Anlagenbau & Prozesstechnik

Paperless Lab: IT-Lösungen im Betriebslabor

18.11.2011 -

Paperless Lab: IT-Lösungen im Betriebslabor

Das „Paperless Lab“, oder zumindest eine papierreduzierte Variante setzt sich immer mehr durch. Ob in der Forschung, der Entwicklung, der zentralen Analytik oder der Qualitätssicherung – immer mehr Labore sind dabei auf elektronische Lösungen zu setzen, die neben vielen weiteren Vorteilen den Papieraufwand reduzieren. Doch ist dies auch im Betriebslabor möglich und sinnvoll? Und worauf sollte man dabei achten?

In modernen Produktionsanlagen kommt der Betriebsanalytik aufgrund ihrer steuernden Aufgabe eine strategische Bedeutung zu. Ihre Messergebnisse entscheiden über den weiteren Prozessverlauf in der Anlage – vom Einsatz der Roh- bzw. Wirkstoffe bis hin zum fertigen Produkt. Im Betriebslabor gelten daher höchste Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen.

Gleichzeitig müssen die Abläufe im Labor mit allen Mess-, Dokumentations- und Freigabeprozessen so schnell wie möglich abgewickelt werden, um den Anlagenbetrieb nicht aufzuhalten und eine Freigabe im Schichtbetrieb möglichst ohne Stillstandszeiten sicherzustellen. Die Produktion muss auf Unregelmäßigkeiten so schnell wie möglich reagieren können, so dass Qualitätseinbußen und Fehlchargen vermieden werden können.Die Abläufe im Betriebslabor müssen so gestaltet sein, dass Fehler so gut wie ausgeschlossen sind. Daher sind die Kontrollmechanismen so eng gefasst, dass keine Werte außerhalb der vorgegebenen Spezifikation unbemerkt bleiben.

Anforderungen an IT-Lösungen im Betriebslabor

IT -Lösungen für das Betriebslabor sollten generell darauf abgestimmt sein, die Mitarbeiter unmittelbar bei ihrer Arbeit in den Produktionsprozessen zu unterstützen, wobei gleichzeitig die besonders hohen Qualitätsansprüche umfassend berücksichtigt werden müssen. Der Nachteil von automatisierten Lösungen ist die Tatsache, dass Entscheidungen dann außerhalb der direkten Kontrolle des Fachpersonals erfolgen und somit eine 100 %- ige Verlässlichkeit erforderlich ist.

Die Kombination von Systemvalidierung und manuellen Kontrollschritten stellt sicher, dass die Qualifikation des Fachpersonals und deren Urteilsvermögen weiterhin von entscheidender Bedeutung für den Gesamtprozess bleiben.

Die Analytik ist ein hochsensibler Bereich in dem Fehler weder in den Messungen, noch in der Dokumentation vorkommen dürfen. Allein die Berücksichtigung der Vorgaben der FDA und anderer Behörden zwingen, die Zuverlässigkeit und Vollständigkeit der Informationen mehrfach zu prüfen und zu sichern. Daher ist eine IT -Lösung nur dann sinnvoll, wenn sie diesen gesetzlichen Vorgaben entsprechen kann.

Um den Anforderungen der FDA und anderen gesetzlichen Regularien Rechnung zu tragen, muss eine Entsprechung der papier- und der elektronischen Dokumentation gegeben sein, Prozesse müssen mittels Audit-Trail kontrollierbar sein und das System muss validierbar sein (IQ, OQ, PQ). Ebenso wichtig ist, dass elektronische Prozesse einer Konsistenzprüfung unterliegen. Es muss sichergestellt sein, dass sich ein Fehler nicht systematisch verbreiten kann.

Komplexität und Vielfalt der Analytikmethoden erschweren diese Aufgaben zusätzlich. Routineproben, die stets mit derselben Messanordnung analysiert werden können, werden sich für Automatisierung anbieten, wogegen andere Proben ein hohes Maß an Flexibilität erfordern. Die einzusetzende IT -Lösung muss in jedem Fall verlässlich arbeiten.

Ebenfalls ist es nicht akzeptabel, dass bei einem Systemausfall die komplette Analytik stillsteht, während der Prozess in den Anlagen weiterläuft. Das heißt, es muss auch geklärt sein, welches Risiko mit dem Einsatz der Lösung verbunden sein kann.

Mögliche IT-Lösungen für das Betriebslabor

Es gibt nun die verschiedensten IT -Lösungen für das Analytik- Labor, um dort Papier zu reduzieren und Abläufe durch Integration und Automatisierung besser zu kontrollieren. Dies können unter anderem sein:

  • Ein elektronisches Workflow- Managementsystem im analytischen Labor
  • Ein Daten-Managementsystem als „Knowledge Center“ für wissenschaftliche Daten
  • Ein wissenschaftliches Dokumentationssystem, um Daten in Kontext zu bringen und unternehmensweit zu publizieren

Diese Lösungen können komplexe Prozesse durch Integration vieler verschiedener Systeme vereinfachen, langsame papiergebundene Abläufe beschleunigen und Fehlerquellen durch manuelle Eingaben vermeiden. Alleine die Übertragung von Ergebnissen durch Integration, die Übernahme von Routine-Dokumentation und Automatisierung durch elektronische Steuerung machen diese Systeme sehr wertvoll.

Dabei ist die Kommunikationsfähigkeit der Systeme von großer Bedeutung. Die Systeme sollten sowohl unabhängig voneinander als auch miteinander einsetzbar sein und sich leicht in die vorhandene (Software)-Umgebung integrieren. Durch eine kombinierte oder eine Komplettlösung kann in einigen Fällen ein noch höherer Nutzen erzielt werden, wie z. B. bei einer integrierten Lösung von einem Datenrepository, das selektiv Daten in das Reporting- und Kommunikations- Tool transferiert, wo diese dann genutzt werden können.

Weiter geht dabei noch eine Informatik-Plattform, die als Basis für verschiedene Laborinformatik- Applikationen dient und somit dem Kunden maximale Flexibilität bei gleichzeitig maximaler Integration bietet.

Vorteile von IT-Lösungen

Jede Änderung der Abläufe oder der Einsatz neuer Lösungen zieht einen erneuten Validierungsprozess nach sich, der mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden ist. Ein funktionierender, bewährter Prozess wird nur dann verändert, wenn sich ein erhebliches Verbesserungspotential daraus ergibt. Im Labor und in der Zusammenarbeit mit dem Anlagenbetrieb gibt es eine Menge papiergebundener Abläufe, die mit hohem Aufwand verbunden sind.

Häufig ist dies unvermeidbar, da Schnittstellen unterschiedlicher Systeme, aus verschiedenen Bereichen oder Anschaffungszeiten, aufeinander treffen. So gibt es im Labor andere Systeme als im Betrieb und die Informationen aus dem L abor müssen in unterschiedlichen Systemen weiterverarbeitet werden. Die Schnittstelle Mensch und Papier ist dabei die flexibelste Lösung. Entscheidet man sich für den Übergang zu einer IT - Lösung sollte diese folgende Vorteile mitbringen:

  • Die Verringerung des Aufwandes in der Routine-Dokumentation, Ablage und Datenarchivierung
  • Ein signifikant höherer Probendurchsatz bei gleichen Qualitätsstandards
  • Der Abbau von Redundanzen, d. h. dass Werte/ Spezifikationen mehrfach notiert bzw. in ein System eingegeben werden und dann auch entsprechend mehrfach kontrolliert werden müssen.
  • Integrierte Kontrollsysteme, so dass Werte außerhalb der Toleranzen automatisch angezeigt werden etc.

Dadurch ergibt sich folgender Nutzen für den Anwender:

  • Beschleunigung aller Abläufe im Labor
  • Unabhängigkeit von verwendeter Gerätesoftware
  • Hohe Datensicherheit durch Vermeidung manueller Eingaben
  • Zentrale, suchbare, leicht zugängliche langzeitstabile Speicherung aller Labordaten Konservierung von Wissen und leichtere unternehmensweite Kommunikation
  • Zugriff auf die gesamte firmenweite Experimenten-/Labordokumentation, um Nutzen aus bereits gesammelten Erfahrungen der Vergangenheit zu ziehen (Vermeidung von Wiederholung und von Fehlern)

Vorteile eines elektronischen Workflow- Managementsystems

Ein elektronisches Workflowmanagement ermöglicht zudem:

  • Messaufträge von verschiedenen Quellen/Laboren werden zentral verwaltet
  • Laufende Übersicht über Proben, Messungen und Ergebnisse
  • Erstellung von Arbeitslisten pro Gerät oder Labor
  • Automatische oder manuelle Initiierung von Messungen
  • Optimierung der Kommunikation innerhalb des Labors und mit den Auftraggebern

Vorteile eines Daten- Managementsystems

Der Einsatz eines Daten-Managementsystems hat zudem folgende Vorteile:

  • Erhöhte Datensicherheit
  • Volle Integration von Gerätemessdaten und LI MS
  • Möglichkeit der einfachen Erstellung von (Trend-)Reports
  • Compliance, da fehlerfreie und vollständige Kopien von Daten verfügbar sind, die von Maschinen und Menschen lesbar sind.
  • Zeitersparnis: je Labormitarbeiter (Ablage): 1 h/Tag bzw. 14 % Zeitersparnis, je technischem Mitarbeiter (Suche): 6 Tage/Monat bzw. 30 % Zeitersparnis; Beispiel eines Generikaherstellers: „> 50 % Zeitersparnis pro Anwender” entsprechend 70.000 US-$ pro jahr und Anwender; Boehringer Ingelheim hat als größtes deutsches Pharmaunternehmen festgestellt, dass die Verwendung eines wissenschaftlichen Datenarchivs zu einer Zeitersparnis von 90 min pro Labor und pro Woche führt. Umgerechnet in Kosten für Arbeitszeit entspricht das unternehmensweit einer Ersparnis von über einer Mio. € pro Jahr.
  • Ein ROI von ca. 8–10 Monaten basierend auf Industrie- FTE Werten
  • Anwender aus der QK Produktion: „Ohne Kontrolle über unsere elektronischen Daten hätten wir die Zulassung von der FDA nicht erhalten” ⇒ unbezahlbar!
  • Daten können als „Kapital” betrachtet werden!

Vorteile eines wissenschaftlichen Dokumentationssystems

Neben dem Nutzen, den IT -Lösungen im Betriebslabor generell mit sich bringen, haben spezifische Lösungen auch ihre zusätzlichen Vorteile. Beim Einsatz eines wissenschaftlichen Dokumentationssystems sind diese z. B.:

  • Die Zeitersparnis bei der Dateneingabe. So berichtet z. B. Berlex Laboratories (USA) dass Wissenschaftler bis zu 14 % ihrer Zeit damit zubringen, computergenerierte Daten auf altmodische Weise auszuschneiden und in ein Laborjournal einzukleben. Diese Zeit wird durch ein wissenschaftliches Dokumentationssystem eingespart.
  • Die Zeitersparnis durch Rationalisierung des Signaturprozesses
  • Der Zugriff auf den aktuellen Arbeitsstatus in allen Laboren

Wirtschaftlichkeit von IT-Lösungen 

Neben der Frage des Konzeptes und den Vorteilen einer neu einzusetzenden Software-Lösung in der Betriebsanalytik stellt sich oft auch die Frage, ob sich der Einsatz wirtschaftlich rechnet. Dies wurde u. a. in Studien von unabhängigen Instituten mehrfach bewiesen.

  • Der unabhängige, marktführende „Atrium Research Report EL N“ stellte 2004 fest, dass durch ein Elektronisches Laborjournal je nach Konzept des Systems eine bis zu 20-%ige Steigerung der Effizienz aller Laborabläufe erreicht wird.
  • Die Studie von Frost & Sullivan 2005 zum LI MS Markt beinhaltet die Aussage, dass der Einsatz eines LI MS z. B. den Aufwand für Inventory in einem Produktionslabor durch die Reduktion von Papier von 16 auf 13 Tage senkt. Entscheidend für die Kunden ist auch die Integration mit anderen Lösungen (CDS, ER P, etc.) und Laborgeräten zur weiteren Zeitersparnis.

Schlussfolgerungen

Der Einsatz von IT -Lösungen ist auch im Betriebslabor sinnvoll, da es im Labor und in der Zusammenarbeit mit dem Anlagenbetrieb eine Vielzahl manueller, papiergebundener und damit ersetzbarer Abläufe gibt, die mit hohem Aufwand und möglichen Fehlerquellen verbunden sind.

IT -Lösungen bieten eine Automatisierung durch elektronische Steuerung von Messgeräten, die Übertragung und strukturierte Ablage von Ergebnissen und durch Integration mit anderen Applikationen eine Unterstützung der Routine-Dokumentation. Daraus ergeben sich Vorteile wie die Beschleunigung aller Arbeitsabläufe im Labor, die Unabhängigkeit von verwendeter Gerätesoftware, hohe Datensicherheit durch Vermeidung manueller Eingaben, die zentrale, suchbare und leicht zugängliche langzeitstabile Speicherung aller Labordaten und die Konservierung von Wissen und damit auch eine leichtere unternehmensweite Kommunikation.

Zudem wurde die Wirtschaftlichkeit solcher Lösungen bereits bewiesen. Die Auswahl der einzusetzenden neuen Software-Lösungen wie einem elektronischen Workflow-Managementsystem, einem Daten- Managementsystem für wissenschaftliche Daten oder einem wissenschaftlichen Dokumentationssystems sollte unter den Gesichtspunkten der jeweiligen Schwerpunkte der Anwendung erfolgen. Dabei sollte berücksichtigt werden, wie stabil das spezifische System läuft und ob es die Compliance zu den gesetzlichen Vorgaben verbessert.