Forschung & Innovation

Vermeidung von Produktoxi­dation durch H2O2 in Isolatoren

Auf die richtigen Analysen kommt es an

26.01.2022 - Biopharmazeutika sind aus vielen Therapiebereichen nicht mehr wegzudenken. Doch mit zunehmenden Einsatzmöglich­keiten steigt auch der Bedarf an Schutzmaßnahmen für die parenteralen Produkte.

In der aseptischen Herstellung setzen Hersteller deshalb bevorzugt auf Isolatoren. Allerdings bergen sie auch Risiken, z. B. durch die Einwirkung von Wasserstoffperoxid (H2O2), das zu Dekontaminations­zwecken genutzt wird. Thomas Kosian von Syntegon und Felix Heise von Merck (EMD Serono) ­erklären, wie fundierte und ­gezielte Analysen möglichen Gefahren entgegenwirken können.

Der wissenschaftlich-technische Fortschritt führt zu bahnbrechenden Entwicklungen bei biotechnologisch hergestellten Medikamenten. Diese dienen der Behandlung von Krebs, Autoimmunerkrankungen oder seltenen Krankheiten, die nur eine kleine Patientengruppe betreffen. Allerdings erfordern diese hochwirksamen und teilweise sehr toxischen Arzneimittel besondere Sicherheitsvorkehrungen und hermetisch abgeschlossene Produktionsprozesse, um Mensch und Arzneimittel voreinander zu schützen. Gleichzeitig brauchen gerade neue, in kleineren Chargen produzierte Präparate ein hohes Maß an Flexibilität und Modularität. Integriertes Luftmanagement und optimierte Biodekontamination spielen eine wesentliche Rolle, um Isolatoren flexibel in bestehende Gebäude- und Reinraumkonzepte zu integrieren – und dabei sichere Produktionsprozesse zu gewährleisten.

 

H2O2 – Sicherheit und Risikofaktor ­zugleich

Für die automatisierte Biodekontamination von Isolatoren hat sich die Begasung mit Wasserstoffperoxid (H2O2) als Standard etabliert. H2O2 ist eine recht stabile, flüssige Verbindung aus Wasserstoff und Sauerstoff – und damit ein starkes Oxidationsmittel, das sich aufgrund seines breiten Wirkspektrums besonders gut zur Dekontamination eignet. Nach dem Dekontaminationszyklus wird das verbleibende H2O2 entweder durch Katalysatoren abgebaut oder durch Frischluft aus dem Isolator befördert, um eine vertretbare Restkonzentration zu erreichen. Aufgrund des rasanten Wachstums in der Biotech-Branche sind die Anforderungen an Abfüllmaschinen und Isolatoren gestiegen, da viele Produkte sehr empfindlich auf Restmengen von H2O2 reagieren. Innerhalb des Isolators soll der Restwert typischerweise weniger als 0,5 ppm (parts per million) betragen, ehe der Abfüllprozess beginnen kann. Der genaue Grenzwert hängt jedoch stark von der Empfindlichkeit der Produkte ab und kann mit bis zu ca. 0,03 ppm auch deutlich niedriger ausfallen.

Trotz einer ausgiebigen Belüftungsphase verbleibt ein Teil des H2O2 in der Isolatoratmosphäre und kann sogar an Oberflächen wie Isolatorinnenseiten oder Abfüllanlagen kondensieren. Gelangt Wasserstoffperoxid in das flüssige Arzneimittel, kann er dort zu Oxidation führen. Während Standard-Isolatoren mit einer Belüftungszeit von etwa einer Stunde eine Restkonzentration von 0,5 ppm erreichen können, sind bei besonders empfindlichen biopharmazeutischen Produkten unter Umständen mehrere Stunden erforderlich, um die Restkonzentration an H2O2 auf 0,03 ppm zu reduzieren. Dies führt zu Stillstandzeiten der Abfüllanlage, die insbesondere bei der Produktion kleiner Chargen mit häufigen Produktwechseln und/oder der Herstellung im Kampagnenbetrieb so kurz wie möglich gehalten werden sollten.

Praxisfall Biotherapeutika

Biologische Moleküle wie Hormone oder Antikörper oxidieren leicht. Die Modifikation empfindlicher Aminosäurereste wie Methionin, Tryptophan und Cystein beeinflusst deren physikalisch-chemische Eigenschaften, und möglicherweise auch die Sekundär- und Tertiärstruktur des Proteins. Sämtliche Veränderungen können sich wiederum auf die Wirksamkeit und/oder Sicherheit des Produkts auswirken. Wie empfindlich ein Arzneimittel reagiert, hängt von vielen Faktoren ab, darunter die individuellen Eigenschaften des Wirkstoffs wie Art, Anzahl und Lage der oxidierbaren Aminosäurereste und deren spezifische Auswirkungen auf die Pharmakodynamik und/oder Pharmakokinetik. Auch formulierungsbezogene Parameter wie die Konzentration des Wirkstoffs und oxidationsempfindliche bzw. antioxidative Hilfsstoffe wie Polysorbate und L-Methionin haben einen Einfluss. Zudem wirken sich der Durchmesser des Behältnisses und insbesondere die (effektive) Größe seiner Öffnung auf die Diffusion von H2O2 in die Produktlösung aus.

Neben diesen produktbezogenen Faktoren spielen auch die Abfüllanlage, die Technologie und der Prozess selbst eine wichtige Rolle. So müssen Hersteller bspw. die Zeit berücksichtigen, in der offene und teilweise verschlossene Produkte einem Rest H2O2 ausgesetzt sind – ob bei der Abfüllung, bei Maschinenstopps oder bei der Pufferung abgefüllter Behältnisse im Isolator, ehe sie in den Gefriertrockner geladen werden. Silikonschläuche sind dafür bekannt, H2O2 aufzunehmen und langsam wieder abzugeben, was zu einer nicht zu vernachlässigenden Migration an H2O2 in die Produktlösung führen kann, etwas bei Anlagenstillständen. Während der Befüllung können Stickstoffspülung und Überlagerung helfen, H2O2-Reste im Behältnis zu reduzieren.

 

Auf die Analysen kommt es an

Was gilt es bei der Dekontaminierung mit H2O2 zu beachten? Auf den ersten Blick scheint es sinnvoll, einen allgemeinen Zielwert zu definieren, der sich am empfindlichsten Produkt orientiert. Je nach Art der Exposition können bereits 0,03 ppm bestimmte Moleküle angreifen. Liegen keine Erfahrungen mit derartigen Produkten und Risiken vor, kann ein vorsichtiger Ansatz Pharmaherstellern dabei helfen, auf der sicheren Seite – und in der Regel weit unter dem geforderten Konzentrationsniveau – zu bleiben. Das führt allerdings zwangsläufig zu einer Belüftungsphase, die länger als vorgegeben dauert, Zeit kostet und die Anlagenverfügbarkeit einschränkt.

Eine weitaus effizientere Lösung bietet die Kenntnis der wichtigsten Parameter. Wie reagiert das Produkt auf H2O2? Welche Restkonzentration ist ohne Oxidationsrisiko zulässig? Mit Online-Messsystemen, die Dekontamination, Be-/Entlüftung und Produktion kontinuierlich überwachen, kann im laufenden Prozess leider nur die luftgetragene Konzentration von H2O2 ermittelt werden. Darüber hinaus haben Sensoren für die Routineüberwachung typischerweise eine begrenzte Empfindlichkeit von 0,1 ppm, was bei sehr sensiblen Produkten nicht ausreicht. Hier muss der Dekontaminations- und Belüftungszyklus mit speziellen und sehr empfindlichen Sensoren validiert werden, den Produktionsanlagen in der Regel nicht vorhalten.

Viele Faktoren bestimmen die Rest­konzentration

Die H2O2-Konzentration in der Produktlösung lässt sich hingegen nur durch analoge Experimente ermitteln und ist in der laufenden Produktion nur schwer nachzuverfolgen. Dennoch können Untersuchungen einen Zusammenhang zwischen der Konzentration in der Luft und der Lösung herstellen. Mit einer festen H2O2-Konzentration in der Luft und einer variablen Expositionsdauer ist es möglich, die Aufnahme von Wasserstoffperoxid in das Produkt oder ein Surrogat zu bestimmen und die Bedingungen an der Maschine zu simulieren. Arzneimittel- und Anlagenhersteller können so den Dekontaminationsprozess bestehender Produktionslinien feinabstimmen. Gerade bei neuen Linien tragen umfangreiche Produktkenntnisse dazu bei, den Isolator noch genauer an die spezifischen Anforderungen anzupassen.

Bei der Auslegung oder Optimierung eines Isolators kommt es darauf an, alle relevanten Produkt-, Prozess- und Maschinenparameter zu kennen. Ist die zulässige H2O2-Konzentration für ein bestimmtes Produkt und einen bestimmten Prozess bekannt, darf sie im qualifizierten und validierten Dekontaminationsprozess nicht überschritten werden. Auch hier spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle – von der Art des Behältnisses und seines Füllvolumens, der Temperatur im Isolator, der Veränderung des Luftvolumens und der H2O2-Konzentration im Laufe der Zeit bis hin zur Prozessdauer und der Expositionszeit von Stopfen und Behältnissen. Auch die verwendeten Materialien für Füllmaschinen und Isolatoren bieten Optimierungspotenzial. Materialien wie Silikonschläuche oder Dichtungen absorbieren bekanntermaßen H2O2. Da sie es nur sehr langsam wieder ausgasen, sollte ihr Einsatz bei der Verarbeitung sehr empfindlicher Produkte auf ein Minimum reduziert werden.

 

Detaillierte Untersuchungen

Ideal, jedoch nicht in jedem Entwicklungslabor möglich, ist die Simulation der Belastung mit „luftgetragenem“ H2O2 in einem Testisolator: Offene Produkte können vorher festgelegten Konzentrationen von Wasserstoffperoxid über unterschiedliche Zeiträume ausgesetzt werden. Darüber hinaus lassen sich Prozessparameter wie die Zeit zwischen Befüllen und Verschließen, Linienstillständen aufgrund von Eingriffen, sowie das Puffern teilverschlossener Behältnisse beim Beladen des Gefriertrockners berücksichtigen. Aufgrund von Handhabungsproblemen (hauptsächlich manuelle Probenvorbereitung) liefert eine solche Studie jedoch oft nicht ausreichend Proben für eine anschließende Stabilitätsstudie.

Die Aufteilung in eine Aufnahme- und eine separate Spiking-Studie erweist sich daher als die praktikablere Alternative.
Erstere dient dazu, die Menge an H2O2 zu bestimmen, die von einer Surrogatflüssigkeit (typischerweise Wasser) unter den gleichen Expositionsbedingungen und in der gleichen Konfiguration (Füllvolumen, Behältnis, Teilverschluss) wie das Produkt im Testisolator aufgenommen wird. Nur die Konzentration des gelösten H2O2 wird mit einem empfindlichen analytischen Assay quantifiziert, z.B. einem Peroxidase-Assay mit einem fluorogenen Substrat. Auf Grundlage dieser Daten werden Produktlösungen für die Stabilitätsstudie, die die gleichen Endkonzentrationen wie die Surrogate aufweisen, mit verdünntem H2O2 gespiked. Da das Produkt H2O2 recht schnell verbrauchen kann, nutzt man eine Wasserprobe, die wie die Produktproben behandelt wird, um den Erfolg des Spiking-Verfahrens zu überprüfen.

Dieser zweigeteilte Ansatz erlaubt es Pharmaherstellern auch, sogenannt Uptake-Studien an ihren Anlagenpartner auszulagern, sofern dieser über die erforderliche Expertise sowie geeignete Prozess- und Analysentechnik verfügt. In diesem Fall werden nur die Spiking- und Stabilitätsstudien beim Pharmahersteller durchgeführt – ein Ansatz, den Merck und Syntegon bei verschiedenen Projekten erfolgreich angewendet haben.

Erfahrung sorgt für den idealen Prozess

Trotz der hohen Sensitivität bestimmter Biopharmazeutika bleibt Wasserstoffperoxid die bevorzugte Methode für die Dekontamination von Isolatoren. Mit Erfahrung und entsprechenden Studien lässt sich sehr genau bestimmen, wie eine bestimmte Abfüllanlage ausgelegt und betrieben werden muss, um sie anschließend sicher und effizient zu dekontaminieren. Besonders bei neuen Linien sollten Dekontamination, Produkt­oxidation und die zulässige Restkonzentration von H2O2 bereits in der Design- und Engineeringphase berücksichtigt werden, um deren Auswirkungen auf die Zykluszeiten zu minimieren.

Je mehr Biopharmazeutika auf den Markt kommen, desto umfangreicher wird die Erfahrung im Umgang mit diesen Molekülen und mit ihren Herausforderungen im Abfüllprozess werden. Wer mit einem zuverlässigen Partner zusammenarbeitet, der über langjährige Erfahrung in der Prozess- und Messtechnik, dem Isolatordesign und Produkttests verfügt, kann diese Herausforderungen erfolgreich meistern. Syntegon bietet mehr als 25 Jahre Isolatorkompetenz aus einer Hand – von der Abfüllmaschine bis zum Isolator, von der Biodekontamination über die Lüftungstechnik bis hin zur Qualifizierung und Validierung des Gesamtsystems. Darüber hinaus stehen in Crailsheim Labore für Tests und wissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung, so dass alle Produkt- und Prozessparameter optimal aufeinander abgestimmt werden können.

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