Anlagenbau & Prozesstechnik

Ende der Trockenzeit?

11.07.2013 -

Ende der Trockenzeit? Transfer einer Pharmaprodukt-Pipelin. Bekanntlich sehen sich zahlreiche große Pharmaunternehmen damit konfrontiert, dass ihre eigenen, am Markt eingeführten Produkte wegen ablaufender Patente auf erheblichen Wettbewerb durch Generika stoßen, die sich neu auf den Markt drängen.

Dies führt regelmäßig zu massivem Preisdruck und entsprechenden Umsatzeinbrüchen bei den Originalpräparaten. Hinzu kommt, dass bei vielen Pharmaunternehmen der Produktnachschub aus der eigenen „Forschungs-Pipeline", d. h. neue Arzneimittel, die sich in der Entwicklung bzw. im Zulassungsverfahren befinden, Mangelware sind.

Produktpipelines etablierter Pharmaunternehmen trocknen zunehmend aus. Umgekehrt tummeln sich auch in Deutschland seit spätestens Mitte/Ende der 90er Jahre viele junge Biotechnologieunternehmen, die sich zum Ziel gesetzt haben neue, oft biotechnische Wirkstoffe für Arzneimittel zu erforschen und entwickeln.

Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, wenn man immer wieder von spektakulären „Deals" liest, bei denen sich große Pharmaunternehmen die Rechte an solchen neuen Wirkstoffen sichern, um nach Abschluss des Zulassungsverfahrens das neue Arzneimittel vermarkten zu können.

 


Unternehmenserwerb oder Lizenz?

Denkbar ist natürlich zunächst, dass ein Pharmaunternehmen das „kleinere" Biotechnologieunternehmen insgesamt kauft, um sich so alle Rechte, d.h. Patente und andere betriebsgeheime Forschungsergebnisse endgültig zu sichern.

Dies kann entweder durch einen Erwerb der Gesellschaftsanteile (Share- Deal) oder sämtlicher Vermögensgegenstände des Unternehmens einschließlich der betreffenden Produktrechte (Asset-Deal) geschehen.

Soweit an dem Biotechnologieunternehmen Investoren aus dem Venture-Capital-Bereich beteiligt sind, dürfte eine solche Gestaltung sogar bevorzugt werden, da sie die sauberste Variante des letztlich angestrebten „Exit" darstellt.

Dennoch kommen solche Transaktionen eher selten zustande, weil sie eine abschließende Einigung über den Kaufpreis und meist auch dessen zeitnahe Bezahlung implizieren.

Das hohe Risiko, dem die Produktentwicklung etwa aufgrund auftretender Nebenwirkungen oder anderer Komplikationen noch ausgesetzt ist, halten Erwerber jedoch davon ab, gleich bei Vertragsabschluss den vollen Kaufpreis zu zahlen.

Außerdem möchte der Erwerber in vielen Fällen lediglich Rechte, nicht einen ganzen Geschäftsbetrieb inklusive Mitarbeiter, erwerben. Als Alternative bietet sich deshalb die Gestaltung des Technologietransfers als Lizenz an.

Dabei räumt die Biotechnologiegesellschaft dem Pharmaunternehmen das Recht ein, die Technologie, die zugunsten des Biotechnologieunternehmens patentiert ist bzw. allein ihm zugängliches Know-How, zur weiteren Produktentwicklung und späteren Vermarktung zu nutzen. In der Regel legt das Pharmaunternehmen dabei Wert darauf, diese Rechte im Rahmen einer exklusiven Lizenz allein nutzen zu können.

Bei den hohen Aufwendungen, die für die weitere Entwicklung des Arzneimittels bis zur Zulassung häufig in einer Höhe von mehreren Hundert Mio. € anfallen, würde sich das Investment nicht lohnen, wenn das Pharmaunternehmen damit rechnen müsste, dass später auch die Biotechnologiegesellschaft selbst oder mögliche weiter Lizenznehmer als Konkurrenten auftreten würden.

Dies wäre aber der Fall, wenn das Pharmaunternehmen lediglich eine nichtexklusive Lizenz erhielte.

 


Forschungs- und Entwicklungskooperation

Neben dem Kern eines derartigen Technologietransfers, nämlich der Nutzungsgestattung patentierter Rechte oder betriebsgeheimen Know-Hows, enthalten die Lizenzverträge oft auch Regelungen über eine fortdauernde Kooperation.

Dies bietet sich insbesondere an, wenn es um einen so genannten Early-Stage- Deal geht, bei dem weitere präklinische Testreihen und später die gesamte klinische Entwicklung noch ausstehen und hierzu das spezielle Know-How der Erfinder aus dem Biotechnologieunternehmen erforderlich ist.

Die Verträge enthalten dann meist detaillierte Bestimmungen über Art und Umfang der Zusammenarbeit, Arbeitsprogramme bzw. Pflichtenhefte der Beteiligten sowie Abstimmungsmechanismen.

 


Einmalzahlung, Meilensteinzahlungen, Lizenzgebühren

Ein zentraler Regelungskomplex aller Technologietransferverträge ist die dem Lizenzgeber, in diesem Falle dem Biotechnologieunternehmen, zu zahlende Vergütung.

In der Regel besteht diese aus drei Elementen, nämlich einer bei Vertragsabschluss fälligen Einmalzahlung (Upfront Payment), Meilensteinzahlungen, die jeweils bei Erreichen bestimmter Entwicklungsfortschritte zu entrichten sind, sowie umsatzbezogene Lizenzgebühren (Royalties), die bei der Vermarktung des später zugelassenen Arzneimittels anfallen.

Grundlage der Festlegung dieser Vergütung ist stets eine Bewertung der bei der späteren Produktvermarktung zu erwartenden Ergebnisbeiträge. Größte Unsicherheitsfaktoren sind dabei das auch in einem späten Stadium der klinischen Prüfungen immer noch signifikante Risiko des Scheiterns des Projekts sowie die Frage, in welchem Umfang sich das zugelassene Arzneimittel mit Wettbewerbsprodukten auseinandersetzen muss.

Die Tatsache, dass in den meisten Fällen auch bei optimalem Verlauf aller weiteren Entwicklungsarbeiten erst nach mehreren Jahren mit der Marktzulassung des Arzneimittels zu rechnen ist, macht deutlich, auf welch unsicherem Boden sich die Bewertungsparameter bewegen. Hier bleibt viel im Spekulativen.

Dementsprechend wird das Pharmaunternehmen bestrebt sein, einen Großteil der erfolgs- bzw. umsatzbezogen Vergütung erst dann zu zahlen, wenn zumindest signifikante Entwicklungsziele erreicht wurden oder sogar schon Verkäufe stattfanden.

 


Bestmögliche Entwicklung und Vermarktung

Neben einer auskömmlichen Vergütung ist dem Biotechnologieunternehmen daran gelegen, dass das Pharmaunternehmen, dem nunmehr das Projekt überlassen ist, dieses auch tatsächlich sorgsam weiterentwickelt und nicht nur „in der Schublade" liegen lässt.

Deshalb wird in der Regel vereinbart, dass, wenn das Pharmaunternehmen die Entwicklung oder spätere Vermarktung einstellt, die Vermarktungsrechte an den Lizenzgeber zurückfallen.

 


Mögliche Rechte Dritter

Über jeder Vermarktung, gerade im patentrechtrechtlich hart umkämpften Bereich der Pharmawirkstoffe, schwebt das Damoklesschwert möglicher, bislang übersehener Rechte Dritter, die unvermutet geltend gemacht werden. Neuerdings tummeln sich hier sogar so genannte „Patent- Trolle", d. h.

Unternehmen, die sich allein zu dem Zweck ein Schutzrechtsportfolio zusammenkaufen, um damit gegen am Markt etablierte Produkte vorzugehen und letztlich die Zahlung von Lizenzgebühren durchzusetzen.

Auch für solche Situationen sollte der Lizenzvertrag vorsorgen und eine Risikoabwägung treffen, wer in welchem Umfang für Drittlizenzen sowie für die Kosten gegebenenfalls erforderlicher Prozesse aufkommen muss.

 


Funktionierender Technologietransfer

Trotz der nur ansatzweise geschilderten Komplexitäten und Widrigkeiten gibt es zahlreiche Transaktionen, mittels derer Biotechnologiegesellschaften Pharmaunternehmen Rechte zur weiteren Entwicklung und Vermarktung biotechnisch hergestellter oder neuer chemischer Substanzen einräumen und so die austrocknende Pipeline der Pharmaunternehmen auffüllen.

Bei der Gestaltung und Verhandlung der betreffenden Verträge ist jedoch größte Sorgfalt geboten, um die zahlreich umherliegenden Fallstricke zu meiden.

 


Kontakt:
Dr. Gottfried Freier

Kaye Scholer, Frankfurt am Main
Tel.: 069/25494-110
Fax: 069/25494-444