Anlagenbau & Prozesstechnik

Rein muss es sein

Roche investiert am Standort Penzberg

05.10.2015 -

Beim Bau eines modernen Diagnostik-­Produktionsgebäudes am Standort Penzberg hat der ­Pharmakonzern Roche Reinräume der neuesten ­Generation errichtet.

Mehr als 200 Mio. Euro hat Roche in sein neues Diagnostik-Produktionsgebäude DOC II am oberbayerischen Biotechnologie-Standort Penzberg investiert. Hier werden nicht nur die Reagenzien und Einsatzstoffe der neuesten Generation für immundiagnostische Tests hergestellt, mit denen schwere Leiden wie Herz-Kreislauf oder Krebserkrankungen nachgewiesen werden können. In dem Gebäude sind auch die aktuellsten Erkenntnisse moderner Reinraumtechnik vereinigt.
„Der Mensch ist die größte Partikel- und Keimquelle. Nicht er muss geschützt werden, Unsere Produkte müssen wirksam vor ihm geschützt werden“, sagt Plantmanager Michael Zellinger. So wie sein Kollege, der Gruppenleiter für Technische Gebäudeausrüstung Alexander Krause, hängt er deshalb seine Jacke an einen Haken, zieht sich auf dem Sit Over Überschuhe an, schlüpft dann in einen weißen leichten Kittel und setzt sich schließlich eine großflächige Schutzbrille auf, ehe er einen berührungslosen Türöffner aktiviert und durch eine Schleusentür geht.
Der Zutritt in den Produktionsbereich des Diagnostics Operation Complex II (DOC II), in dem aus Humanserum Kalibratoren für die Diagnostikgeräteplattform Elecsys gewonnen werden, ist durchaus typisch für Reinräume. Und doch führen Zellinger und Krause mit einem gewissen Stolz in die Produktion. Zellinger war im Projektleitungsteam, ein Mitarbeiter von Krause war verantwortlich für die Planung und den Bau der technischen Anlagen.

Reinigung so einfach wie möglich
Der Reinraum, in dem seit der Eröffnung vor einigen Monaten mittlerweile etwa 15 Beschäftigte tätig sind, ist technisch auf dem neuesten Stand. Der Boden ist mit einem widerstands- und tragfähigen Epoxidharz beschichtet, damit auch schwere Hubwägen darauf fahren können. Die Wände und Möbel sind abwischbar, an den Übergängen zu den Böden befinden sich Hohlkehlen. Die Decken der hellen Räume sind mit pulverbeschichtetem Stahlblech ausgestattet. Alles ist darauf ausgerichtet, die Reinigung der Räume, Apparate und Möbel so einfach wie möglich zu machen.
Gleichzeitig sollen unerwünschte Partikel erst gar nicht ihren Weg in das Innere dieses Produktionsgebäudes finden, denn sie könnten Keime transportieren, die wiederum eine Gefahr für die diagnostischen Einsatzstoffe sind. Ein leichter Überdruck im Innern des Produktionsbereichs soll Partikel fern halten – der Luftdruck ist hier um 12,5 Pa höher als innerhalb der Schleuse. Zudem macht die Lüftungsanlage den Partikeln das Leben schwer. Zahlreiche Lüftungselemente an der Decke tauschen die Luft während des Produktionsbetriebes acht- bis zehnmal pro Stunde durch frische und gefilterte Außenluft aus. Gleichzeitig verwirbeln sie diese, damit sich Keime gar nicht erst absetzen können. Dezentrale Umluftkühlgeräte verhindern, dass sich der Raum durch die zahlreichen Produktionskesseln aufheizt. Die Bandbreite, in der sich die Raumtemperatur bewegen darf, liegt bei 19 °C im Winter und 26 °C im Sommer.

Dichte Außenhülle
Die großen Außenfenster lassen zwar viel Tageslicht in den Produktionsbereich, bleiben aber stets geschlossen. Überhaupt ist das gesamte Gebäude komplett dicht. Während des Baus wurde dies mittels eines sogenannten Blower-Door-Tests nachgewiesen.
Das Humanserum, das in diesem Gebäudeteil in mehreren Prozessschritten aufgereinigt wird, dient im Endprodukt als Kalibrator für die Elecsys-Diagnostiksysteme. Diese Produktion verlangt eine saubere und reine Umgebung, stellt im Gegensatz zu anderen Fertigungsbereichen allerdings keine Extrem-Anforderungen an Reinräume. Dennoch werden die Böden und Arbeitsflächen täglich gereinigt. Für alle Oberflächen gibt es detaillierte Hygienepläne. Die Anlagen reinigen sich nach dem Cleaning in Place (CIP)-Verfahren automatisch nach jedem Produktionszyklus. Erst wird mit Purified Water (PW) gespült, anschließend mit Natronlauge gereinigt und dann mit PW nachgespült. Sämtliche Reinigungsprozesse werden dabei penibel dokumentiert, denn die Überwachungsbehörden schauen nachträglich mitunter tief in die Daten hinein.
Eine kontinuierliche automatische Überwachung von Raumfeuchte, Luftdruck und Temperatur schlägt Alarm, wenn ein Wert aus der Reihe springt.

Eigene Hygienezonen definiert
Krause weist darauf hin, dass sich Roche zwar an internationalen Standards orientiert, die für Reinräume gelten. Dazu zählen beispielsweise der ISO 14644 oder der EU-Guide to Good Manufacturing Practices. Allerdings hat das Unternehmen daraus eigene Ableitungen getroffen und sogenannte Biozonen für den Pharmabereich definiert, die konzernweit gelten. Für den Diagnostikbereich in Penzberg wurden zudem sogenannte Hygienezonen definiert. Die Humanserumproduktion zählt dabei zur Hygienezone 6, kann nach Angaben von Zellinger aber schnell auf die höherwertige Klasse 4 – vergleichbar der ISO-Klasse 8 – aufgerüstet werden.
Von den Mitarbeitern verlangen Reinräume die Bereitschaft zu gewissen Einschränkungen. Ein kurzer Kaffee oder ein Snack im Produktionsbereich ist nicht drin. Auch für den Gang zur Toilette müssen die Beschäftigen durch die Schleuse nach außen gehen. Immerhin gibt es aber in der Schleuse für die Mitarbeiter einen Wasserspender. Und im neuen DOC II-Gebäude gibt es gleich zwei Pausenräume, damit die Wege für die Mitarbeiter trotz Schleusengang nicht zuviel Zeit beanspruchen.

3-D-Modelle am Computer
Das DOC II beherbergt nur einige von zahlreichen Reinräumen auf dem rund vier Quadratkilometer großen Betriebsgelände. Insgesamt, so schätzt Krause, dürften es mehrere zehntausend Quadratmeter an Reinraumflächen sein – in den unterschiedlichsten Kategorien. Dazu gibt es Reinräume mit ganz speziellen Anforderungen, beispielsweise mit einem Schutz vor Explosionen oder mit einer besonderen Absicherung gegen unerlaubtes Eindringen.
Auch wenn der Bau von Reinräumen für den Schweizer Pharmakonzern ein beinahe alltägliches Geschäft ist, verlassen sich die Planer nicht nur auf die Erfahrungen aus der Vergangenheit. Technikexperte Krause sagt, dass man in bestimmten Fällen die Böden teste, bevor sie in Reinräumen eingebaut werden. So wolle man sichergehen, dass diese auch zur gewünschten Produktionsart passen. Manchmal würden auch die Strömungsverhältnisse vorab simuliert, um zu verhindern, dass sich in einem Reinraum sogenannte tote Ecken verstecken, die ein Brutgebiet für Keime darstellen könnten.
Bei allen Neuanlagen werde zudem mittlerweile am Computer ein 3-D-Modell des künftigen Reinraums erstellt. Ohne diese Hilfsmittel wäre ein derart komplexes Gebäude mit sehr hoher Installationsdichte nicht in dieser kurzen Bauzeit realisierbar.

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