Anlagenbau & Prozesstechnik

Namur-Hauptsitzung: Hauptthema - Prozessautomation

03.01.2012 -

Namur-Hauptsitzung: Hauptthema - Prozessautomation

An der Basis der Prozessautomatisierung stehen bekanntlich die Prozess-Sensoren, denn an ihnen liegt es, wie gut wir etwas über den Zustand des Prozesses erfahren – so leitete der Namur- Vorsitzende Dr. Norbert Kuschnerus die Namur- Hauptsitzung ein, die vom 8.–9. November in Lahnstein statt fand. Zuvor allerdings verabschiedete er mit ganz herzlichem Dank den langjährigen Geschäftsführer des Verbandes, Dr. Hasso Drathen, der diese Aufgabe 20 Jahre ausgefüllt hatte und in den Ruhestand verabschiedet wurde. In seiner Amtszeit stieg die Zahl der Namur-Mitgliedsunternehmen von 53 auf heute 111; und auch die Zahl der so genannten Namur-Empfehlungen wuchs in diesem Zeitraum von 20 auf 111 pro Jahr. Das Auditorium, mit 490 Automatisierungsfachleuten so groß wie nie zuvor, zollte seiner Leistung „Standing Ovations“. Seine Aufgaben als Geschäftsführer übernimmt Dr. Wolfgang Morr von Bayer Technology Services, der im Sommer dieses Jahres zum stellvertretenden Geschäftsführer ernannt worden war. In der folgenden Zusammenfassung wird nur ein Teil des Geschehens auf der Namur-Hauptsitzung dargestellt, während andere, auch wesentliche Vorträge, nicht erwähnt werden konnten.

Die diesjährige Namur-Hauptsitzung stand unter dem Leitthema Prozess- Sensoren oder genauer „Prozess- Sensoren schaffen und erhalten Werte“. Aber sie kosten auch – auf sie entfällt der größte Teil der Automatisierungskosten beim Bau von Prozessanlagen. Die gewählte Thematik passte nicht nur zeitlich in die Automatisierungswelt, sondern natürlich auch zum Sponsor der Veranstaltung, Endress + Hauser.

Zunächst nahm Kuschnerus (Abb. 1) in seiner Einleitung Bezug auf die Technologie-Roadmap Prozess-Sensoren 2005-2015, die gemeinsam mit der GMA VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik einschließlich der Hersteller von Prozess-Sensoren erarbeitet und vor zwei Jahren veröffentlicht worden war. Das Werk zeigt den technischen Handlungsbedarf auf, benennt Lösungswege und Leittechnologien, versucht gemeinsame Forschungsaktivitäten und Standardisierungsvorhaben zu avisieren.

Jetzt stellten sich, so Kuschnerus, Fragen – ob man auf dem richtigen Weg sei, was man inzwischen erreicht habe und was in Zukunft kommen werde? „Und überhaupt - was verlangt man heute von Prozess-Sensoren und ihren Herstellern? … Ist die Technologie Enabler oder Treiber? Wie entsteht der Nutzen wirklich?“ Auf diese Fragen wolle diese Veranstaltung in Plenarvorträgen und Workshops Antworten geben, sagte Kuschnerus.

Antworten von Endress + Hauser

Dies geschah zunächst von Seiten des Sponsors Endress + Hauser, der als Duett auftrat: Klaus Endress, der CEO des Unternehmens, sprach vor allem als Familienunternehmer und Dieter Schaudel zeigte als Chief Technology Officer mehr die technischen Entwicklungen auf (Abb. 2). Endress arbeitete dabei vor allem die harten und weichen Charakteristika des Unternehmens heraus: den „Spirit“ den Unternehmens als ein innovatives, wachsendes international aufgestelltes Familienunternehmen mit über 7.000 Mitarbeitern und fast 1 Mrd. € Jahresumsatz und damit eines der größten der Automatisierungsbranche. Ein innovatives, erfolgreiches und sympathisches Unternehmen, dem man langfristig vertrauen kann – das sollte wohl seine Botschaft sein.

Die Produkte bzw. Kompetenzen von Endress + Hauser fokussieren seit einiger Zeit nicht mehr ausschließlich darauf, als Hersteller von Feldgeräten mit einem breites Produktangebot da zu stehen. Vielmehr hat sich das Unternehmen in die Prozessautomation vorgearbeitet und steht auch die Integration von Feldbus- Systemen, stellt Systeme für Plant Asset Management. Process Control und Inventory Control her und bietet kundenspezifische Engineering-Leistungen an.

Prozess-Sensoren und Familienunternehmen haben vieles gemeinsam“, stellte Endress fest, denn „sie müssen kurzfristig und langfristig für den Anwender, den Kunden, Nutzen stiften“. Und weiter: „Sie müssen absolut zuverlässig und berechenbar sein. Sie müssen sich nahtlos an ihre Umgebung flexibel anpassen, sei es an die Automatisierungs- Architektur, oder in einer globalisierten Welt an die regionalen Bedingungen und Standards. Dazu braucht es Offenheit, offene und kommunikative Kultur, offene Standards. Und beide, Prozess-Sensoren und Familienunternehmen, müssen „Operational Excellence“ ermöglichen und praktizieren. Sie müssen Werte erhalten und schaffen.“

Der in der Technologie-Roadmap wiedergegebenen „Vision vom idealen Prozess-Sensor“ möglichst nahe zu kommen sei eine notwendige Voraussetzung dazu, sagte Schaudel. „Besonders bei den Produktparametern, also dem Aufgabenfeld der Prozessanalysenmesstechnik, ist die Kluft zwischen Wollen und Können heute noch recht groß. Aber sie wird kleiner, durch neue Technologien, neue Werkstoffe, neue Messprinzipien. Die Anforderungsblätter der Roadmap zeigen den Weg, und erste Ergebnisse können sich sehen lassen. Und auch bei den klassischen Messgrößen gibt es bemerkenswerte Verbesserungen, für niedrigere Cost of Ownership, und für höheren Benefit of Ownership.

Ein Beispiel dafür ist die Memosens- Technik von Endress + Hauser – eine Kopfbaugruppe zwischen der pH-Elektrode und dem Transmitter, deren Technologie in einer offenen Foundation auch anderen Herstellern zur Verfügung stehen soll. Wird dieses System zum Standard, profitieren davon auch die Anwender, die weniger herstellerspezifische Systeme betreiben müssen und ohne weiteren technischen Aufwand Messelektroden verschiedener Hersteller an dieser Baugruppe betreiben kann.

Basierend auf der Überlegung, dass „noch niemand etwas gesteuert oder geregelt hat, was er nicht zuvor gemessen hat“ stellten Endress und Schaudel Lösungen vor, die auf Basis der Technologie-Roadmap in den letzten Jahren neu entstanden sind und nun in die Anwendung kommen:

  • Viskositätsmessung mit Coriolis- Durchflussmessern wie „Promass“ und Dichtemessung mit Vibrationsgrenzschaltern wie „Liquiphant“
  • Räumliche Verteilung von Stoffdaten: Trennschichtdetektion mit „Time Domain Radar TDR“; räumliche Temperaturverteilung mit mehreren unterschiedlichen Technologien und Systemen
  • Sensorsysteme für Flüssigkeitsanalyse mit innovativem Diagnose-, Wartungs- und Kalibrierkonzept: „Memosens“ und „Topcal“ für pHund Leitfähigkeitsmessung;
  • Lösungen für biotechnische Systeme und Anlagen

Dabei wurde deutlich, dass innovative Sensoren und Sensorsysteme einen entscheidenden Anteil an der Verbesserung der Anlagen-Performance und der Kostensenkung haben. Zudem werden künftig auch Organisations- und Informatik- Werkzeuge wie „Prolist“ oder das Life Cycle Management „W@M“ von Endress + Hauser ebenfalls wesentliche Beiträge zur Anlagenoptimierung leisten können und müssen.

Die Anlagenkomplexität zu vermindern und Migrationswege auf zu zeigen, ist ein weiteres Feld, das Endress + Hauser angeht – z. B. mit dem so genannten Interpreter DTM (iDTM). Dadurch können auch Geräte anderer Hersteller mit EDD (aber keine DTM besitzen) in „Fieldcare“ eingesetzt werden (Abb. 3). Fieldcare ist ein FDT-basierendes, anlagennahes Asset Management- Tool und eine Schlüsselkomponente für W@M (Web-basierendes Asset- Management), ein Programm, welches Service und Unterstützung über den gesamten Lebenszyklus bietet.

Das PLT-Gerät von morgen

Unter dieser Überschrift formulierte Dr. Armin Bruckner, BASF, für den Namur-Arbeitskreis „Analysenmesstechnik die Anforderungen an PLT-Geräte in Zukunft, die keine Visionen, sondern real machbare Verbesserungen über den gesamten Lebensweg des Gerätes sind. Ziel dieser Anstrengungen sei die Reduktion der Lebenszykluskosten und die Sicherung der Investitionen der Anwender. Dieses fiktive „Namur- Standardgerät“ etwa als Coriolis- Durchflussmesser sollte ca. 80 % der Industrieanforderungen abdecken und dadurch auch größere Stückzahlen auf Herstellerseite ermöglichen.

Verbesserungsmöglichkeiten durch technische Optimierung der Geräte, durch Standardisierungen und die Schaffung weiteren Zusatznutzens wie Gerätediagnose gebe es über die gesamten Phasen des Lebenszyklusses der Geräte – von der Geräteentwicklung über den heute noch mühsamen Bestellprozess, die Montage (Coriolis-Geräte haben unterschiedliche Baulängen), die uneinheitlichen Bedienoberflächen (zumindest eine einheitliche, firmenübergreifende Bedienoberfläche pro Messprinzip sollte es geben), die mangelnde Interoperabilität der Gerätesoftware, die uneinheitliche Gerätediagnose (Namur-Empfehlung dazu gibt es), uneinheitliche Klemmenbelegungen an den Geräten und oftmals geringe Modularität der Geräte. Griffig und etwas spaßhaft formuliert stellte Bruckner dazu ein natürlich fiktives „Namur-Standardgerät“ (Abb. 4) vor, das aus Sicht der Anwender die Messesensation in 2009 wäre. Dazu befragt meinte etwa Dieter Schaudel von Endress + Hauser, die Vorschläge seien gut und es wäre vorstellbar, damit „ab 2010 in die Konkretisierung zu gehen“.

Gerätekommunikation im Wandel

Michael Pelz, Clariant Produkte und Vertreter des Namur-Arbeitskreises „Feldbus“ legte in seinem Vortrag den Finger in eine derzeitige Wunde – die Feldgerätekommunikation bzw. -integration, die von Bruckner zuvor kurz angesprochen worden war. Sie müsse unter Hart und Feldbus immer komplexere Funktionen verarbeiten können. Geräte mit bis zu 1.000 Einstell-Parametern seien heute nichts ungewöhnliches mehr – entsprechend aufwändig sei dann die Parametrierung, vor allem unter Hart. Benötigt werde, so Pelz, eine komfortable, zentrale Bedienung.

Die heutige zentrale Gerätekommunikation ermögliche zwar bereits eine effiziente Instandhaltung, erfordere jedoch noch einen zu hohen Aufwand im Bereich der Geräteintegration. Das sei das eine Kernproblem. Das andere Problem sei, dass derzeit die Geräteintegration die Geräteauswahl bestimme, und das sei nicht hinnehmbar, sagte Pelz. Es müsse doch so sein, dass man sich für das am besten geeignete Messgerät entscheiden könne. Daher auch die Forderung nach einer vollständigen und zeitnahen Ablösung der beiden vorhandenen Ansätze (EDDL und FDT/DTM), so dass keinesfalls ein weiteres paralleles Konzept zur Geräteintegration entsteht.

Die zentrale Gerätekommunikation von morgen (Field Device Integration, FDI), so Pelz, solle eine stabile Plattform für moderne IH-Strategien, MES, Gerätediagnose, ASM, bilden, ohne Mehraufwand und mit langfristiger Investitionssicherheit. Die Namur arbeite daher an der Aktualisierung der Namur- Empfehlung NE105 und halte wegen FDI Kontakt zur Uni München (Prof. Bender) wie auch zur EDDL Cooperation Team (ECT), das 2008 eine Draft Specification und 2009 eine Specification vorlegen wolle.

Prozessanalysentechnik – Quo vadis

Unter dieser Überschrift versuchte Dr. Michael Kloska vom Fachzentrum Prozessanalysentechnik der BASF den Stand und die Zukunft der Prozessanalysentechnik (PAT) dazu stellen, worunter er online., inline- und at-line-Methoden versteht. Die Prozessanalysentechnik besitze unbestritten ein großes Innovationspotential. Über die wirtschaftlichen Potentiale und nutzbringenden Anwendungen der Prozessanalysentechnik zur Prozessoptimierung werde viel gesprochen und geschrieben, aber in der industriellen Praxis scheinbar vergleichsweise wenig getan, sagte Kloska.

Der Einsatz der Prozessanalysentechnik erfolge derzeit im Wesentlichen zur Registrierung und Überwachung (und nur wenige Prozent der Regelkreise in der chemischen Industrie hätten aktuell PAT als Regelgröße). Kloska’ s mögliche Erklärung für den scheinbar geringen PAT-Einsatz: Wirtschaftlich erfolgreiche Einsätze der Prozessanalysentechnik werden vermutlich häufig nicht veröffentlicht, um Wettbewerbsvorteile nicht zu gefährden. Aber auch praktische Probleme hemmen offenbar den Einsatz. So habe es in den vergangenen Jahren zu wenige Neuentwicklungen bei prozessanalytischen Geräten gegeben, obwohl aus der Labortechnik eigentlich genügend Messverfahren zu Verfügung stehen würden, die den Weg in die Prozessanwendung gehen könnten, meinte Kloska.

Als Beispielbeispiele für erfolgreiche PAT-Anwendungen nannte Kloska die Steigerung der Wirtschaftlichkeit z. B. schnellere Anfahrprozesse durch Online-Chromatographie), Schnellere spezifikationsgerechte Produktherstellung z. B. durch Kaskadenregelung von Kolonnen mit NIR-Spektroskopie, Ressourcenschonende Produktionsprozesse z. B. durch PAT-geregelte Dosierung bzw. Vermeiden von Aufarbeitungsschritten Neue Dimensionen zur Produktherstellung z. B. durch näheres Heranfahren an Prozessgrenzen mit PAT in PLT-Schutzeinrichtungen und erhöhte Anlagen- und Prozesssicherheit z. B. durch Eintankkontrolle mit Spektroskopie

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