Anlagenbau & Prozesstechnik

Messen schafft Wissen, Wissen führt zu Innovationen

Online-Überwachung der mikrobiologischen Wasserqualität

05.02.2016 -

Neue Anwendungen für ein automatisiertes Verfahren der österreichischen Firma VWM, das erstmals eine Online-Überwachung der mikrobiologischen Wasserqualität ermöglicht.

Vor mehr als 100 Jahren hat Robert Koch das Anzuchtverfahren zum Nachweis von Bakterien entwickelt, was damals ein entscheidender Durchbruch war. Diese Neuerung ermöglichte es erstmals die mikrobiologische Qualität des Wassers zu bestimmen, eine sichere Trinkwasserversorgung zu gewährleisten und dadurch Krankheiten und Epidemien zu vermeiden. Seither hat sich kaum etwas an dieser Nachweismethode verändert. Zur Bestimmung der bakteriellen Belastung müssen Proben auch noch heute in zeitaufwändiger Laborarbeit aufbereitet und analysiert werden. Die (Wasser-) Industrie hat sich hingegen weiterentwickelt. Nachhaltigkeit, effiziente Nutzung von Ressourcen, Automatisierung und Monitoring sind die aktuellen Schlagwörter. Die verfügbaren Technologien und auch die gestellten Anforderungen haben sich in den letzten 100 Jahren deutlich weiterentwickelt, besonders in Hinsicht auf schnelle Verfügbarkeit prozessrelevanter Daten. Eine neue Technologie schafft hier viele Möglichkeiten.

Online Messung
Die Online-Messung wichtiger Prozessparameter und deren automatisierte Verarbeitung zur Qualitätskontrolle, aber auch zur Steuerung und Regelung von Prozessen, ist heute Stand der Technik. Im Bereich der Wasseranalyse können physikalische und chemische Eigenschaften ohne weiteres online erfasst und automatisiert verarbeitet werden. Messungen zur mikrobiologischen Belastung hingegen stehen derzeit nicht online zur Verfügung und können daher (obwohl als entscheidender Qualitätsparameter von großer Bedeutung) nicht in die automatisierte Prozesssteuerung eingebunden werden. Standardmäßig wird der Grad der mikrobiologischen Belastung von Wasser im Labor in einem manuell durchgeführten Anzuchtverfahren ermittelt. Aufgrund des Verfahrens liegen die Ergebnisse erst nach 18 bis 72 Stunden vor und somit können Prozesse erst im Nachhinein und mit einer groben zeitlichen Auflösung überprüft werden. Diese Tatsache führt dazu, dass Prozessstufen zur Elimination von Mikro­organismen in Wasser mit einem höheren Energie- bzw. Chemikalienaufwand als notwendig betrieben werden, um sicherzustellen, dass in jedem Fall eine ausreichende Wasseraufbereitung bzw. Reinigung gegeben ist.
Die Firma VWM aus Zwerndorf in Österreich arbeitet seit 2010 an der Entwicklung eines automatisierten Verfahrens, das erstmals eine Online-Überwachung der mikrobiologischen Wasserqualität ermöglicht.
Nach ersten grundsätzlichen Versuchen, der sukzessiven Verbesserung und Automatisierung der Messung, der Weiterentwicklung der nötigen Reagenzien und wissenschaftlich begleiteten Feldtests, steht mittlerweile ein gut erprobtes und einsatzfähiges Industriegerät zur Online-Messung der mikrobiologischen Wasserqualität zur Verfügung.
Das Industriegerät (IP65) kann ohne großen Aufwand in Prozesse integriert werden. Es verfügt standardmäßig über 2 Probenkanäle, daher kann nicht nur der Verlauf der mikrobiologischen Belastung mit hoher zeitlicher Auflösung bestimmt, sondern auch die Wirkung einzelner Prozessschritte, durch abwechselnde Vorher-Nachher-Messung, überwacht werden. Die Proben werden dabei automatisch vom Gerät verarbeitet, lediglich die Verbrauchsmaterialien müssen spätestens nach 1200 Messungen wieder aufgefüllt werden. Das Auslösen einer Messung oder die Programmierung der gewünschten Mess­intervalle kann am Gerät oder wahlweise auch ferngesteuert erfolgen, auch der Verlauf der Messergebnisse kann, direkt vom Schreibtisch aus, überwacht werden. Natürlich können, wenn gewünscht, Benachrichtigungen gesendet werden. Parallel dazu können Status und Messwert vom Gerät auch direkt an ein Leitsystem übergeben werden.

Stoffwechsel von Bakterien
Im Gegensatz zur klassischen Nachweis­methode, die auf dem Bakterienwachstum beruht und daher nicht beschleunigt werden kann, basiert die neue Methode auf der hochgenauen Messung der vorhandenen Stoffwechsel­aktivität der entsprechenden Mikroorganismen. Der neue Parameter ist also ebenfalls direkt mit dem Vorhandensein der Mikroorganismen verknüpft, hat aber den Vorteil, dass zur Bestimmung nicht auf das Wachsen der Bakterien gewartet werden muss. Für einzelne Arten von Mikroorganismen oder ganze Gruppen wurden spezielle Reagenziensysteme entwickelt, die es erlauben, je nach verwendetem Reagenz mit demselben Gerät spezifisch die Aktivität der gewünschten Zielorganismen zu messen.

Standardisierte Messwerte
Unabhängig vom gewählten Messparameter sind die Messgeräte der VWM auf wissenschaftlich definierte Einheiten kalibriert. Die Ergebnisse der Messungen werden also nicht in firmenspezifischen Einheiten angegeben, sondern in den jeweiligen, der wissenschaftlichen Definition entsprechenden Absolutwerten angezeigt. Im Falle des Nachweises von E. coli, wird das Messergebnis in mMFU/100 ml angegeben, basierend auf der wissenschaftlichen Definition der Glucuronidase-Aktivität in „Modified Fishman Units“ (nach William H. Fishman). Die Methode zum Nachweis der mikrobiellen Belastung in Wasser wurde erstmals im CITplus in der Ausgabe 12/2013 (S. 15-16) präsentiert, erste Anwendungsbeispiele finden sich in CITplus 1+2/2015, S. 21-23. Die Angabe der Messergebnisse in Absolutwerten bildet die Basis für den Aufbau von Know-how in der Weiterentwicklung von Prozessen. So können Erkenntnisse von einer Anlage auf eine andere übertragen werden. Sie stellt auch die Voraussetzung für mögliche Standardisierung und Festlegung von gesetzlichen Richt- und Grenz­werten dar.

Lebensmittelindustrie
Ein anschauliches Anwendungsbeispiel ist der Einsatz in der Lebensmittelindustrie, bspw. die Verarbeitung von Obst und Gemüse. Früchte werden nach der Ernte in Waschanlagen gewaschen, bevor sie weiterverarbeitet werden. Nach Durchlaufen der Waschanlage muss sichergestellt sein, dass sie sauber, also nicht mehr keimbelastet sind. Dies wird traditionell im Labor überprüft und die jeweilige Produktionscharge wird erst nach Vorliegen der Laborergebnisse freigegeben. Bei permanenter Online-Überwachung der Keimbelastung im Waschwasser kann dagegen sofort reagiert werden. Steigt die Keimbelastung im Wasch­wasser, wird das Wasser getauscht, ist keine Belastung vorhanden kann Wasser gespart werden. Neben dem gezielten und damit effizienten Einsatz von Wasser kann zusätzlich das Risiko kontaminierter Chargen extrem reduziert oder ganz ausgeschlossen werden. Das neue Verfahren ersetzt hier also nicht die gesetzlich vorgeschriebenen Kontrollen, es ermöglicht jedoch dem Betreiber die Prozesskosten zu senken und gleichzeitig das Risiko des Verlustes ganzer Produktionschargen zu minimieren.

Gesamtkeimzahl
Im vergangenen Jahr hat VWM die Reagenzien für einen neuen Messparameter, zur Messung der Alkaline-Phosphatase-Aktivität, entwickelt. Dieser Messwert stellt einen Indikator für das Vorhandensein lebender Organismen dar und ist vergleichbar mit dem klassischen Parameter der Gesamtkeimzahl. Er ist ein Maß für die Aktivität aller lebenden Organismen in der Probe und für die Möglichkeit, dass diese Organismen wachsen und sich vermehren, was in vielen Anwendungen unerwünscht ist. Die Lebensmittel­industrie, die Produkte haltbar machen will, ist hier nur ein Beispiel für potentielle Anwender. Dieser Parameter hat sich als hoch empfindlich herausgestellt, schon geringste Spuren von mikrobiologischer Belastung führen zu starken Messsignalen. Daher ist es bspw. möglich, die unterschiedliche mikrobiologische Aktivität in stillen Mineralwässern unterschiedlicher Hersteller zu vergleichen oder Wasserleitungssysteme hinsichtlich ihrer Keimbelastung zu überprüfen.

Kühlkreisläufe und Prozesswasser in der Industrie
Auch eine völlig andere Industriesparte, die Betreiber großer Kühlkreisläufe, wie Raffinerien, Wärmekraftwerke oder andere Großindustrien, hat ebenfalls großes Interesse an der automatischen Messung der mikrobiologischen Belastung ihrer Kühl- und Prozesswässer. Eine Verkeimung derselben bringt nicht nur erhebliche Einbußen im Wirkungsgrad von Wärmetauschern (Biofilm), auch die Instandhaltungskosten können, aufgrund von Bio-Korrosion und Ablagerungen extrem ansteigen, wenn die Mikrobiologie des Systems „nicht stimmt“. Bei offenen Kühlkreisläufen kommt im Falle einer Verkeimung des Kühlwassers, noch die Gefährdung der umliegenden Bevölkerung dazu. Auch hier wird die Gesamtkeimzahl gemessen, weil diese z. B. auch Biofilm, Algen, etc. erfasst.

Abwasseraufbereitung
Für die Aufbereitung von kommunalem Abwasser werden verschiedene Verfahren eingesetzt. Je nach Methode werden unterschiedliche Wirkungsgrade bei der Elimination von bakterieller Kontamination erreicht. Zur Überwachung der Qualität einzelner Prozesse ermöglicht der Coli­Minder, Informationen bezüglich der Wirksamkeit einzelner Prozesse in Echtzeit zu verfolgen und bietet dem Anwender/Betreiber damit einen völlig neuen Einblick. Auf Basis dieses Wissens können Prozesse verbessert und effizienter und sicherer betrieben werden. Auch die Entwicklung neuer Prozesse zur Keimelimination wird dadurch möglich. In Abb. 2 ist der zeitliche Verlauf der E.coli-Belastung von Abwasser einer kommunalen Kläranlage dargestellt. Die Messungen erfolgten jeweils vor und nach einer Ozonbehandlung wobei die Leistung des Ozongenerators variiert wurde. Leider fehlen uns die Angaben zur jeweiligen Leistung des Ozongenerators die Änderung in der Desinfektionswirkung ist jedoch deutlich erkennbar.

Filtration
Eine vielversprechende Anwendung der mikrobiologischen Online-Messung stellt die Überprüfung der Integrität von Membranfiltrationsanlagen dar. Im Betrieb derartiger Anlagen wird laufend zwischen einzelnen Filtrationsmodulen umgeschaltet, um diese Module rückzuspülen, auf Schwankungen des Durchsatzes zu reagieren, aber auch um zu vermeiden, dass einzelne Module zu lange „unbenützt“ bleiben. Jedes Mal, wenn ein Modul wieder zugeschaltet wird, müsste überprüft werden, ob das Permeat (=Flüssigkeit (Wasser) nach Durchdringen eines Feststoffes (Filter)) auch den mikrobiologischen Qualitätsanforderungen entspricht. Bei mehreren Schaltzyklen pro Tag ist das eine, mit klassischen Labormethoden nicht zu bewältigende Aufgabe. Um eine derartige Anlage im laufenden Betrieb zu untersuchen bzw. die geforderte Qualität sicherzustellen, ist eine Methode erforderlich, die in der Lage ist, die mikrobiologische Belastung des Permeats mit einer Frequenz zu messen, die in der Größenordnung der Umschaltfrequenz zwischen den Membranmodulen liegt. Abb. 3 zeigt den Messwertverlauf im Permeat einer Ultrafiltrationsanlage vor und nach der Reparatur defekter Membranmodule, die Messfrequenz betrug hier bis zu 75 Messungen pro Tag.
Die gezoomte Darstellung des Messzeitraumes nach der Fehlerbehebung zeigt, dass immer noch Unterschiede zwischen einzelnen Modulen zu erkennen sind. Erst nach einer weiteren Behandlung des Permeats durch Ozonierung, Aktivkohlefilter und UV-Desinfektion wird das Messsignal „glatt“.

Erdöl
Ein weiteres Anwendungsfeld, auf dem bereits erste erfolgreiche Tests absolviert wurden, ist die Erdölproduktion. Vom gesamten Fördervolumen wird hier, je nach Beschaffenheit der Lagerstätte, bis zu 90 % Formationswasser (= In Erdöl- und Erdgaslagerstätten vorkommendes Salzwasser, welches bei der Förderung zu Tage tritt) gefördert. Nach entsprechender Aufbereitung wird dieses als Injektionswasser (= Aufbereitetes Formationswasser, das wieder in die Lagerstätte gepresst wird, um das noch vorhandene Öl aus der ­Lagerstätte zu gewinnen) wieder in die Lagerstätte zurück verpresst. Die mikrobiologische Qualität ist hier von entscheidender Bedeutung, da eine bakterielle Belastung zu Sauergasbildung, Korro­sion der Fördereinrichtungen und anderen Produktionsproblemen führen kann. Da es sich hier um nicht unerhebliche Wassermengen handelt, welche aufbereitet werden müssen, ist der effiziente Einsatz von Ressourcen in der Behandlung entscheidend für die Rentabilität einer Förderstelle. Auch hier besteht ein erhebliches Potential zum Einsatz der VWM Technologie zur raschen und automatisierten Messung der mikrobiologischen Belastung des Wassers.

Fazit
Die neue Technologie ermöglicht es, die mikrobiologische Wasserqualität „genauso“ wie andere wichtige Prozessparameter online zu messen. Diese Information ermöglicht ein besseres Verständnis der Gegebenheiten, des mikrobiologischen Status quo von Anlagen und Prozessen. Dadurch bildet diese Technologie eine neue Basis für eine Weiterentwicklung und Verbesserung von Prozessen, Entwicklung neuer und effizienterer Methoden in all den Anwendungen, in denen die mikrobiologische Qualität von Wasser von Bedeutung ist.

Kontakt

VWM GmbH Vienna Water

Dorfstrasse 17
2295 Zwerndorf
Österreich