Anlagenbau & Prozesstechnik

Schwefelsäure die Zähne zeigen

23.01.2013 -

Schwefelsäure die Zähne zeigen - Zahnradpumpen für nicht-schmierende Medien in Prozessanlagen.

Nur wenige Anlagenbauer und Verfahrenstechniker denken an Zahnradpumpen, wenn es um die Förderung von Chemikalien geht. Schon gar nicht, wenn es sich um eine klare, ölige, wasserziehende, schwere Flüssigkeit handelt, die zu den stärksten Säuren überhaupt gehört: Schwefelsäure.

Der Pumpenhersteller Ernst Scherzinger hat auch für dieses hochkorrosive Medium werkstofflich resistente Pumpen entwickelt und bietet geeignete Pumpen für Förderströme bis 90 l/min für unterschiedliche Schwefelsäure- Konzentrationen sowie verschiedene Druck- und Temperaturbedingungen an.

Mit diesem Einsatzbeispiel wird auch gezeigt, dass Zahnradpumpen längst andere Einsatzmöglichkeiten als nur die traditionelle Verwendung als „Ölpumpen" erschlossen haben.

Diese Entwicklung dauert an und erstreckt sich neben der Chemie auf zahlreiche andere Branchen. Schwefelsäure ist eine der am häufigsten produzierten Chemikalien - 2005 wurden weltweit mehr als 150 Mio. t hergestellt.

Sie ist ein wichtiger Grundstoff z. B. für die Herstellung von Düngemitteln, Pflanzenschutzmitteln oder auch Tensiden. Papier kann nicht ohne Schwefelsäure produziert werden, jede Autobatterie enthält Schwefelsäure, wichtige Nahrungsmittel wie Zitronensäure und Ascorbinsäure benötigen zur Herstellung Schwefelsäure.

Hinzu kommt, dass für die meisten Trinkwasseraufbereitungsanlagen wie auch Abwasserbehandlungen Schwefelsäure ein unverzichtbarer Bestandteil ist. Die Auflistung ließe sich beliebig fortsetzen - 150 Mio. t müssen schließlich verarbeitet werden.

Je nach Konzentration können die charakteristischen Eigenschaften dieser Säure teilweise stark variieren - alles Werte, die für die Wahl der richtigen Pumpe, der verwendeten Werkstoffe und der eingesetzten Dichtungen entscheidend sind:

  • die Viskosität von unter 1 bis zu 25 mPas
  • die Dichte zwischen 1,0 und 1,85 g/cm3
  • die Konzentration von unter 1 % zu 100 %
  • die Temperatur 10,36 °C (Schmelzpunkt) - 338°C (Siedepunkt) für H2SO4 konz

 

Die Aggressivität ist abhängig von der Konzentration und kann sehr unterschiedlich sein.

 


Zahnräder fördern Schwefelsäure

Zahnräder und Schwefelsäure - dabei denkt wohl jeder eher an die sprichwörtliche „Faust auf‘s Auge"?

Dies ist keineswegs so bei den Zahnradpumpen, wie sie bei Scherzinger in Furtwangen im Schwarzwald entwickelt und hergestellt werden.

Im Laufe der 70jährigen Geschichte von Scherzinger war die richtige Kombination aus Kundenorientierung und Experimentierfreude bei der Suche nach neuen Lösungen entscheidend für die Entwicklung des Unternehmens.

Ein wichtiger Meilenstein war hierbei die Entwicklung von Zahnradpumpen für die Förderung von nichtschmierenden Medien Mitte der 80er Jahre.

Fünfzig Jahre Erfahrung mit Zahnradpumpen für Öle und andere schmierende Medien bildeten eine solide Grundlage und gaben den Impuls für die Suche nach neuen Anwendungen.

Entscheidende Kriterien für einen erfolgreichen Einsatz am Markt waren dabei:

  • die Verfügbarkeit neuer Werkstoffe mit höherer Chemikalienbeständigkeit sowohl für Gehäuseteile, bis hin zur Keramik als auch für Werkstoffe statischer Dichtungen wie z. B. FKM, PTFE
  • die Entwicklung der Oberflächentechnik
  • Fortschritte in der Fertigungstechnologie
  • (Maschinen und Werkzeuge) zur Herstellbarkeit zu wettbewerbsfähigen Kosten
  • die Weiterentwicklung der Dichtungstechnik bei dynamischen Dichtungen einschließlich Magnetkupplung
  • die positive Neugier des Scherzinger-Teams für Neues und Unbekanntes


Dabei gelten auch für diese neuen Anwendungen dieselben Kriterien, die Zahnradpumpen im Vergleich zu anderen Pumpen, wie z. B. Kreiselpumpen oder Kolbenpumpen, besonders geeignet erscheinen lassen:

  • kleine Fördermengen bei hohen Drücken
  • kontinuierlicher Durchfluss bei geringer Pulsation (<5 %)
  • Selbstansaugung
  • hohe Dosiergenauigkeit auch bei wechselnder Viskosität und Dichte
  • einfache Regelung der Fördermenge aufgrund des drehzahlproportionalen Fördervolumens

 


Für den konkreten Einsatz bei der Förderung von Schwefelsäure ist bei der Auslegung einer Pumpe besonders auf die mögliche hohe Dichte zu achten. Im Programm von Scherzinger sind Pumpen mit Fördermengen bis zu 90 l/min bei Differenzdrücken bis zu 10 bar und Systemdrücken bis zu 100 bar.

Der Antrieb erfolgt in der Regel über einen Elektromotor, der im Bedarfsfall über ein mechanisches Verstellgetriebe oder über Frequenzumrichter geregelt werden kann. Versionen in ATEX sind möglich in den Bereichen Zone 1, 2, 21 und 22.

 


Die Werkstoffwahl ist entscheidend

Entscheidend für den Umgang mit Schwefelsäure ist die Wahl der richtigen Werkstoffe, die mit dem Medium in Berührung kommen. Konzentrierte Schwefelsäure ist nicht dissoziiert wie andere organische Säuren (z. B. Essigsäure) und kann deshalb in Eisenbehältern aufbewahrt werden.

Verdünnte Schwefelsäure greift jedoch Silber und sämtliche unedlen Metalle an - nur bei Blei bildet sich eine unlösliche Schutzschicht aus Bleisulfat. Doch wer möchte eine Pumpe aus Blei bauen - in diesen Tagen, wo selbst aus dem jahrzehntelang verwendeten Automatenstahl 9SMnPb28 das Blei verbannt wird?

Bei den Pumpen von Scherzinger wird als Minimalforderung der Edelstahl 1.4571 für Gehäuseteile und Wellen eingesetzt. Dies ist jedoch beschränkt auf Schwefelsäure unterhalb von 5 % und oberhalb von 95 % Konzentration und bei Temperaturen unter 30°C.

Für alle anderen Betriebszustände, d.h. Konzentrationen zwischen 5 % und 95 %, wird der Werkstoff Hastelloy C4 (~ 65 % Nickel, 16 % Chrom, 16 % Molybdän, 3 % Rest) verwendet.

Für die Wahl des Zahnradwerkstoffs ist die Belastung ausschlaggebend, dasselbe gilt für die Wahl des Gleitlagerwerkstoffs. Bei Differenzdrücken unter 5 bar und Temperaturen bis max. 70°C kommt PTFE zum Einsatz, verstärkt mit Kohlefaser.

Drücke über 5 bar und/oder Temperaturen über 70°C erfordern Zahnräder aus Hastelloy C4 oder Oxidkeramiken und Lager aus Keramik.

Die Erfahrungen aus der Praxis haben gezeigt, dass die Verwendung von Hastelloy C4 für sämtliche Konzentrationen und Temperaturen generell empfehlenswert ist. Oft werden im Feldeinsatz Betriebsbedingungen geändert, indem z. B. bei Spül- oder Reinigungsvorgängen plötzlich Schwefelsäure-Konzentrationen <95 % auftreten.

Damit wird diese korrosiver. So werden plötzlich herkömmliche Edelstähle angegriffen und führen zu einem vorzeitigen Ausfall der Pumpe. Hier aufgrund der höheren Kosten von Hastelloy C4 zu sparen, bedeutet Sparen am falschen Ende.

Ähnlich verhält es sich mit den Dichtungen, wobei zwischen dynamischer Dichtung (= Dichtung an der Welle) und statischer Dichtung (= Dichtung zwischen Gehäuse und Deckel) zu unterscheiden ist.

Bei der dynamischen Dichtung hat die Magnetkupplung ihren Siegeszug angetreten - ist sie doch neben der Spaltrohrmotorpumpe die einzige Pumpenversion mit „hermetischer" Dichtung: abgedichtet wird über einen statischen O-Ring, die Übertragung des Drehmomentes erfolgt berührungslos vom Außenmagnet auf der Motorwelle auf den Innenmagnet auf der Pumpenwelle.

Bei diesem statischen O-Ring bietet ebenso wie bei der O-Ring Abdichtung zwischen Gehäuseteilen und Deckel der Werkstoff FKM gegenüber PTFE den Vorteil einer höheren Elastizität - und damit u.a. auch der Wiederverwendbarkeit nach einer Demontage der Pumpe.

Der beschriebene Fall zeigt, dass Zahnradpumpen längst andere Einsatzmöglichkeiten als nur die Verwendung als „Ölpumpen" erschlossen haben.

Diese Entwicklung dauert an und erstreckt sich neben der Chemie auch auf Gebiete wie die Medizintechnik oder die Energiewirtschaft, wo Zahnradpumpen bei Prozessen der erneuerbaren Energien wie z. B. der Brennstoffzelle ebenfalls verwendet werden.

Scherzinger bietet Lösungen für derartige Anwendungen und kann auf ein breites Spektrum an Erfahrungen auch mit schwierigen bzw. korrosiven Medien, wie das Beispiel der Förderung von Schwefelsäure zeigt, zurückgreifen.

 


Scherzinger wächst und investiert

Die Pumpenfabrik Ernst Scherzinger wächst und stillt ihren Platzbedarf mit einem neuen Hallenanbau mit 700 m2 Fläche für rund 1,1 Mio. €.

Er soll Ende September bezogen werden. Alte und neue Fertigungshalle werden dadurch künftig als 1.500-m2-Einheit zusammengefasst.

Die freie Fläche wird das Prüfzentrum der Firma aufnehmen, in der Fertigungshalle werden Lagereinheiten zusammengefasst. Weil das aber insgesamt nicht ausreicht, werden weiterhin zusätzliche Flächen gesucht.

Die positive Entwicklung der Pumpenfabrik hängt v. a. mit dem Autobauer Porsche zusammen, der einige seiner Modellreihen mit Pumpenkomplexen von Scherzinger bestückt.

Der mittelständische Maschinenbauer mit einem breiten Produktspektrum von Zahnradpumpen für Prozess-, Förder- und Dosieraufgaben (und mehr als 1.000 verschiedenen Pumpenmodellen, auch mit Magnetkupplung) macht rund 30 % seines Geschäfts im Bereich Automotive, aber auch im Maschinenbau, in der Energieerzeugung oder in der Chemietechnik sind die Scherzinger-Pumpen zu finden.

Auf dem internationalen Markt wird 30 % des Umsatzes erwirtschaftet - Tendenz steigend.

 


Kontakt:
Dipl.-Ing. (FH) Thomas King, Vertriebsleiter

Dipl.-Ing. Erich Willimsky, Geschäftsführer
Pumpenfabrik Ernst Scherzinger
GmbH & Co.KG, Furtwangen
Tel.: 07723/6506-0
Fax: 07723/6506-40
info@scherzinger.de