Anlagenbau & Prozesstechnik

Wasserstoff, marsch!

„Grüne“ Energie mit modernster Prozessleittechnik Simatic PCS7 von Siemens

28.02.2017 -

Viele Technologiekomponenten, unterschiedliche Hersteller – Prozessanlagen sind heute oft das Ergebnis über Jahre heterogen gewachsener Systemlandschaften. Das wird spätestens dann zur Herausforderung für Anlagenbetreiber, wenn Einzelsysteme und ihre Automatisierungsprogramme intelligent miteinander zu koppeln und in die Gesamtanlage zu integrieren sind. Hier bietet sich als Lösung der „Blick von oben“ an.

2014 wurde die erste Multi-Energie-Tankstelle Europas in Berlin eröffnet. Das übergeordnete Prozessleitsystem Simatic PCS 7 von Siemens überwacht die Verbundanlage und kommuniziert mit den verschiedenen Modulen der Kooperationspartner, welche den aus Windkraft und Solarenergie gewonnenen Wasserstoff als Energieträger bereitstellen Aber wie lässt sich diese Harmonisierung umsetzen, ohne dabei die Automatisierungstechnologien der Kooperationspartner wesentlich zu beeinflussen? Unter anderem war genau dies eine Anforderung im H2BER-Projekt.

Für das Projektteam des EU-geförderten Vorhabens H2BER gab es viel zu tun. Unter der Schirmherrschaft von Clean Energy Partnership (CEP) und gemeinsam mit den Kooperationspartnern Total Deutschland, Linde und 2G Energy galt es – in Sichtweite des neuen Berliner Flughafens – die erste Multi-Energie-Tankstelle Europas auf der Basis von Wasserstoff zu projektieren und umzusetzen. Wasserstoff als Energieträger wird an dieser Tankstelle künftig in seinem gesamten Zyklus genutzt, von der Produktion über die Strom- und Wärmeerzeugung bis hin als Kraftstoff. Dazu waren die Technologieanteile der einzelnen Partner und ihre Steuerungssysteme zu harmonisieren: Blockheizkraftwerk, einzelne Speichertechnologien sowie die Tanktechnologie für die zwei H2-Zapfsäulen, an denen künftig Pkw und Busse mit 350-bar- und 700-bar-Tanks befüllt werden können. Neben der Fahrzeugbetankung wird der Wasserstoff vor Ort in einem bivalenten Blockheizkraftwerk zur Erzeugung von Strom und Wärme für die angrenzende Tankstelle genutzt.

Modularisierung und offene Software

Eine enge Terminierung, Know-how-Schutz auf den einzelnen Anlagenteilen und 24/7-Verfügbarkeit: Das H2BER-Pilotprojekt barg für die Verantwortlichen hinsichtlich der Umsetzung einer übergeordneten Steuerungseinheit einige Herausforderungen. Die beschriebene Art des Anlagenbaus – auch als Modularisierung bezeichnet - wird wohl zukünftig immer gefragter sein und ist schon heute keine Seltenheit in der Prozessindustrie: Die einzelnen Partner bzw. Hersteller liefern dabei ihre Komponenten und Anlagenteile unter Berücksichtigung der jeweiligen Verfahren, der Apparaturen, der Elektro -und Automatisierungstechnik sowie die zugehörige Hard- und Software.

Die vom Start weg favorisierte Lösung in Berlin bestand in der Integration aller Anlagenteile in einem übergeordneten Prozessleitsystem. Die Wahl fiel hier auf die Siemens Softwaretechnologie Open OS, ein Bestandteil von Simatic PCS 7. Sie harmonisiert heterogene Systemlandschaften und bietet in ihrer Offenheit den Vorteil, Drittkomponenten – wie z. B. CodeSys, Wago, Rockwell, Freelance oder auch S7-1500 – miteinander zu koppeln und auf einer Ebene der Betriebsführung zusammenzuführen. Für die Projektpartner in Berlin entfiel damit erheblicher Mehraufwand für ein Konzept der Gesamtsynchronisation. Unter Berücksichtigung des Know-how-Schutzes werden die Open OS Daten für die Signalverarbeitung aus unter- und nebengeordneten Anlagenteilen akquiriert und in einer Messwarte zusammengeführt. Über WinCC-Kommunikationskanäle oder OPC lassen sich in das PCS-7-Prozessleitsystem Einzelkomponenten wie SPS-Steuerungen und Controller anderer Hersteller ebenso einbinden wie montagefertige Package Units. Dabei schafft OPEN OS ein PCS-7-kompatibles Abbild des zu integrierenden Systems mit dem Ergebnis, dass der Anlagenfahrer auf einer einheitlichen Ebene der Visualisierung arbeitet.

Ein weiterer Pluspunkt von Simatic PCS 7 Open OS ist die Möglichkeit der Datenarchivierung, ein wichtiger Aspekt aus dem Anforderungskatalog des Berliner Projektes. Circa eineinhalb Jahre beträgt der Zeitraum, der hier abgedeckt werden soll, und die Archivierung muss dabei voll automatisiert stattfinden. Dafür eignet sich die Lösung von Siemens sehr gut, weil man zum einen die Visualisierung vereinheitlichen kann – und das in einem System – und weil zum anderen, gleichzeitig mit dieser Visualisierung kombiniert, eine Datenarchivierung stattfindet. Diese läuft im Process-Historian-Server von Siemens, einer weiteren Technologiekomponente von PCS 7, welche die Prozessdaten erfasst und für eine weitere Aufbereitung zur Verfügung stellt.

Das Berliner Prozessleitsystem besteht architektonisch aus einer Bedienerführungsebene mit einer Client-Server-Architektur. Das integrierte Process-Historian-System sorgt für die Langzeit-Datenarchivierung der Verbundanlage. Einige Aspekte aus der Architektur sind redundant ausgelegt – aus Gründen der Verfügbarkeit und zur Minimierung von Stillstandzeiten. In die darunter gelagerte Systemebene haben die Softwareingenieure einen Ethernet-Ring gelegt, der an alle untergeordneten Systeme angekoppelt ist. Hier verbindet Open OS die Daten aus den Drittsystemen, sammelt diese ein und stellt sie der Bedienerführungsebene harmonisiert zur Verfügung.

Heterogene Prozesslandschaften komfortabel abbilden

Schon bei der Eröffnung der Tankstelle am 23. Mai 2014 stieß das H2BER-Projekt auf große Resonanz aus Wirtschaft und Politik. Inzwischen sind die ersten Brennstoffzellenautos auf dem Markt. Insgesamt fünfzig Tankstellen für die Wasserstoff-Mobilität sind bis Ende 2015 in ganz Deutschland geplant und hoch verfügbare, redundante Technologien für Leitstellen werden hier wie in anderen Sparten mit Verbundanlagen künftig eine wesentliche Rolle spielen. Ähnliche Szenarien wie bei den erneuerbaren Energien werden sich dann in den heterogenen Prozesslandschaften der Pharma-, Chemie-, Öl- und Gasindustrie mit Systemen wie der Simatic PCS 7 Open OS komfortabel abbilden lassen. Auch Lösungen wie die schrittweise Migration von Fremdsystemen oder die Zusammenlegung ganzer Messwarten können auf diese Weise abgebildet werden.

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