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Green Premium Effekt – Mythos oder Wirklichkeit?

Bio-basierte Chemikalien unterscheiden sich von Petrochemikalien vor allem im Preis

10.10.2012 -

Auf nachwachsenden Rohstoffen basierende, sogenannte bio-basierte Chemikalien haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung innerhalb der chemischen Industrie gewonnen. In den meisten Fällen hängen die Eigenschaften bio-basierter Chemikalien nicht von ihren Rohstoffen ab und sind somit auf molekularer Ebene den petro-basierten Chemikalien nahezu gleichzusetzen. Dennoch existieren deutliche Preisunterschiede zwischen bio- und petro-basierten Chemikalien.

Aufgrund der chemischen Substituierbarkeit haben sich bio-basierte Chemikalien zu einer ernstzunehmenden Alternative für ihre petro-basierten Pendants entwickelt. In Summe hat die Verwendung nachwachsender Rohstoffe für die Synthese chemischer Produkte, auch durch die Entwicklung innovativer Syntheseverfahren, an Bedeutung gewonnen. Verschiedene bio-basierte Produkte - wie z.B. Polymilchsäure - sind daher heute bereits im Markt etabliert.

Aktuell existieren jedoch signifikante Preisunterschiede zwischen bio- und petro-basierten Chemikalien, die auch mittel- und langfristig nicht durch einen anhaltenden Anstieg des Ölpreises kompensiert werden. Daher stellt sich die Frage, ob Konsumenten bereit sind für grüne Produkte langfristig einen Preisaufschlag - einen „Green Premium" - zu zahlen oder ob mittel- und langfristig bio-basierte Chemikalien zu einem vergleichbaren Preis angeboten werden müssen, um sich als Alternative zu petro-basierten Produkten zu etablieren.

Petro-basierte Rohstoffe - knapper werdend aber vor allem volatil!

Durch die Erschließung neuer, unkonventioneller fossiler Rohstoffvorkommen, z.B. Schiefergas in den USA oder Ölsand in Kanada, hat sich die Befürchtung der Rohstoffverknappung in den letzten Jahren verringert. Jedoch erschwert die hohe Preisvolatilität der fossilen Rohstoffe eine langfristige Planung und stellt für die chemische Industrie eine nicht zu unterschätzende Bürde dar. Daher lässt sich die Verlagerung von petro- hin zu bio-basierten Rohstoffen als ein globaler Trend innerhalb der chemischen Industrie beobachten, welcher sich in den nächsten Jahren noch verstärken wird.

Verändertes Konsumverhalten und Regulation treiben bio-basierte Nachfrage

Wachsende ökologische Bedenken, z.B. die zunehmende Umweltverschmutzung und die zum Klimawandel beitragenden CO2-Emissionen, werden in den nächsten Jahren in einem veränderten Konsumentenverhalten und einem noch stärkeren Umweltbewusstsein resultieren. Dies führt zu einer stärkeren Nachfrage nach bio-basierten Produkten.

Zunehmende Verbote nicht-bioabbaubarer Plastiktüten, teilweise landesweit wie in China und Italien, teilweise in einzelnen Städten wie San Francisco oder Los Angeles, führt zu einer erhöhten Nachfrage nach abbaubaren Polymeren. Diese können sowohl ausgehend von bio- als auch petro-basierten Rohstoffen hergestellt werden, jedoch erlaubt die Verwendung nachwachsender Rohstoffe die Vermarktung eines komplett grünen und bioabbaubaren Produktes - dies erfährt eine besondere Wertschätzung von Konsumentenseite.

Signifikanter Kostenvorteil bei petro-basierten Chemikalien

Vergleichbare Produkteinführungen in der Vergangenheit haben gezeigt, dass Konsumenten neue Produkte jedoch nur dann akzeptieren, wenn diese mit dem ursprünglichen Produkt vergleichbare Eigenschaften aufweisen. Weiterhin ist eine konkurrenzfähige Kostenposition für eine langfristige Etablierung neuer Produkte notwendig. Während sich in den letzten Jahren die Eigenschaften bio- und petro-basierter Produkte durch intensive Weiterentwicklung von Syntheseverfahren angeglichen haben, besitzen petro-basierte Produkte weiterhin einen signifikanten Kostenvorteil - der Preis für bio-basierte Produkte liegt weit über dem Preis vergleichbarer petro-basierter Produkte.

Werden Preisaufschläge für bio-basierte Chemikalien langfristig akzeptiert?

Der große Preisunterschied zwischen bio- und petro-basierten Chemikalien wird von den Herstellern in Teilen an den Endkonsumenten weitergegeben und verteuert bestimmte Produktgruppen erheblich. Die Verwendung eines „grünen" Produktes erfordert heute die Akkzeptanz eines deutlichen Preisaufschlags. Diese Produkte besitzen eine oder mehrere „grüne Merkmale", z.B. biologische Abbaubarkeit oder Herstellung aus nachwachsenden Rohstoffen, die natürlich einen höheren Kaufpreis teilweise rechtfertigen. Jedoch stellt sich die Frage, ob der Verbraucher auch langsfristig bereit ist, hierfür einen Preisaufschlag zu akzeptieren und inwiefern diese Bereitschaft zusätzlich von der Anwendung des Produktes abhängt.

Aus unserer Erfahrung lassen sich grundsätzlich zwei Faktoren identifizieren, welche die Zahlungsbereitschaft beeinflussen - einerseits der funktionale Nutzen eines (teilweise) grünen Produktes, andererseits der Marketingnutzen durch Sichtbarkeit der grünen Komponente im Endprodukt.

Funktionaler- und Marketingnutzen treiben zusätzliche Zahlungsbereitschaft

Ein verbesserter funktionaler Nutzen stellt für bestimmte Anwendungen der Ersatz eines nicht-degradierbaren Polymers durch ein bio-abbaubares Polymer dar. Durch Verwendung eines bio-basierten und vor allem bioabbaubaren Produktes kann hier eine Optimierung der Eigenschaften, in diesem Fall der Abbaufähigkeit des Polymers, erzielt werden. Dies kann konkret für Produkte, wie z.B. degradierbare, landwirtschaftlich genutzte Folien oder bio-abbaubare Trinkbecher genutzt werden. Über diese zusatzliche Funktionalität kann wiederum eine erhöhte Zahlungsbereitschaft und somit Wert geschaffen werden. Eine andere Möglichkeit, die Wertigkeit eines grünen Produktes zu erhöhen ist der Marketingnutzen des grünen Bestandteils auf das Endprodukt.

Durch Verwendung eines „grünen Siegels", z.B. das Green-PE-Siegel von Braskem für bio-basiertes Polyethylen, wird die Sichtbarkeit des grünen Anteils im Endprodukt verbessert und erhöht somit indirekt dessen Wert bzw. die Zahlungsbereitschaft für das Produkt, auch wenn keine direkte Verbesserung der Funktionalität durch die Verwendung grüner Bestandteile erzielt wird. Bei Konsumenten wird in diesen Fällen insbesondere der Nachhaltigkeitsgedanke adressiert. Hier zeigt sich, dass die Sichtbarkeit des grünen Anteils in einem Produkt einen erheblichen Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft besitzt.

Ohne zusätzlichen Nutzen kein Premium - auch nicht für grüne Produkte!

Die Bereitschaft der Konsumenten, für eine teilweise aus nachwachsenden Rohstoffen bestehende Hutablage in Automobilen einen Preisaufschlag zu zahlen ist aufgrund der begrenzten Sichtbarkeit des grünen Anteils deutlich geringer als für einen vollständig bio-basierten und bio-abbaubaren Plastikbecher. Insgesamt ist nur dann eine erhöhte Zahlungsbereitschaft für ein „grünes" Produkt vorhanden, wenn entweder die Funktionaliät des Endproduktes durch die Verwendung grüner Bestandteile verbessert wurde oder die bio-basierten Bestandteile durch explizites Marketing klar erkennbar sind. Besteht kein erhöhter funktionaler Nutzen durch den Einsatz bio-basierter Chemikalien bzw. wird der grüne Charakter des Produktes nicht marketingtechnisch genutzt, so ist langfristig nicht davon auszugehen, dass Kunden ein Premium für das Produkt zahlen werden.

Welche Rolle spielen jedoch die grünen Eigenschaften eines Produktes im Vergleich mit anderen Entscheidungsfaktoren, z.B. Preis, Qualität sowie Verfügbarkeit? Konsumentenstudien zeigen, dass für die meisten Konsumenten der Endpreis der wichtigste Entscheidungsgrund für den Kauf einer Ware ist, gefolgt von der Qualität sowie der Verfügbarkeit. Eventuelle grüne Eigenschaften sind nur für eine Minderheit der Konsumenten von besonderem Interesse. Diese Rangfolge der Entscheidungsfaktoren ist vor allem für Industrieländer charakterisitisch. In vielen Entwicklungsländern, z.B. Brasilien, China und Indien, ist das Umweltbewusstsein stärker ausgeprägt und „grüne" Eigenschaften eines Produktes spielen eine wichtigere Rolle - hier lassen sich erstaunlicherweise höhere Marketing-getriebene Preisaufschläge realisieren.

Ausblick

Bio-basierte Chemikalien müssen heute und umso mehr in der Zukunft durch ihr Eigenschaftsprofil überzeugen. Das Erzielen eines dauerhaften „Green Premium" ohne Schaffung zusätzlichen Nutzens ist vor allem in den industrialisierten Ländern nicht möglich. Dies bedeutet nicht, dass bio-basierte Chemikalien eine düstere Zukunft haben. Hersteller bio-basierter Chemikalien sollten bei der Entwicklung neuer Produkte gezielt nach technischen Eigenschaften suchen, die zusätzlichen Kundennutzen in Endprodukten generieren können. In der Vermarktung existierender Produkte sollten Hersteller offen sein für alternative Nutzungsmöglichkeiten bzw. nach Anwendungsmöglichkeiten suchen, die eine höhere Wertschöpfung ermöglichen. Auf diesem Wege werden bio-basierte Chemikalien den Markt überzeugen und ihre Stellung ausbauen.