infolgedessen ist sie u.a. auch für Hersteller von Klebstoffen sowie Dichtungs-, Spachtel- und Designermassen interessant. Denn in all diesen Bereichen werden die Materialien meist in kompletten Gebinden an die Anwender der Förder-, Dosier-, Misch- und Applikationsanlagen geliefert und direkt in diese eingestellt. Als überaus problematisch erweisen sich dabei unwillkommene Lufteinschlüsse im Material, die sich während der herstellerseitigen Befüllung des Fasses bilden können. „Gelangt diese Schadluft bei der Entnahme, Förderung und Dosierung in die Dosierpumpe, so wird der Verarbeitungsprozess massiv gestört. Nicht selten ist ein Abbruch des Verfahrens erforderlich und das komplette System muss mit Material freigespült werden, bis sämtliche Luft entwichen ist und es wieder einwandfrei arbeiten kann“, erläutert Firmenchef Udo Tartler. In solchen Fällen schlägt nicht nur ein größerer Materialverlust negativ zu Buche; häufig fallen auch zusätzliche Kosten an, da etliche Teile aufwändig zu reinigen sind oder gar als Ausschuss entsorgt werden müssen.

Deckelfässer luftfrei füllen
Bei den Anlagen vom Typ TAVA F handelt sich um halbautomatische Entgasungsstationen für die luftfreie Abfüllung von 50- und 200-Liter-Fässern, die sich flexibel für verschiedene pastöse und hochviskose Medien nutzen lassen und auch auf andere Gebindegrößen ausgelegt werden können. Ihre wichtigsten Leistungskomponenten sind eine Vorrichtung zum Einspannen und Stabilisieren des Fasses, ein spezieller Kombiaufsatz zur synchronisierten Vakuumerzeugung und Befüllung, eine Vakuumpumpe und eine Steuerung mit Touchscreen. Alle Einheiten sind kompakt und rundum zugänglich auf einem Sockel mit Fasszentrierplatte installiert. Während das Beschicken der TAVA F, das Positionieren des noch leeren Fasses und das Schließen der Spannvorrichtung manuell erfolgen, laufen die Vakuumbeaufschlagung des Fasses und das nahezu gleichzeitige Einfüllen der pas­tösen Masse vollautomatisiert ab. Ein Fass ist nach wenigen Minuten luftfrei befüllt und steht für den Abtransport zum Anwender bereit.

Die Materialhersteller können ihren Kunden damit bspw. die Garantie geben, dass sie optimal befüllte Fässer ohne Lufteinschlüsse erhalten, die eine prozesssichere Weiterverarbeitung ermöglichen. Ein weiterer Positiveffekt besteht darin, dass sich die Lagerstabilität erhöht, da ja keine Kontamination mit Luft mehr möglich ist. Für Materialhersteller, die große Mengen an Deckelfässern befüllen müssen, gibt es auch vollautomatisierte Komplettlösungen – bspw. mit einem angetriebenen Rondell, auf dem je vier Fässer im Kreisverkehr positioniert, befüllt und versiegelt werden können. Beschickung und Abtransport der Fässer erfolgen dabei automatisiert über Rollenbahnen.

Nach dem Aufbau des Vakuums im Fass läßt sich die Material-Eintritts-Oberfläche über verschiedene Materialzuführungen wie etwa Lochplatten oder Breitstrahl-Einlässe anpassen. Dadurch wird Luft aus dem Dosierprozess oder der Herstellung sofort entfernt, sobald die Förderung des Materials in das evakuierte Fass einsetzt.“

Materialfässer prozessicher wechseln
Analog leistet die TAVA D für Anwender von hochviskosen PU- und Epoxidharzen und Silikonen den ebenso schnellen wie sicheren Austausch der Komponentenfässer ohne das Risiko der Einbringung von schädlicher Luft in die Verarbeitungsanlage oder den Prozess. Die vollautomatisierte Entgasungs- bzw. Evakuierungsstation mit Vakuumspannfass zum Aufnehmen, Abpumpen und Entlüften der Deckelfässer gewährleistet, dass während des routinemäßig anstehenden Fasswechsels kein Lufteintrag in die Misch- und Dosieranlage erfolgen kann. Dazu wird im Fass zwischen Materialoberfläche und Fassfolgeplatte ein Vakuum von -0,97 bar erzeugt und durch eine zwar luft- aber nicht mediendurchlässige Fassfolgeplatte abgesaugt. Gleichzeitig wird auch jene Luft erfasst, die sich möglicherweise schon in der Förder- und Dosierpumpe befindet; etwa weil beim Anheben der vorherigen Fassfolgeplatte pastöses Material herausgetropft ist. Durch das Vakuum im Fass besteht beim Fasswechsel keinerlei Spritzgefahr, wodurch eine Kontamination der Mitarbeiter mit dem Material verhindert wird.

Erzeugung und Regelung des Vakuums erfolgen über eine prozessorientiert ausgelegte Steuerung. Sobald der Fasswechselprozess abgeschlossen ist und die Fassfolgeplatte auf der Materialoberfläche aufsitzt, wird das Vakuum automatisch „abgeschaltet“ und unter der Fassfolgeplatte ein Überdruck erzeugt. Die vollautomatische Anlage bietet dem Anwender volle Kontrolle bei null Materialverlust, null Spritzgefahr und null Handarbeit. Firmenchef Udo Tartler ist davon überzeugt, dass sie „nicht nur alle bisherigen Fassentlüftungsmethoden ablösen kann, sondern – insbesondere im Zusammenspiel mit den intelligenten Steuerungen der Misch- und Dosieranlagen Nodopox und Tardosil neue Maßstäbe bei der Verarbeitung pastöser PU- und Epoxidharze und Silikone setzt.“ Zudem deute sich an, dass die TAVA D auch für die Fasswechselprozesse in anderen Bereichen der Fluidtechnik eine überaus innovative Lösung sein kann.

 

Entgasung in- oder offline
Die Hohe Schule der Tartler‘schen Evakuierungstechnik bilden die erstmals auf der Composite Europe 2019 vorgestellten Systemlösungen der Baureihe T-EVAC. Mit diesen Vakuum-Entgasungsstationen für die prozess­integrierte Evakuierung von Luft und Feuchtigkeit aus Kunstharzen und Härtern vor dem Dosieren und Mischen bietet sich allen Anwendern der Verfahren Vakuuminfusion, Nass­pressen, Resin Transfer Moulding (RTM) und Pultrusion (Strangziehen) eine Möglichkeit zur Verbesserung ihrer Formgebungsprozesse und Produktqualität. Die Entgasungsstation eignet sich sowohl für die Epoxyd- als auch für die PU-Harz-Entgasung und wird in zwei Ausführungen angeboten: Als zentrale Offline-Station, die mehrere Dosieranlagen – etwa Flüssigharz-Anlagen wie die Nodopur – mit entgastem Material „betanken“ kann, und als Inline-Entgasungssystem, das direkt in die Dosier- und Mischanlage integriert ist.

„Der Eintrag von Luft und Feuchtigkeit aus den angelieferten Harz- und Härterkomponenten gehört für viele Kunststoffverarbeiter zu den täglichen Ärgernissen. Diese Störfaktoren wirken sich nicht nur negativ auf die Qualität der Komponenten aus, sondern können auch den Dosier- und Mischprozess erheblich beeinträchtigen“, weiß Udo Tartler, und betont weiterhin: „Insbesondere bei der Verarbeitung von Composite- und Verbundwerkstoffen ist das ein Problem. Im Resin Transfer Moulding und in der Infusionstechnik muss das Vakuum in der Form eigentlich auch die Luft und die Feuchtigkeit aus dem zugeführten flüssigen Kunstharz evakuieren. Das ist aber in der Praxis kaum machbar.“

„Bestens aufbereitetes Material“
Die T-EVAC greift deshalb schon in einer viel früheren Prozessstufe in das Geschehen ein: Bereits bevor das Material aus dem angelieferten Gebinde (z.B. IBC) in die Dosier- und Mischanlage (oder ein Folgegebinde) gelangt, wird es in der Entgasungsstation von Luft und Feuchtigkeit befreit. Gleichzeitig wird es auf die gewünschte Verarbeitungstemperatur gebracht, um eine bestmögliche Performance des Outputs zu erzielen. Die gesamte Prozesskette ist hermetisch geschlossen und steht permanent unter Vakuum (< 5 mbar).

Die T-EVAC steht in verschiedenen Ausbaustufen und Varianten für unterschiedliche Harze und Härter zur Verfügung. Ihre Siemens-Steuerung erlaubt zudem die Integration individueller Anwenderwünsche. Die Entgasungskapazität startet bei 1.000 L/h und die eingebauten Komponenten werden durch integrierte Sensoren überprüft, die ein integriertes Schutzsystem bilden. Zum Anschluss von 1.200-L-IBCs gibt es eine MX-Kupplung mit Kamlok-Adapter.

Die Offline-Ausführung gibt es in zwei Varianten: Zum Direktanschluss an die Dosier- und Mischanlage oder mit Voranstellung eines zusätzlichen Puffertanks, der die Nachfüllzeiten der Dosieranlage erheblich reduziert. In der Prozesskette befindet sich dieser Tank dann zwischen Entgasungsstation und Dosier- und Mischanlage. „Er dient der sicheren Lagerung des entgasten Materials unter vollem Vakuum und unterstützt die Optimierung der Material­temperatur. Die Dosieranlagen können von diesem Puffertank aus sehr schnell befüllt werden“, sagt Udo Tartler.

In der Inline-Ausführung wird die T-EVAC in die Dosier- und Mischmaschine eingebaut und sowohl die Maschinenbefüllung als auch die Materialentgasung der A- und B-Komponente erfolgen in einem Arbeitsschritt. Dabei kann die Befüllung der Maschine synchron während des Applikationsprozesses ablaufen. Die Inline-Anlage erfordert weniger Bedienpersonal und weniger Stellplatz in der Werkshalle.


Der Autor: Michael Stöcker, Freier Fachjournalist, Darmstadt

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