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Nutzen von Prolist-Merkmalleisten (NE 100) für Anlagenbetreiber und Anlagenbauer

Optimierung des Engineering-Workflows

06.12.2010 -

Eine der Anforderungen an die Feldgeräte von morgen, die Dr. Armin Bruckner von der BASF auf der Namur-Hauptversammlung im November 2007 formulierte, lautete: Nutzung genormter Gerätebeschreibungen, damit die Anlagenbetreiber oder Anlagenbauer PLT-Feldgeräte in einem standardisierten Vorgang bei den Herstellern bestellen können. Diese Anforderung wird schon heute durch die Inhalte der Namur-Empfehlung 100 (NE 100) und des darauf aufbauenden IEC-Normenentwurfs erfüllt. Dies konnte in den 16 Vorträgen gezeigt werden, die im Rahmen der Process Management Academy (PMA) Ende Januar 2008 von den Vertretern der Projektgruppe „Merkmalleisten" (Prolist) in der Namur vorgestellt wurden. Alle Präsentationen zeigten eindeutig, dass die Entwicklung der Prolist-Inhalte eine neue Etappe wie z.B. die Anwendung in Automatisierungsprojekten erreicht hat.

In den Vorträgen auf der PMA, die der ARC Europe veranstaltete, wurde darüber berichtet, welche Merkmalleisten und welche Werkzeuge schon fertig sind, was kann schon angewendet werden und wie das in mehreren bereits laufenden bzw. vorbereiteten operativen Planungsprojekten funktioniert.

Was ist Prolist bzw. Merkmalleisten?

Prolist wurde 2003 als Projektgruppe der Namur gegründet. Ihre Mitglieder sind Anwender- und Herstellerfirmen von PLT-Geräten und -Systemen wie auch CAE-System-Hersteller und Verbände der Automatisierung. Die Mitglieder von Prolist haben sich das Hauptziel gesetzt, die Vorgänge in den Prozessen des Engineerings, der Fertigung, der Beschaffung und der Betriebsbetreuung von PLT-Ausrüstung (Automatisierungs- und Elektroausrüstung) zu optimieren. Einer der Wege dahin ist eine standardisierte, einmal erstellte und EDV-verwaltete Gerätebeschreibung zu nutzen und diese über alle Vorgänge vollkommen automatisch und DV-gestützt ablaufen zu lassen und so eine manuelle Erstellung der Dokumentation weitgehend zu vermeiden. Als Ergebnis erhält man neben einer substanziellen Zeitersparnis eine heute nicht erreichbare hohe Qualität der Anlagendokumentation.Dies kann dadurch erreicht werden, dass sich Ingenieure, Techniker und Kaufleute für die Kommunikation untereinander der modernsten Technik für Datenübertragung bedienen, d.h. zusätzlich zu den standardisierten Merkmalen und Merkmalleisten auch der dazugehörigen Übertragungsstandards.

Das Datenmodell der Merkmalleisten der NE 100 basiert auf einem Datenmodell, das den internationalen Normenfamilien IEC 61360 und ISO 13584 entspricht. Diese Tatsache hat es ermöglicht, dass im Jahr 2005 der Prozess der Überführung der Inhalte der NE 100 in internationale Nomen bei IEC angestoßen wurde, was eine unabdingbare Voraussetzung für die notwendige globale Nutzung dieser Systematik ist. Heute ist der Teil 10 der Normenreihe IEC 61987 fast fertig. Darin wird die Merkmalleisten-Technik für PLT-Geräte beschrieben. Teil 11 derselben Normenreihe, der die Merkmalleisten für Messgeräte enthalten wird, ist im fortgeschrittenen Stadium. Weitere Teile der Normenreihe, die Merkmalleisten weiterer Gerätefamilien enthalten, werden folgen.

Für die Übertragung von Merkmalleisten (d.h. der Transaktionsdaten) von einem Rechner zum anderen hat sich Prolist für das XML-Format entschieden, weil es ein inzwischen weit verbreiteter, allgemein akzeptierter Standard für Informationsaustausch ist.

Prolist bietet nun zur Implementierung der Inhalte der NE 100 an:

  • standardisierte Merkmale,
  • standardisierte Merkmalleisten,
  • abgestimmte Workflows,
  • XML-Schema zur Datenübertragung und
  • Werkzeuge.

Ein vereinfachter Prolist-Workflow ist in Abb. 1 dargestellt. Die XML-Dateien werden darin durch geeignete Werkzeuge automatisch generiert, gelesen und verglichen.

Prolist stellt heute schon mehrere allgemein nutzbare Werkzeuge zur Verfügung:

  • Prolist-Datenbank,
  • PRO-SPEC (Ein Programm zur Erstellung und Lesen von Merkmalleisten und Sichten in XML-Form, der den Einstieg in die Merkmalleisten-Technik ermöglicht) und
  • PRO-VIEW (Visualisierung einer Merkmalleiste in XML-Form nach NE 100 in Tabellenform).

Folgende CAE-Systeme, die auf Seiten des Geräte-Anwenders (Kunden - siehe Abb. 1) die Schlüsselrolle spielen, besitzen eine eingebaute NE 100-Schnittstelle:

  • Comos PT von Innotec
  • Prodok von Rösberg
  • Smartplant Instrumentation von Intergraph (in Vorbereitung)
  • Andere CAE-System-Hersteller haben schon Kontakt zu Prolist aufgebaut.

Die Prolist-Merkmalleisten können nicht nur für Anfrage, Angebot und Bestellung genutzt werden, sondern auch als Bestandteil der Lieferbestätigung, des Lieferscheins und für andere Zwecke, z.B. für die Erstellung des Eigensicherheitsnachweises für Ex-i-Geräte. Siehe hierfür den Life-Cycle-Worflow in Abb. 2.
Auch bei den Herstellern der PLT-Geräte werden auf Basis der NE 100 die unterschiedlichsten Projekte durchgeführt, in denen die Strukturen der eigenen Datensysteme auf die Strukturen der NE 100 abgebildet (gemappt) werden. Bis zur Fertigstellung dieser Arbeiten wird die Abwicklung der Geschäftsprozesse mit Unterstützung von PRO-SPEC umgesetzt werden. Unter den Herstellern besonders gut vorbereitet sind die Mitglieder von Prolist.

Der Nutzen der Merkmalleisten

Auf die Vorteile aus der Nutzung der Merkmalleisten-Technik bei den Geräte-Herstellern wurde auf der PMA 2008 ebenfalls eingegangen. Die standardisierten Austauschformate reduzieren die Komplexität des Angebotsprozesses und damit die IT-Kosten. Die Merkmalleisten-Technik verbessert die Qualität der operativen Prozesse, weil die Fehler durch manuelle Dateneingabe auf das Minimum reduziert werden. Durch die Nutzung der Inhalte der NE100 lässt sich der operative Aufwand um bis zu 25 Min. pro Produkt in Abhängigkeit von der Komplexität des Produktes reduzieren.

Vor dem vorgestellten Hintergrund liegt es nahe, die Merkmalleisten von Prolist zur Optimierung der eigenen Planungs- und Betriebbetreuungsprozesse operativ zu nutzen. Die ersten Firmen haben schon damit vor einem Jahr begonnen. Allen voran die BASF mit dem CAE-System Prodok von Rösberg und einer Reihe von Geräteherstellern. Evonik Degussa wird dieses Jahr das erste Projekt mit Nutzung der Merkmalleisten-Technik starten.

Die Vorteile durch Nutzung der NE 100 Merkmalleisten aus Sicht der Geräte-Anwender liegen auf der Hand:

  • Möglichkeit zur Optimierung der Datenintegration von der Planung über die Beschaffung, Inbetriebnahme bis hin zur Instandhaltung
  • Straffung des Engineering-Prozesses bei der Planung und der Betriebsbetreuung
  • Wegfall der Stammdateneingabe für das eigene CAE-System
  • Reduktion der Transaktionskosten (5-15%)
  • Erhöhung der Datenqualität (keine Tippfehler)
  • Reduktion des Aufwandes bei der Erstellung der Anlagendokumentation (Investment) und des Pflegeaufwandes der Anlagendokumentation (Instandhaltung)
  • Keine Pflege für eigene Formulare und Datensysteme
  • Bessere Vergleichbarkeit der Gerätedaten bei Angeboten
  • Kompatible Schnittstelle zur SAP-Welt, andere ERP-Systeme ebenfalls umsetzbar

Mit den Ergebnissen der NE 100 lassen sich nicht nur bei den Anwendern und Herstellern Vorteile erzielen. Die Ingenieurbüros (Kontraktoren) können ebenfalls für sich selbst und ihre Kunden zur Hebung eines Mehrwerts beitragen.

Nutzung der Merkmalleisten-Technik

Es liegt nun an den Firmen, die Geräteanwender sind, besonders an den Unternehmen der Prozessindustrie und den Kontraktoren, den Startschuss für eine breite Nutzung der Merkmalleisten-Technik nach NE 100 zu geben, in dem sie sich entscheiden, ihre Anlagendokumentation nach NE 100 erstellen bzw. weiterführen zu lassen. Viele Geräte-Hersteller sind bereit, die Merkmalleisten nach NE 100 mit den Kunden auszutauschen, aber die Kunden müssen dies wünschen. Dasselbe betrifft die CAE-System-Hersteller, die die NE 100-Schnittstelle noch nicht realisiert haben. Sie warten auf eine Aufforderung von Seiten der System-Nutzer, die NE 100 zu implementieren.

Zur Einführung der Merkmalleisten-Technik in einem Unternehmen, egal ob das ein Geräteanwender oder ein Hersteller von PLT-Geräten ist, sind drei Schritte notwendig:

  • Business Process Reengineering (BPR - Analyse von eigenen Prozessen mit dem Ziel, die Stellen zu ermitteln, in denen die Merkmalleisten-Technik Vorteile bringt)
  • Mapping der Stammdatenstrukturen der eigenen Systeme mit den Merkmalleisten der NE 100
  • Anbindung an IT (Nutzung des XML-Schemas)

Den letzten Punkt erledigen bei den Geräte-Anwendern die CAE-Systeme mit der NE 100-Schnittstelle.

Es ist also genau jetzt der richtige Moment, in die Merkmalleisten-Technik einzusteigen, weil die benötigten Inhalte und Werkzeuge zur Verfügung stehen und die Bereitschaft der Geräte- und der CAE-System-Hersteller für die Nutzung der Merkmalleiste gegeben ist. Die Prolist-Mitglieder unterstützen alle Neueinsteiger in ihrem Vorhaben. Zur Kontaktaufnahme steht die Prolist-Geschäftsstelle (prolist@namur.de) zur Verfügung.

Prolist wird ihre Organisationsform ändern und demnächst als Prolist International firmieren. Deswegen organisiert Prolist am 9. und 10. Juni 2008 in Mannheim einen Membership Day, der den Nutzen des Prolist-Portfolios für die Chemie- und Hersteller-Unternehmen aufzeigen und die Möglichkeit bieten wird, die Erfahrungen in der Anwendung der NE 100 mit anderen Anwendern auszutauschen. Dort wird über den Stand der Prolist-Entwicklung sowie über die Vorteile, Weiterentwicklung, Zertifizierung, Tools und Trainings informiert. Die Veranstaltung soll insbesondere dazu dienen, die gemeinsame Basis um Neumitglieder zu erweitern, die damit an dem sich realistisch abzeichnenden wirtschaftlichen Erfolg partizipieren können. Die Teilnahme am Membership Day ist kostenlos. Anmeldungen nimmt die Prolist-Geschäftsstelle entgegen.