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Pharmaindustrie ist Stabilitätsanker in der Krise

Hessens Jobmotoren brauchen verlässliche Rahmenbedingungen

14.04.2010 -

Derzeit könne man in der öffentlichen Diskussion um die Gesundheitskosten den Eindruck gewinnen, dass in den Fabrikhallen der Pharmaunternehmen reine Gelddruckmaschinen stünden, sagte der Vorsitzende der Hessenchemie Karl-Hans Caprano. Von dem notwendigen hohen Forschungsaufwand, langen Entwicklungszeiten und der Kapitalintensität in der Branche sei dagegen kaum die Rede. Grund genug für den Arbeitgeberverband Hessenchemie, das Thema auf die Agenda der diesjährigen Wiesbadener Gespräche zur Sozialpolitik zu setzen und somit zur Versachlichung der Debatte beizutragen. Am 25. März diskutierten mehr als 200 Experten aus Unternehmen, Verbänden und Politik im Wiesbadener Kurhaus.

Aktuelle Daten und Fakten bildeten die Grundlage der Diskussionen. Zunächst stellte Prof. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, eine von Hessenchemie initiierte Studie vor, die die Bedeutung der Pharmaindustrie und der Medizintechnik untersuchte. Danach hat sich die Pharmaindustrie Hessens in der Krise als echter Stabilitätsanker erwiesen. „Keine andere Branche hat sich im Jahr 2009 günstiger entwickelt", erklärte Prof. Hüther. Etwa 34.000 Menschen sind derzeit in diesen beiden wichtigen Sparten beschäftigt. Im Zeitraum zwischen 1999 und 2008 wurden in Hessen 17,5% Beschäftigung aufgebaut.
Beeindruckend ist auch der Vergleich der Umsatzzahlen: 12,8% des Gesamtumsatzes des verarbeitenden Gewerbes entfallen in Hessen auf die Pharmaindustrie und die Medizintechnik. 3,5% sind dies im Bundesschnitt. Die Exportquote der hessischen Unternehmen liegt bei 63,5%, im Bund bei 59,4%.
Mit einem Minus von 3,1% habe die Branche im Jahr 2009 einen deutlich geringeren Umsatzrückgang zu verzeichnen gehabt als das verarbeitende Gewerbe mit minus 18,2%. Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erhöhte sich sogar leicht um 0,9%, während diese im verarbeitenden Gewerbe um 2,8% sank. Hüther machte vor allem zwei Erfolgsfaktoren aus: Die intensive Forschungstätigkeit sowie die umfassenden Investitionen, die in der Branche geleistet wurden.
Für die Zukunft steht laut Studie zu erwarten, dass die Bedeutung der Branche bestehen bleibt. Sie verfügt über eine überdurchschnittlich gute Ausstattung mit Wachstumstreibern. Sie zählt zu den forschungs-, innovations- und exportintensivsten sowie produktivsten Branchen im Vergleich. Zwei wesentliche kritische Erfolgsfaktoren sind jedoch in der Studie klar identifiziert worden: Die Ausgestaltung des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und die internationale Anschlussfähigkeit Deutschlands und Hessens beim medizinischen Fortschritt. Hier wird u.a. viel von den politischen Weichenstellungen der nächsten Monate abhängen.
Dr. Martin Siewert, Geschäftsführer bei Sanofi-Aventis Deutschland, und Dr. Andreas Brutsche, Geschäftsführer bei Novartis Vaccines and Diagnostics, äußerten im Gespräch mit Moderator Norbert Lehmann ihre Einschätzungen zur Zukunft der Pharmaindustrie. Beide waren sich einig, dass eine nachhaltige Reformstrategie notwendig sei, damit die Pharmaunternehmen auch langfristig planen können. „Wir können nicht jedes Jahr oder jede Legislaturperiode neu diskutieren, wie die Löcher im Gesundheitswesen gestopft werden sollen, sondern wir brauchen stabile Rahmenbedingungen", so Brutsche. Besonders wichtig sei dies angesichts der Tatsache, fügte Siewert hinzu, dass dem deutschen Pharmamarkt immer stärkere internationale Konkurrenz erwachse und zudem in den nächsten Jahren einige wichtige Patente auslaufen.
Dass man an einem Punkt angekommen sei, an dem entscheidende Weichen gestellt werden müssen, das sahen auch die Teilnehmer der folgenden Podiumsdiskussion so. Man müsse weg von einer reinen Kosten- hin zu einer Kosten-Nutzen-Diskussion. „Wir brauchen mehr freien Wettbewerb, in dem Ärzte und Patienten selbst entscheiden können", betonte Hartmut G. Erlinghagen als Vertreter des Arbeitgeberverbandes Hessenchemie. Florian Rentsch, FDP-Fraktionsvorsitzender im Hessischen Landtag, plädierte für die Aufteilung in eine Grundsicherung einerseits und zusätzliche Leistungen andererseits. Die von Gesundheitsminister Rösler eingebrachten Vorschläge würden bis zum Sommer weiter ausgearbeitet und konkretisiert.
Die Notwendigkeit einer Neuordnung sah auch der Vorstandssekretär der IG BCE Francesco Grioli. Die aktuellen Pläne kritisierte er als unausgereift. Ein Ansatz, der nur die Arzneimittelkosten in den Blick nehme, greife zu kurz. Die Frage, wie Gesundheit in Zukunft zu finanzieren sei, müsse viel umfassender gestellt werden und sowohl Patienten und Ärzte als auch Krankenhäuser und Apotheken einbeziehen.
Das Potential der Branche für den Arbeitsmarkt in Hessen unterstrich Dr. Detlef Terzenbach. Der Leiter des Projektes Hessen-Biotech veranschaulichte, dass u.a. in der Biotechnologie große Chancen liegen, denn deren Umsatz habe sich in den vergangenen sechs Jahren in Hessen mehr als verdoppelt.

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