Logistik & Supply Chain

Zukunftsfähige Spezialtankerflotten

Die GEFO investiert in Schiffe für den Gefahrguttransport

18.04.2023 - Interview mit Ulf Loose, Inhaber und Geschäftsführer der GEFO, über die Entwicklung des Markts für die See- und Flussschifffahrt

Die GEFO wurde 1961 als „Gesellschaft für Oeltransporte“ in Hamburg gegründet und hat sich in den letzten sechs Jahrzehnten zu einem der führenden Logistikunternehmen in der europäischen Chemie- und Mineralölindustrie mit einem Umsatz von 650 Mio. Euro in 2022, davon 80 % mit Produkten der Chemieindustrie, weiterentwickelt. Zukünftig wird mit einer modernisierten Flotte eine Steigerung des Mengenumsatzes von 18 auf 20 Mio. t jährlich erwartet. Birgit Megges fragte bei Ulf Loose, Inhaber und Geschäftsführer der GEFO, nach, was eine zukunftsfähige Flotte auszeichnet und wie sich der Markt für die See- und Flussschifffahrt entwickeln wird.

CHEManager: Sie haben 400 Mio. EUR in den Neubau und die Modernisierung ihrer Flotte mit einer Größe von 150 Spezialtankern investiert. Was zeichnet Ihre neueste Generation an Chemietankern aus?

Ulf Loose: Mit der teilweisen Erneuerung der Flotte war selbstverständlich das Bestreben verbunden, die Qualität der einzelnen Spezialflotten anzuheben, mehr Einheiten mit Edelstahltanks für den Transport hochwertiger Chemiegüter zu schaffen und verbesserte Tragfähigkeiten bis zum maximalen Low Water Carrier zu entwickeln. Zusätzlich sollte eine Einsparung von Treibstoffen bis zu 30 % durch geänderte Linienführungen der Unterwasserschiffe und eine Verringerung von Schadstoffemissionen im gleichen Maße, also ebenfalls bis zu 30 %, erreicht werden.

Insbesondere in der Binnentankfahrt ergeben sich bei den Neubauten durch den Einsatz von Motoren und Abgaseinrichtungen gemäß neuer EU-Norm Stage V Schadstoffeliminierungen bei Kohlenwasserstoffen um 81 %, bei Stickoxiden um 97 % und bei Feinstaub um 95 %.

Das Investitionsprogramm von 400 Mio. EUR wird 2023 mit der Indienststellung von acht neuen Stainless-Steel-Tankern und zwei neuen Gastankern abgeschlossen. Je 200 Mio. EUR der Gesamtinvestition waren zur Stärkung der Seeschifffahrt und der Binnenschifffahrt bestimmt. Natürlich wird auch in den nächsten Jahren die Flotte stetig erneuert, wenn auch zunächst nicht mit so hohen Beträgen.

 

„Durch die jetzige Modernisierung der Flotten wurde der Prozess hin zu einer klimaneutraleren Flotte erfolgreich angestoßen.“

 

Ihre Flotten transportierten große Mengen an Gefahrgütern mit explosiven und toxischen Inhalten. Wie gewährleisten Sie den sicheren Transport in Bezug auf Mensch und Umwelt?

U. Loose: Auch wenn die fünf Vertriebsabteilungen mit insgesamt 40 Mitarbeitenden im Vordergrund stehen, bilden die technischen Abteilungen, die in Duisburg mit 20 Fachleuten für Binnentanker und in Hamburg mit 15 Ingenieuren und Kapitänen für die Seefahrt besetzt sind, das Fundament. Die in der GEFO vollkommen selbstständige Abteilung HSSEQ, also Health, Safety, Secure, Environment, Quality, die mit acht qualifizierten Fachkräften besetzt ist, gibt auch unseren jährlichen Nachhaltigkeitsbericht heraus.

Sowohl die Seetanker als auch die Binnentanker unterliegen der strengen Aufsicht und Kontrolle des Schiff-TÜVs, der sogenannten Klasse-Gesellschaft. Bei der GEFO ist das primär Det Norske Veritas, kurz DNV.

Bereits beim Neubau, egal ob in den Niederlanden, in der Türkei oder in China, begutachten die Klasse-Besichtiger jeden einzelnen Baufortschritt am Rumpf und in der Maschine. Während des Betriebs ist dann alle fünf Jahre eine volle „neue Klasse“ und alle zweieinhalb Jahre eine Zwischenuntersuchung fällig, die zum Beispiel bei den Seeschiffen zu Kosten bis zu 1 Mio. EUR führt. Je älter das Schiff ist, desto teurer wird es.

Außerdem inspizieren sämtliche Verlader in jeweils kurzen Abständen die Schiffe und die Besatzungen beziehungsweise lassen dies durch das Chemical Distribution Institute CDI oder das Oil Companies International Marine Forum OCIMF durchführen. Dabei wird zum Beispiel auch kontrolliert, auf wie vielen Schiffen die Geschäftsführung der GEFO sich persönlich jährlich von der Einhaltung der Qualitäts- und Sicherheitsstandards an Bord überzeugt hat.

Im Jahr 2045 will die GEFO CO2-neutral fahren. Mit welchen Maßnahmen soll dieses Ziel erreicht werden?

U. Loose: Grundsätzlich ist geplant, dass sämtliche GEFO-Schiffe gemäß dem Pariser Klimaabkommen in der Mitte der 2040er-Jahren klimaneutral fahren. Durch die jetzige Modernisierung der Flotten wurde der Prozess hin zu einer klimaneutraleren Flotte erfolgreich angestoßen und wird in den kommenden zwei Jahrzehnten konsequent weiterverfolgt.

Dazu ist in voraussichtlich 15 bis 20 Jahren der Austausch der gesamten aktuellen fünf See- und Binnenschiffsflotten gegen Neubauten mit grünem Wasserstoffantrieb, grünem Methanol oder grünem Ammoniak beziehungsweise Batteriebetrieb vorzunehmen. Wir gehen nicht davon aus, dass es sinnvoll sein wird, die Schiffe, die dann 20 bis 30 Jahre alt sein werden, mit neuen schadstofffreien Antrieben nachzurüsten. Da steht uns dann noch einmal ein technischer und vor allem finanzieller Kraftakt bevor, auf den wir uns bereits jetzt durch entsprechende Kapitalbildung vorbereiten. Leider kann dies derzeit nur durch Bildung von versteuerten Rücklagen geschehen, nicht mittels steuerlich abzugsfähiger Rückstellungen.

Die GEFO ist derzeit aufgrund der Erfahrungen in der Gastankerfahrt von mehreren Verladern in die Entwicklung des Transports und der Entsorgung von CO2 in unterirdischen Lagerstätten in den Meeren eingebunden. Dieses als Carbon Capture and Storage oder CCS bekannte Verfahren ist in Deutschland noch nicht möglich, wird aber in anderen Ländern, zum Beispiel in Norwegen und in Dänemark, bereits praktiziert.

Die Ausrüstungsmodalitäten des Wasserstoffantriebs für ein Seeschiff der GEFO sind von der Klassegesellschaft DNV bereits genehmigt worden. Auch die deutsche Bundesregierung unterstützt das Vorhaben.

 

„Ende 2022 haben wir mit dem TMS „Canaletto“ den ersten Low Water Carrier in Fahrt gesetzt.“

 

Welche Konzepte verfolgen Sie, um dem Problem extrem niedriger Wasserstände im Binnenschiffverkehr entgegenzutreten?

U. Loose: Unsere Neubauten für den Rhein sind sämtlich als Doppelschrauber konzipiert mit einem Propellerdurchmesser von 1,50 m gegenüber 1,70 m bei den früher in Dienst gestellten Einschraubern, wodurch sich in Niedrigwasserzeiten der Tiefgang vermindert und die Abladung erhöht.

Ende 2022 haben wir mit dem TMS „Canaletto“ den ersten Low Water Carrier in Fahrt gesetzt, der bei einem Pegel Kaub von 0,30 cm mit 500 t 50 % mehr Ladung mitnehmen kann als konventionelle Schiffe. Canaletto hat keine klassische Hauptmaschine, sondern einen dieselelektrischen Hybridantrieb, ergänzt durch Batterien, so dass der Tanker auf kurzen Strecken und in Häfen ganz ohne Schadstoffemissionen operieren kann. Nachbauten der Canaletto sind in der Planung.

Wie ist der Markt an Spezialtankern im Einsatz für die chemische Industrie unter den aktuellen Bedingungen einzuschätzen?

U. Loose: Seeseitig, nämlich in der Nordsee, der Ostsee, an der europäischen Atlantikküste und im Mittelmeer sind die Chemiefrachtenmärkte derzeit extrem angespannt, was zu einer Erhöhung der Frachtraten um bis zu 50 % geführt hat. Die geringe Anzahl an Neubauten hochwertiger Tonnage in den letzten Jahren ist ein wesentlicher Auslöser. Die Kosten beziehungsweise Preise für Spezialtanker haben allerdings auch in China um circa 60 % angezogen.

Auf dem Rhein und im ARA-Gebiet haben die temporär um ein Vielfaches erhöhten Gaspreise in der Chemieindustrie bekanntlich zu Stilllegungen einzelner Produktionen beziehungsweise zu vorgezogenen längeren Maintenance-Zeiten geführt, mit der Folge einer zeitweise – im Herbst 2022 – geringeren Auslastung der Rheinschifffahrt. Derzeit gibt es allerdings wieder eine erhöhte Nachfrage.

Wie sieht Ihre Prognose für die Entwicklung der See- und Flussschifffahrt in den nächsten Monaten aus?

U. Loose: Als Dienstleister der Chemie- und Mineralölindustrie sind wir von dem Wohl und Wehe unserer Auftraggeber abhängig. Wenn es unseren Verladern gut geht, fahren auch wir vernünftige Umsätze und Erträge ein. Und nur so können wir unsere früheren, derzeitigen und zukünftigen Investitionen finanzieren und amortisieren.

Allerdings sind neue Spezialschiffe für Chemikalien, zum Beispiel mit Edelstahltanks, für die Fahrt auf dem Rhein und im ARA-Gebiet ebenfalls um fast 75 % teurer geworden als noch vor fünf Jahren. Die Kaskos – Schiffsrümpfe aus Stahl – werden heute in der Regel auf Werften in China gebaut und müssen zunächst über den langen Seeweg nach Rotterdam transportiert werden, um dort mit Maschinen, Pumpen, Wohnungen und weiteren Dingen ausgerüstet zu werden.

 

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