Anlagenbau & Prozesstechnik

Portrait eines Visionärs - Das Leben des Win Labuda

13.09.2018 -

In unserer Jubiläumsausgabe haben wir mit Portraits herausragender Persönlichkeiten unserer Branche begonnen. Aus Anlass seines 80. Geburtstages präsentieren wir Ihnen einen der innovativsten und kreativsten Unternehmer unserer Zeit. Wir wünschen Win Labuda noch viele Jahre Schaffensfreude, Glück und Gesundheit.

Sohn eines Danziger Kaufmanns und Enkel eines Schiffbauers, sind in seiner Natur die unterschiedlichen Prägungen beider Vorfahren glücklich miteinander vereint. Früh verwaist, ließ er sich zunächst bei Siemens & Halske zum Mechaniker für Mess- und Regelungstechnik und anschließend bei der deutschen Niederlassung des britischen AEI-Konzerns zum Technischen Kaufmann ausbilden.
Kaum 26 Jahre alt, gründete er 1964 sein erstes Unternehmen, einen Importhandel für elek­tronische und 1971 einen für elektromechanische Bauelemente. Aber erst 1974 sollte zum Jahr der großen Zäsur in seinem Leben werden: Labuda besuchte Edward Paley (1924-2012), den Entwickler erster Wischmittel der Reinraumtechnik und Gründer der Texwipe Inc. Paleys Thesen von der Reinheit als kostbarem Gut zukunftsorientierter Industrien waren überzeugend. Das Gespräch mit Edward Paley hatte Labuda eine Perspektive eröffnet, die er fortan konsequent erweiterte. Bei Beginn der 80er Jahre war die Physik wischender Reinigungs-Prozeduren weitgehend unerforscht „Putztücher“ hatten kein hochklassiges Produkt-Image und Labuda ergriff nun die Chance, den wischenden Reinigungsvorgang unter dem Aspekt höchster Reinheitserfordernisse neu zu erforschen. Er beschloss, sich fortan mit Hingabe dieser Aufgabe zu widmen und gleichzeitig eine Reinraum- Verbrauchsmaterialfertigung aufzubauen, mit der die Forschung finanzierbar würde. Einige Jahre lang verkaufte er Texwipe-Produkte auf eigene Rechnung. Als Texwipe nach 6 Jahren Zusammenarbeit Labudas Wunsch nach einem Exklusiv-Vertrag für den Deutschland-Vertrieb abschlägig beschied, gründete er im Jahr 1979 seine Clear & Clean GmbH und begann mit der Herstellung eigener Reinraum-Verbrauchsmaterial-Produkte.
Doch auch hier hatten die Götter den Schweiß vor den Erfolg gesetzt: Es sollte noch 7 Jahre dauern bis der erste deutsche Großreinraum in Regensburg seiner Bestimmung übergeben werden konnte und Clear & Clean rutschte damals tief in die roten Zahlen. Erst kurz vor dessen Fertigstellung im Jahr 1986 entschied sich Siemens dafür bei dem Mega-Projekt in Regensburg unter Auflagen das Verbrauchsmaterial von Clear & Clean einzusetzen. Die Finanzierung der Clear & Clean-Wischmittel-Forschung war nun erst einmal gesichert. Das war gewissermaßen der Adelstitel für Clear und Clean, denn kein anderes Unternehmen in Deutschland arbeitete 1986 so weit an der Technologiefront wie das Mega-Projekt von Siemens-Regensburg. Es kam denn auch wie erhofft:
Immer mehr deutsche Anwender waren von der Gebrauchsgüte der Clear & Clean-Produkte überzeugt, so dass mit den Jahren neben Siemens auch Airbus, Balzers, Robert Bosch, Global Foundries, IBM, Infineon, Leitz, Micronas, Osram, Philips-Medical, Quimonda, Rolex, Semikron, Texas Instruments, X-FAB, Carl Zeiss und viele andere als wertvolle Kunden gewonnen werden konnten. Aufgrund dieser Mund-zu-Mund-Propaganda benötigt Clear & Clean auch heute noch keinen eigenen Außendienst.
Das Jahr 1986 brachte jedoch noch eine andere Herausforderung in Labudas Leben. In diesem Jahr wurde im VDI – Verein Deutscher Ingenieure – ein Richtlinienausschuss zur Erarbeitung einer Arbeitsrichtlinie der Reinraumtechnik gegründet. Labuda wurde eingeladen dort für den Bereich Reine Wischmittel mitzuarbeiten und tat dies bis zum Jahre 1992. Durch die Mitarbeit im VDI-Richtlinienausschuss und später der Wischmittelforschung bei Clear & Clean bekam Labuda die Chance das erarbeitete Wissen zu dokumentieren und durch die Herausgabe technischer Schriften der Allgemeinheit zugänglich zu machen.
Im Jahr 1990 erwarb Labuda dann ein 1,2 ha großes Werksgelände mit mehreren Gebäuden am Niels-Bohr-Ring in Lübeck und erweiterte systematisch die Fertigungskapazität von Clear & Clean. Bald stellte sich jedoch das Problem stark expandierender Märkte der Reinraumtechnik und Labuda musste sich zwischen Expansion und Konzentration entscheiden. Er entschied sich für Optimierung anstelle von Maximierung, Begrenzung der Mitarbeiterzahl und Ausrichtung auf die Produktion hochwertiger Spezialprodukte mit dem Schwerpunkt Wischmittel der Reinraumtechnik.
Zu Beginn der neunziger Jahre baute Labuda, angeregt durch den Physiker und Siemens-Staff-Engineer Lodevicus Hermans, ein Forschungs-Labor für Oberflächenreinheit und wischende Reinigungsprozeduren mit modernstem Instrumentarium auf. Jeder in der Branche kennt heute Win Labuda als Autor, dem mit den Jahren so viele Fachaufsätze aus der Feder geflossen sind. Zudem tragen zehn Patente seinen Namen. Zusammen mit seiner Ehefrau Yuko, einer freundlichen und kompetenten Japanerin, hat er in Lübeck für die deutsche Reinraum-Branche zwei gut besuchte Symposien der Reinraumtechnik veranstaltet.
Für Wischmittel der Reinraumtechnik gab es in den 80ern keine allgemein anerkannten Prüfmethoden. Labuda musste sich also zunächst mit der aufwändigen Geräte- und Prüfmethoden-Entwicklung für das Produkt Wischmittel der Reinraumtechnik vertraut machen, wollte er deren Eigenschaftsprofil reproduzierbar messen und dokumentieren. Dazu hat er bisher fünf neue Prüfmethoden vorgestellt und zusammen mit dem schwäbischen Mechanik-Ingenieur Klaus Schöttle auch das entsprechende Instrumentarium entwickelt und gebaut. Pünktlich zu seinem 65. Geburtstag, im Jahr 2003 übertrug Win Labuda dann seiner Frau Yuko die operative Unternehmensleitung.
Labuda teilt sein Wissen bspw. auch durch Vorträge auf Kongressen, in verschiedenen Gremien und im Rahmen der Mitarbeit in der Arbeitsgruppe "2083 – Reinraumtechnik" des VDI-Verein Deutscher Ingenieure. Im Jahr 2009 kamen ein deutscher Verbrauchsmaterialhändler und der VDI überein dem Reinraum-Verbrauchsmaterial innerhalb der Richtlinie VDI 2083 ein eigenes Blatt 9.2 zu widmen. Auch an dieser Richtlinie arbeitete Labuda noch bis zum Jahre 2012 mit und schrieb die ursprünglichen Kapitel über Reinigungstücher, Reinigungsstäbchen und Reines Papier. Er war nun mittlerweile 74 Jahre alt und überließ fortan die Mitarbeit in den Gremien einem Assistenten.
Heute im Jahr 2018 blickt der Autor zurück auf 45 Jahre Erfahrung in der Reintechnik. In der Sommerresidenz des Ehepaars, nicht weit vom Ostseestrand in Travemünde, hat er ein Mikroskop-Labor aufgebaut für die Polarisations-Mikroskopie von Meteoriten-Dünnschliffen. Seit 2015 – und insbesondere nach den Skandalen um die deutsche Automobilindustrie, beschäftigt sich Labuda zunehmend auch mit Fragen der Ingenieurs-Ethik.

Laudatio Thomas von Kahlden, Maschinenbau-Ingenieur, Unternehmer
Ende Juni durften viele von uns in Lübeck Win Labudas 80. Geburtstag feiern. Dazu schickt es sich, ein paar Zeilen über ihn und seine Arbeit zu schreiben. Neben den vielen Aktivitäten die Win Labuda sonst noch ausgeübt hat: Zeichner, Fotograf, Büchermacher und gelegentlich auch Producer von Klassik-CDs für junge Künstler: Vor Allem jedoch hat er sich seit seinem 35. Lebensjahr dem Studium der Techniken des reinen Arbeitens insbesondere des wischenden Reinigens gewidmet. Kaum jemand hat sich so intensiv mit diesem Thema auseinander gesetzt wie er. Wir durften über viele Jahre, ja sogar über vier Jahrzehnte hinweg erleben, wie intensiv sich Labuda dem Thema verschrieben hat und wie viele neue Erkenntnisse er dadurch hervorgebracht hat. Beginnend Anfang der 90er Jahre mit der Errichtung des Werks für Reintechnik und des Clear & Clean-Forschungslabors in Lübeck hat er seine Arbeit im wissenschaftlichen Stil mit einer Akribie ohne Gleichen betrieben und dadurch das gesamte Fachgebiet bereichert. Dies geschah bei ihm immer mit dem Ziel noch tiefer in die Materie einzudringen, noch mehr über die Beziehung von Wischmittel- und Oberflächen-Kontamination beim wischenden Reinigungs-Vorgang zu verstehen. Dabei behielt er seine Arbeitsergebnisse nie für sich. Vielmehr veröffentlichte er sie großzügig im Rahmen einer Vielzahl von Veröffentlichungen und Vorträgen. Wer Gelegenheit hatte ihn einmal in seinem Lübecker Labor zu besuchen, dem konnte nicht das ganze Arsenal von Mikroskopen entgehen, mit denen Labuda sich gerne umgibt, um feinste Spuren von Materie auf unterschiedlichsten Oberflächen bis in den Molekular-Bereich hinein sichtbar zu machen. Irgendwann gab er die Elektronenmikroskopie – nicht ohne einige Aufsätze über Bildästhetik – an seine Frau ab, die unsere Branche nun auch schon wieder 25 Jahre lang mit ihren schönen REM-Bildern beeindruckt. Ihre Bilder wurden 2010 bei der großen Ausstellung "Mikrophotographie: Schönheit jenseits des Sichtbaren" im Photomuseum Berlin gezeigt.

Um in die Tiefe der Thematik Oberflächenreinheit und wischendes Reinigen in der molekularen Dimension vorzudringen war es in den Gründerjahren der Reinraumtechnik nicht nur notwendig, sich in bis dato unerforschte Mikro- und nanome­trischen Dimensionen hineinzudenken sondern auch neue Mess- und Prüftechniken zu entwickeln. Das zeigt sich heute im Clear & Clean-Forschungslabor in der Vielzahl gebotener Geräte und Prüfstände, die damals im Wesentlichen als Unikate entstanden sind.

Hierzu stand Labuda seit Jahren – wie könnte es anders sein – ein schwäbischer Tüftler zur Seite der seine Ideen kenntnisreich in mechanische Präzision umsetzte. Zwischenzeitlich wurde dann das Spektrum der Mess- und Prüftechniken um diverse moderne, marktgängige Analysegeräte bereichert. Heute kann man ruhigen Gewissens behaupten, dass es derzeit im deutschsprachigen Raum niemand gibt der über mehr Detail-Kenntnis und Fachwissen zu den Themen messtechnische Bestimmung von Oberflächenkontamination allgemein und durch das wischende Reinigen besitzt als er. In Zusammenarbeit mit Yuko Labuda als kaufmännische Geschäftsführerin entstand im Clear & Clean-Labor mit der Zeit eine Laborausstattung aus Prüf-, Mess- und Analysegeräten, die in keinem Industrieunternehmen und ich wage zu sagen, in dieser speziellen Zweckgebundenheit auch in keinem wissenschaftlichen Institut zu finden ist.

Er ist bis zum heutigen Tag der streitbare Mensch geblieben der er immer war - mit dem es so oft Freude machte die unterschiedlichsten Themen konstruktiv – zumeist humorvoll und kritisch – zu diskutieren. Wahrscheinlich aufgrund seiner vielfältigen Aktivitäten hat Win Labuda sich einen großen, überaus kompetenten Freundes- und Bekanntenkreis aus dem Bereich der Natur- und Geisteswissenschaften geschaffen, wodurch er den direkten Zugang zu den unterschiedlichsten Wissensgebieten hat.

Auch wenn er mir noch vor seinem 80sten Geburtstag sagte, dass er sich jetzt von der Reinheits-Thematik zurückziehen will, so freue ich mich dennoch, dass er – wenn überhaupt – das Thema scheinbar langsam ausklingen lässt. Es gibt noch eine ganze Reihe offener Fragen und mit jeder neuen Erkenntnis entstehen wieder neue Fragen. So können wahrscheinlich auch die nächste und vielleicht auch noch die übernächste Generation an den Themen weiterarbeiten, bei denen Win Labuda die Pionierarbeit geleistet hat.


Laudatio Lodevicus Hermans, Physiker, Staff-Engineer Cleanroom-Engineering
Im Jahr 1985 wurde bei Siemens in Regensburg der erste Großreinraum in Europa in Betrieb genommen. Die Reinraumfläche betrug 10.000 m², davon 5.000 m² in der Klasse ISO 4 für die Chipproduktion. Ich hatte mein Cleanroom-Engineering-Team zusammengestellt und musste nun eine partikelfreie Fertigungs-Umgebung sicherstellen. Gerade rechtzeitig erschien Win Labuda von Clear & Clean und stellte uns sein Portfolio an Reinraum-Verbrauchsmaterialien vor. Seine Argumente überzeugten, sodass ich beschloss für unser neues MEGA-Projekt das Verbrauchsmaterial von Clear & Clean einzusetzen. Dies geschah damals unter der Auflage der Anschaffung und Unterhaltung eines Prüfinstrumentariums nach Siemens-Vorgaben.

Labuda bekam von mir dann zum Ende der 1980er Jahre auch die erste Anregung für den Beginn seiner Produkt-orientierten Forschung. Ich drängte ihn die Phänomene der Partikel, Faser- und Ionenfreisetzung von Wischmitteln aber auch von anderen Reinraumverbrauchs-Materialien genauer zu erforschen und die erarbeiteten Ergebnisse zu dokumentieren. Diesen richtungweisenden Impuls hat er aufgenommen und verinnerlicht. Ab da entwickelt sich Win Labuda vom Unternehmer zum Forscher und Wissenschaftler. Das hat ihn lebenslang geprägt, denn für den geborenen Forscher endet Forschung nie!

Was das Reinraum-Verbrauchsmaterial betrifft, so blieb mir später vor allem die Rolle des interessierten Lesers. Aber wer gerne liest, der kann aus Labudas zahllosen Veröffentlichungen viel Brauchbares auch für die Reinraumtechnische Praxis entnehmen. Einige Themen habe ich ihm seinerzeit noch nahegelegt, die er dann aufgegriffen hat. Den 3-teiligen Beitrag „Elektrische Oberflächenladungen im Fertigungsumfeld der Halbleiter-Industrie“ beispielsweise – den haben wir im Jahr 2005 gemeinsam geschrieben und ebenfalls in 2015 den Aufsatz "Reinraum-Verbrauchsmaterial –Kontaminationsquelle im reinen Fertigungsprozess?" mit Heinz-Josef Kiggen und mir als Koautoren.

In der Gründerzeit der Reinraum-Technik gab es noch keine Prüfmethoden für die Untersuchung und Qualifizierung des Reinraum-Verbrauchsmaterials. Das bedeutete: selber entwickeln, selber bauen! Dabei verließ sich Win Labuda gern auf seine ausgeprägte vereinfachende Intuition und – gleichermaßen wichtig – auf den schwäbischen Maschinenbau-Ingenieur Klaus Schöttle, der Labudas Ideen sehr effizient in ästhetische Mechanik umsetzen konnte.

Ich glaube es war 1987 als wir zusammen die so genannte "Labuda-Hermans-Sonde" entwickelt hatten, um damit Partikel von glatten Oberflächen abzusaugen und dann mittels Luftpartikelzähler deren Menge und Durchmesser zu bestimmen. Wir legten das Projekt jedoch wieder beiseite als wir bemerkten dass bei diesem Prinzip der Partikelabnahme bevorzugt größere Partikel in die Sonde gelangten, während die kleineren an den Oberflächen haften blieben. Einige Jahre später – die Sonde war bei uns längst vergessen – erschien auf dem amerikanischen Markt ein erfolgreiches Partikelmessgerät, welches genau das Prinzip unserer Sonde aufnahm. Da waren wir unserer Zeit wohl etwas voraus gewesen.

Vielleicht durch seine Begeisterungsfähigkeit hatte Labuda schon immer das Talent besessen, hochkarätige Wissenschaftler aus Industrie und Forschung für seine Ideen zu gewinnen. In bester Erinnerung sind die Reinraumsymposien in Lübeck – von Yuko Labuda perfekt organisiert – bei denen Experten aus Wissenschaft und Industrie aktuelle Themen vorstellten und fruchtbare Diskussionen zustande kamen – oft bis spät in die Nacht hinein. Für eines dieser Symposien hatte es Labuda tatsächlich fertig gebracht, den Chief Technical Officer von Infineon, Gerhard Rauter, nach Lübeck zu locken um auf Labudas Symposium einen Vortrag zu halten. Wir trauten unseren Augen nicht, als wir plötzlich unseren höchsten Chef drei Meter vor uns am Rednerpult sahen. Rauter sprach eine Stunde lang ohne Manuskript über die Zukunft der Reinraumtechnik und alle waren begeistert.

Nicht zuletzt möchte ich Win Labuda für seine herzliche Widmung in der übrigens ausgezeichneten ReinRaumTechnik-Sonderausgabe: "Reinraum-Verbrauchsmaterial – Aspekte, Simulation, Argumente"‚ danken.

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