Logistik & Supply Chain

Herausforderung Pharmalogistik: Für innovative Flächen steigt der Bedarf

Zwei Pharmalogistikimmobilien und drei Fragen an Oliver Schmitt von Four Parx

15.07.2020 - Die Lagerung sowie der Umschlag von Gesundheitsprodukten und Pharmaerzeugnissen ist an besondere Anforderungen und komplexe Voraussetzungen geknüpft.

Spätestens die Corona-Krise hat ein Bewusstsein für die besondere Funktion und Bedeutung des Gesundheitssektors geschaffen. Im Zuge der Lehren aus der Pandemie wird die Forderung nach einem Mehr an regionaler Bevorratung systemrelevanter Güter laut. Dies gilt auch für Medizingüter. Dabei ist gerade die Lagerung sowie der Umschlag von Gesundheitsprodukten und Pharmaerzeugnissen an besondere Anforderungen und komplexe Voraussetzungen geknüpft, die Erfahrung sowie spezielles Know-how erfordern. Kürzlich realisierte der auf die Entwicklung innovativer Gewerbe- und Logistikflächen spezialisierte Projektentwickler Four Parx zwei Gewerbeparks, die diesen Anforderungen durch modernste Technik und ein hohes Maß an Sicherheit Rechnung tragen.

Wie kaum ein anderes Ereignis hat die Corona-Krise ein nachhaltiges Bewusstsein für die besondere Bedeutung und Funktion des Gesundheitssektors in der breiten Öffentlichkeit geschaffen. Während viele Arbeitnehmer ihre Tätigkeit ins Homeoffice verlegen konnten, waren Einsatz- und Rettungskräfte, Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern auf die reibungslose Versorgung mit wichtigen medizinischen Gütern angewiesen. Auch die essenzielle Rolle von Labors zum Zweck der Analyse von Blutproben sowie der Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen wurde durch die Krise in der öffentlichen Wahrnehmung gestärkt.

Komplexe Anforderung an die Lagerung hochsensibler Medizingüter

Gleichzeitig hat die Pandemie die Schwachstellen moderner, rund um den Globus verlaufender Supply Chains aufgezeigt, sodass verstärkt Forderungen nach einem Mehr an lokaler Produktion und regionaler Bevorratung systemrelevanter Güter laut werden. Darunter befinden sich auch und gerade Produkte aus dem Gesundheitsbereich wie Medizingüter, Pharma- als auch Chemieerzeugnisse, die z.B. für die Herstellung von Desinfektionsmitteln verwendet werden. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund des neuen Arzneimittelgesetzes, nach dem Behörden künftig eine Lagerhaltung für bestimmte Pharmapräparate anordnen können.

Zudem sind die Lagerung und der Umschlag solch empfindlicher Güter an eine Vielzahl komplexer Anforderungen und besonderer Voraussetzungen geknüpft, die insbesondere von Entwicklern entsprechender Logistik- und Gewerbeanlagen ein hohes Maß an Erfahrung und spezielles Know-how erfordern. Für die stringente Kontrolle der Lieferketten für sämtliche Arzneimittel gilt seit 2013 die EU-Leitlinie für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln „Good Distribution Practice“ (GDP), die hohe Anforderungen u.a. an die Temperatur- und Feuchtigkeitskontrolle der Transportfahrzeuge und Lagermöglichkeiten stellt. 

Der auf innovative Gewerbe- und Logistikflächen spezialisierte Projektentwickler Four Parx, Dreieich, realisierte jüngst gleich zwei Gewerbeparks, die diesen Anforderungen mittels modernster Technik und einem hohen Maß an Sicherheit Rechnung tragen.

Umfangreiche Lösung für Produktlagerung und Archivierung

Der Projektentwickler erstellte im südhessischen Kriftel in Zusammenarbeit mit Biologen, Ingenieuren und internationalen Spezialisten das Konzept eines modernen Lagerzentrums für hoch sensible medizinische Produkte. Mieter der innovativen Gewerbeflächen ist ein US-amerikanisches Unternehmen, das als Biobank professionelle Biospeicherdienste anbietet, die es den Kunden ermöglichen, klinisches Forschungsmaterial zu konsolidieren und über einen digitalen Index abzurufen.

Auf einer Nutzfläche von 3.500 m² realisierte Four Parx eine umfangreiche Lösung inkl. Labore mit erhöhten Luftwechselraten, Anlagen zur Langfristlagerung von DNA-Proben sowie sauerstoffreduzierte Dokumentenlagerungen. Dabei wurden insgesamt drei Hallen zur Produktlagerung und Archivierung entwickelt.

Zur Sicherstellung und Einhaltung der Kühlanforderungen mit einem Strombedarf von 800 kWh ist eine hochmoderne Niederspannungshauptverteilung installiert. Zudem sind sämtliche Systeme mehrfach redundant abgesichert, die über ein mit Diesel betriebenes Notstromaggregat den gesamten Hallenbetrieb über drei Tage lang aufrechterhalten können.

In dem Gebäude wurden zusätzlich qualifizierte Reinräume entwickelt. Ausgestattet mit komplexen, technischen Be- und Entlüftungssystemen sorgen diese für ein genau vorgegebenes Maß an Luftreinhaltung. Die modernen, technischen Labore bieten hier u.a. hochwertige Arbeitsplätze für Biologen, Chemiker und Ingenieure.

Pharmadistributionszentrum für Luftfracht

Im hessischen Groß-Gerau realisierte Four Parx mit dem Gewerbepark GG Rhein Main ebenfalls eine anspruchsvolle Anlage. Ein auf die Pharmaindustrie spezialisierter Logistikdienstleister nutzt die Flächen als neues Pharmadistributionszentrum für die Verpackung pharmazeutischer Luftfracht und die regionale GMP-Produktion im Rhein-Main-Gebiet.

Hier wurden zwei voneinander getrennte Temperaturzonen als „Box-in-Box-Lösung“ realisiert: eine über 2.000 m² große Kühlhalle mit Temperaturen von 3 bis 8°C sowie eine rund 70 m² große Tiefkühlzelle mit eigenen Decken, Boden und Wänden. Die komplexe Kühlanlage wird über eine Internet-Verbindung extern gesteuert und überwacht, so dass jederzeit auf Veränderungen und mögliche Störungen reagiert werden kann. Eine Besonderheit ist, dass die Lkw nach dem „DoBo“-Verfahren (docking before opening) entladen werden können. Dabei wird beim Andocken an der Rampe ein Luftkissen um den Lkw gelegt, das einen Temperaturverlust nach Öffnen der Türen verhindert.

Zudem wurde die Anlagen- und Gebäudesicherheit durch redundante Stromversorgung und eine ausgefeilte Zutrittskontrolle und Videoüberwachung gestärkt. Der Nutzer hat Anfang Juni 2020 den operativen Betrieb aufgenommen. Der Gewerbepark selbst sticht auch unter dem Nachhaltigkeitsaspekt hervor und erreichte eine der Finalistenpositionen beim Logix Award 2019 der Initiative Logistikimmobilien (Logix).

Knappes Gut: Lagerflächen für Pharmaerzeugnisse

Aufgrund der Corona-Pandemie hat sich die bereits angespannte Lage im Bereich der Gewerbe- und Logistikimmoblien und hier vor allem für Speziallager für Pharmaerzeugnisse nochmals verschärft. Oliver Schmitt, Geschäftsführender Gesellschafter des Projektentwicklers Four Parx aus Dreieich äußert sich zur Situation im Logistikimmobilenbereich hier im Speziellen auch für Pharmaprodukte und zu Nachhaltigkeitskonzepten.

CHEManager: Herr Schmitt, im Zuge der Corona-Krise werden vermehrt die Forderungen nach mehr lokaler Bevorratung laut. Dies würde den Bedarf an Lagerflächen in einem ohnehin stark boomenden Markt noch befeuern. Wird es einen Wettlauf um Flächen geben?

Oliver Schmitt: Die Corona-Pandemie hat die Fragilität der globalen Liefer- und Warenketten aufgezeigt. Supply Chains sind enorm komplexe Gebilde, die von vielerlei Faktoren abhängen. Ein erhöhtes Maß an regionaler Lagerhaltung sehe ich deswegen allem voran in denjenigen Branchen, die eine systemrelevante Versorgungsfunktion ausüben.

Gleichzeitig sehen wir aber auch Branchen, die von der Krise stark getroffen sind wie z. B. der Automotive-Bereich. Hier wird zeitnah nicht mit einer erhöhten Flächennachfrage zu rechnen sein. Es ist aus diesen Gründen schwierig, eine einheitliche Entwicklung bei der Nachfrage nach Flächen ausmachen zu wollen.

Insbesondere bei Lager- und Logistikflächen für die Gesundheits- und Pharmabranche gelten hohe Anforderungen. Was ist bei der Projektentwicklung entsprechender Anlagen besonders zu berücksichtigen?

O. Schmitt: Gerade erst hat die Prüfgesellschaft Dekra gewarnt, dass die hohen Standards der Lagerung derartiger Güter in Kombination mit der Forderung nach einer erhöhten Bevorratung den europäischen Logistiksektor an seine Grenzen bringen könnten. Das liegt zum einen daran, dass generell die gesamte Supply Chain im Gesundheitsbereich höchsten Standards genügen muss. Das gilt übrigens nicht nur für die Lagerung, sondern auch für den Transport und den Umgang der Mitarbeiter mit der Ware. Insbesondere aber sind von Projektentwicklern von Gewerbeflächen für den Pharma- und Healthcare-Bereich ein hohes Maß an Fachkenntnis und Expertise gefordert. Die Kriterien sind streng und können im Zweifelsfall dazu führen, dass ein einzelner Fehler den Verlust der Zertifizierung nach sich zieht. Gleichzeitig ist der Anforderungskatalog breit. Als Entwickler müssen wir also diverse Aspekte berücksichtigen, angefangen bei einer strengen Temperaturführung bis hin zu der Sicherstellung einer reibungslos funktionierenden Stromversorgung, die auch im Notfall einen normalen Betriebsablauf ermöglicht. Des Weiteren sind auf die Aspekte Hygiene, Sauberkeit, Schädlingsbekämpfung und Sicherheit zu achten, die bei der Zertifizierung einer Immobilie enorm wichtig sind. In jeder Phase der Projektentwicklung ist darüber hinaus eine enge Zusammenarbeit mit dem Nutzer unabdinglich.

Gerade das Projekt GG Rhein-Main setzt besonders auf den Nachhaltigkeitsaspekt. Welche Rolle kann Nachhaltigkeit nach Corona bei der Projektentwicklung von Logistik- und Gewerbeimmobilien spielen?

O. Schmitt: Nachhaltigkeit muss auch nach Corona eine stärkere Bedeutung für Projektentwicklungen von Logistik- und Gewerbeansiedlungen spielen. Das gerade erst von der Bundesregierung verabschiedete Konjunkturpaket hat den Weg in Richtung Klimaschutz und Nachhaltigkeit geebnet. Darüber hinaus haben gerade Logistikansiedlungen in den Kommunen mit einem Imageproblem zu kämpfen, der Widerstand gegen derartige Projekte nimmt zu. Eine stärkere Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsaspekts spielt eine wichtige Rolle bei der Antwort auf die berechtigten Anliegen der Bürger. Gleichzeitig müssen gerade wir als Projektentwickler noch mehr tun, um das Vertrauen der Gemeinden und Bürger zu gewinnen und zu stärken.

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