Anlagenbau & Prozesstechnik

Viel einfacher extrahieren!

Intensivierung durch Vereinfachung: der Taylor-Couette-Disc-Contactor

04.12.2014 -

An der TU Graz wurde im Wechselspiel aus Experiment und CFD-Simulation eine fundamentale Vereinfachung einer industriell etablierten Extraktionskolonne entdeckt.

Durch die unaufhaltsame Verknappung der fossilen Ressourcen ist ein globaler Rohstoffwandel zu biobasierten Rohstoffen in den kommenden Jahrzehnten absehbar. Biogene Rohstoffe enthalten häufig thermisch empfindliche bzw. instabile Komponenten und einen höheren Sauerstoffanteil. Wegen des damit verbundenen höheren Energiebedarfs wird die destillative Auftrennung als Trennverfahren zunehmend unwirtschaftlich bzw. ungeeignet. Trennverfahren ohne thermischen Energieeintrag, wie die Flüssig-Flüssig-Extraktion, gewinnen zunehmend an Bedeutung. Typische Eigenschaften von biobasierten Rohstoffen sind aber auch für den industriellen Betrieb von Extraktionskolonnen aus folgenden Gründen problematisch:

  • Hoher Anteil an Feststoffen, die an der Phasengrenze oder an Einbauten akkumulieren. Die Ausbildung einer dritten Phase (Mulm) kann häufig beobachtet werden.
  • Mechanische Empfindlichkeit von biogenen Komponenten, der mechanische Energieeintrag muss schonend erfolgen.
  • Hohe Viskosität einer bzw. beider Phasen.

Die physikalischen Phänomene, die in einem Flüssig-Flüssig-Extraktor auftreten, sind derart komplex mit einander verflochten, dass sie bis heute keine theoretisch fundierte Auslegung von Extraktionskolonnen mit rotierenden Einbauten erlauben. Das Design basiert immer noch auf starren empirischen Design­regeln, der Scale-Up ist wegen des komplexen Wechselwirkens der Toruswirbel mit der Geometrie und der dispersen Phase problematisch. Die Wirbelstruktur von Laborkolonnen lässt sich nicht beliebig auf industriellen Maßstab übertragen, auch wenn geometrische Ähnlichkeit gegeben ist. Bei ungünstigen Compartmentabmessungen werden Totzonen ausgebildet, die von den Toruswirbeln nicht erfasst werden. Sie verbreitern die Verweilzeitverteilung beider Phasen und senken damit die Trenneffizienz drastisch.
Der Einsatz von Computational Fluid Dynamics (CFD) ist aufgrund der stetig wachsenden Rechenkapazitäten der letzten Jahrzehnte ein zukunftsträchtiges Werkzeug für das Lokalisieren von Totzonen. Mit der systematischen Abfolge von experimentell validierten Simulationen sind Einsichten in das Strömungsverhalten möglich, die im Technikumsmaßstab bisweilen nur unter sehr hohem experimentellen Aufwand und im industriellen Maßstab praktisch nicht zugänglich waren. Die optimale Geometrie kann unabhängig von der Apparategröße auf der Basis von theoretisch fundierten und experimentell validierten Modellen untersucht werden.

Rotating Disc Contactor (RDC)
Der RDC stellt die erste und einfachste Ausführung von gerührten Kolonnen dar. An einer zentralen Welle sind Rührscheiben angebracht, die toroidale Wirbel in der kontinuierlichen Phase induzieren und so die freie Tropfensedimentation verlangsamen. Höhenversetzt sind Statorscheiben als axiale Strombrecher an der Kolonnenwand angebracht (siehe Abb. 2, links). Aufgrund der einfachen Geometrie und seiner robusten Eigenschaften hat sich der RDC in der industriellen Anwendung etabliert. Die offene Bauweise erlaubt zwar einerseits hohe Durchsätze, fördert aber andererseits auch die unerwünschte axiale Vermischung, die speziell bei der Maßstabsvergrößerung zu einer Verringerung der Trennleistung führt. Hinsichtlich der Art des Energieeintrages scheint der Rotating Disc Contactor (RDC) geeignet für die Verarbeitung viskoser biogener Rohstoffe. Der Energie­eintrag durch Scheiben ist gleichförmig und beliebig justierbar, das Fehlen von Rührpaddeln verhindert Prallbeanspruchung empfindlicher Komponenten. Dagegen sind die relativ geringe Trennleistung, hervorgerufen durch die besonders stark ausgeprägte axiale Vermischung, und das fouling (Mulmbildung) an den stationären Einbauten Ansporn für Optimierung.

Taylor-Couette-Reaktoren
„Taylor-Couette Strömung" bezeichnet toro­idale Wirbelstrukturen, die im Spalt zwischen zwei konzentrischen und relativ zu einander rotierenden Zylindern auftreten können. Nach Überschreiten einer kritischen relativen Rotationsgeschwindigkeit der Zylinder schlägt die zweidimensionale Spaltströmung (Couette-Strömung) in die Taylor-Couette-Strömung um, es werden axialsymmetrische Toruswirbel mit alternierender Drehrichtung ausgebildet. Die hydrodynamischen Eigenschaften dieser Wirbel sind für verschiedene verfahrenstechnische Prozesse interessant: Bei einer gleichmäßigen Verteilung der Misch­intensität wird die radiale Vermischung intensiviert, während die unerwünschte axiale Vermischung minimiert wird. Die Wirbelkerne können genutzt werden, um feine Partikel einer Suspension zu akkumulieren und auf diese Weise zu klassieren. Ebenso ist die Fluidisierung von Katalysatorpartikeln in den Wirbelkernen möglich. Der mechanisch schonende Mischvorgang ohne scharfe Kanten und Rührorgane findet in der Zucht von empfindlichen Zellkulturen Anwendung. Für die industrielle Umsetzung ergeben sich für die Taylor-Couette Strömung aber dennoch zwei grundliegende Probleme:
Die Taylor-Couette Strömung ist ein Phänomen, das im Ringspalt auftritt. Das effektive Reaktorvolumen ist gering im Verhältnis zur Apparategröße.
Die Instabilitäten der Taylor-Couette Wirbel und die Vielzahl der möglichen Strömungsregime erschweren die Prozessregelung. Die Forderung nach konstanter Produktqualität ist bei Lastwechsel oder Störungen der Betriebsbedingungen schwer zu realisieren.

Hybridisierung
In einer umfassenden CFD-Studie mit Ansys Fluent im einphasigen und zweiphasigen Betrieb wurde durch systematische Variation der RDC-Geometrie ein Optimum der hydro­dynamischen Parameter gesucht. Das verblüffende Resultat ist ein stark vereinfachter Apparat ohne Statoreinbauten, der als Hybrid aus einem Rotating Disc Contactor und einem Taylor-Couette-Reaktor gesehen werden kann, der Taylor-Couette Disc Contactor. Die Unterteilung in einzelne Mischkammern (Compartments) ist bezüglich der axialen Vermischung am effizientesten, wenn die Statorscheiben entfernt werden und der Rotordurchmesser erhöht wird. Die Abtrennung der Kammern wird so zur Gänze von den Rotorscheiben übernommen. Wird der Abstand zwischen Rotorscheiben (HC) richtig gewählt, können die Rotorscheiben als konstruktive Stützung instabiler Taylorwirbel eines Taylor-Couette Reaktors genutzt werden. Die konstruktive Eingrenzung der Toruswirbel löst zwei wesentliche Probleme, die Taylor-Couette-Reaktoren für die industrielle Umsetzung bisweilen ungünstig erscheinen ließen. Zum Ersten kann der Zylinderspalt bzw. das aktive Reaktorvolumen signifikant vergrößert werden. Das Wirbelmuster kann ohne Bildung von nichtdurchmischten Totbereichen bis DW ≥ 0,5∙DK aufrechterhalten werden. Zum Zweiten wird Regimewechsel der Toruswirbel durch die Rotorscheiben unterbunden. Die turbulenten Taylor-Couette Wirbel können im Extraktor auch im zweiphasigen Gegenstrom über den gesamten Betriebsbereich stabil aufrechterhalten werden. Der Taylor-Couette Disc Contactor weist im zweiphasigen Betrieb eine zusätzliche Betriebscharakteristik auf, die in etablierten gerührten Kolonnentypen nicht zu beobachten ist bzw. nur mit hohem konstruktiven Mehraufwand zu bewerkstelligen ist. Durch die Erhöhung des Rotordurchmessers werden an der Unterseite der Rotoren dynamische Settlerzonen reko­aleszierter disperser Phase ausgebildet (siehe Abb. 1), welche die Rehomogenisierung des gesamten Tropfenschwarms erzwingen. Die Abfolge von Tropfenneubildung an den Rotorkanten, Mischen in den turbulenten Toruswirbeln (Mixer-Zone) und Rekoaleszenz in den dynamischen Settlerzonen ermöglicht die Realisierung des Mixer-Settler-Prinzips in jedem Compartment. Erhöhung der Drehzahl bewirkt sowohl eine Intensivierung der Mixer-Zone als auch eine Vergrößerung der dynamischen Settler-Zone.
Im Vergleich zum klassischen Rotating Disc Contactor weist das vereinfachte statorlose Design sowohl bezüglich der Hydrodynamik als auch bezüglich der praktischen Handhabung eine Reihe von Vorteilen auf. Neben der geringeren axialen Dispersion der kontinuierlichen Phase, werden auch die hydrodynamsichen Parameter der dispersen Phase begünstigt. Das Gebiet höchster Energiedissipation und höchster Tropfenbruchwahrscheinlichkeit im Bereich der Rotorspitzen befindet sich in der klassischen RDC- Ausführung zentral im Compartment. Sedimentierenden Tropfen wird viel Raum zum Umgehen dieser Bereiche zur Verfügung gestellt, was zu breiten Tropfen­größenverteilungen und ungleichmäßigen Sedimentationsgeschwindigkeiten führt. Im Gegensatz dazu wird im TCDC der gesamte Tropfenschwarm geometriebedingt durch das Gebiet hoher Bruchwahrscheinlichkeit bzw. Redispergierung geleitet, was eine homogenere Tropfengrößenverteilung zur Folge hat, die Entstehung und die Akkumulation von Kleinsttropfen wird unterbunden. Zudem bewegen sich die sedimentierenden Tropfen auf geordneteren Bahnen und sind lokal immer im Gleichstrom mit der kontinuierlichen Phase. Obige Effekte wirken sich neben der Minimierung der axialen Vermischung auch positiv auf die Flutgrenze aus, wie in Belastungsversuchen experimentell bestätigt wurde. Die optimierte Hydrodynamik beider Phasen führt aufgrund des Zusammenhanges mit dem Stofftransport auch zu einer Erhöhung der Trennleistung, was in Stoffaustauschversuchen gezeigt werden konnte. Durch den Verzicht auf Statorscheiben vereinfachen sich neben der Apparateauslegung auch die Reinigung und Wartung, da fouling bzw. Mulmbildung durch das Fehlen der Statorscheiben ausgeschlossen werden kann. Die Investitionskosten fallen durch die einfachere Bauweise und die Materialersparnis ebenfalls entscheidend geringer aus.

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