Strategie & Management

Lenzing ist Experte für holzbasierte Cellulosefasern und Innovationsführer

CHEManager-Interview mit Stefan Doboczky, CEO des österreichischen Faserherstellers Lenzing

14.01.2019 -

Als Produzent von Zellstoff und Fasern steht die österreichische Lenzing-Gruppe am Anfang der Wertschöpfungskette zur Produktion von Textilien und Vliesprodukten. Die von der Gruppe produzierten holzbasierten Cellulosefasern sind ein begehrtes hochwertiges Nischenprodukt im von erdölbasierten Synthesefasern dominierten Markt. Lenzing zählt hier weltweit zu den Innovationsführern und gilt als nachhaltigstes Unternehmen der Branche.

Gegenüber CHEManager erläutert Stefan Doboczky, CEO von Lenzing, das Erfolgsrezept und die Unternehmensstrategie. Die Fragen stellte Michael Reubold.

CHEManager: Herr Doboczky, Lenzing produziert Cellulosefasern für verschiedene Anwendungen, für die Sie unterschiedliche Produktmarken anbieten. Wie setzt sich Ihr Portfolio zusammen, wo investieren Sie und in welchen Bereichen erwarten Sie künftig das größte Wachstum?

Stefan Doboczky: Wir produzieren Fasern aus Holz, welche hauptsächlich in Textilien verwendet werden; konkret in Hemden, Blusen, Mänteln, Anzügen, Jeans, funktionaler Sportbekleidung, Unterwäsche, Bettwäsche, in flammenhemmenden Anzügen für Feuerwehrleute, für Autositze und vieles mehr. Es gibt in den Industrieländern und bei Ihren Lesern wohl kaum Menschen, die noch nicht mit Fasern von Lenzing – Viskose, Modal und Lyocell, in Berührung gekommen sind. Auch in den Schwellenländern erfreuen sich unsere Fasern zunehmender Beliebtheit.

Unsere Fasern werden aufgrund ihrer biologischen Abbaubarkeit zum Beispiel auch in Kosmetikartikeln, in Baby- und Damenhygiene, in Aufleitschnüren zur Aufzucht von Tomaten und Hopfen oder in Batterieseparatoren eingesetzt. In allen Bereichen sehen wir konstantes Wachstum.

„Das Wachstum des Segments
der holzbasierten Fasern liegt deutlich
über dem des Gesamtmarktes.“

Der Weltfaserverbrauch steigt im mittleren einstelligen Prozentbereich. Welches Marktwachstum erwarten Sie künftig für Ihre holzbasierten Cellulosefasern, die rund 6% Anteil am Gesamtfasermarkt aufweisen? Gelingt es Lenzing, schneller als der Markt zu wachsen?

S. Doboczky: Jeder von uns kauft im Jahr 33 kg an Textilien, Tendenz steigend. Einen Großteil davon werfen wir nach mehr oder weniger häufigem Gebrauch weg. Zudem gelangen beim Waschen von Bekleidung Mikropartikel ins Wasser und verschmutzen Flüsse und Meere. Beides ist eine enorme Umweltbelastung. Unsere Fasern minimieren diese Probleme, denn sie sind biologisch abbaubar. Sie haben auch besondere Eigenschaften, beispielsweise einen sehr guten Tragekomfort und wie unsere Fasern der Marke Tencel haben sie ein sehr gutes Feuchtigkeitsmanagement, das Sportler und Personen, die nachts stark schwitzen, sehr schätzen. Die Nachfrage nach unseren Fasern ist daher sehr groß und das Wachstum des Segmentes der holzbasierten Fasern liegt deutlich über dem des Gesamtmarktes.

Welche Gründe machen Sie für Ihren Markterfolg verantwortlich und welches betrachten Sie als die größten Herausforderungen?

S. Doboczky: Es sind die bereits erwähnten Gründe, die unseren Erfolg ausmachen: Die sehr gute Qualität unserer Fasern, die ressourcenschonende Produktion und die Modemarken sowie die Markenartikler im Hygiene- und Kosmetikbereich, die nach ökologischen Lösungen suchen.

Diesen Weg gehen wir weiter und da stellen sich genügend Herausforderungen. Eine davon ist, größere Mengen an Fasern zu produzieren.

Mit Ihrer Unternehmensstrategie sCore TEN haben Sie sich ehrgeizige Ziele gesetzt. Können Sie uns bitte die Eckpfeiler und Besonderheiten der Strategie erläutern?

S. Doboczky: Wir haben vor drei Jahren mit der Umsetzung unserer Unternehmensstrategie sCore TEN begonnen. Es ist für uns nicht mehr das Wichtigste, der größte Faserhersteller mit den meisten Marktanteilen zu sein, sondern in den attraktivsten Produktsegmenten eine entsprechende Wertschöpfung zu erzielen. Daher setzen wir den Fokus auf Spezialfasern. Hier ist die Nachfrage ungebrochen stark und die Preisentwicklung ist deutlich stabiler als bei Viskose.

Wir wollen mit unserer Strategie zudem den Kern unseres Unternehmens stärken, beispielsweise durch Anhebung des Eigenversorgungsgrades an Zellstoff von 56 auf etwa 75%, durch innovative Lösungen und durch eine intensivere Betreuung unserer Kunden und Partner in der gesamten Wertschöpfungskette wie Spinnereien, Webereien, Strickereien, Konfektionäre und Modemarken, vor allem eben durch intensiven Kontakt zu den großen Fashion-Brands.

Lenzing gilt als Innovationsführer. Erläutern Sie uns bitte Ihre Innovationsstrategie und nennen Sie jüngste Beispiele erfolgreicher Produkt- oder Technologieentwicklungen.

S. Doboczky: Wir haben eine gut gefüllte Pipeline an Produkt- und Prozessinnovationen. Unsere knapp 200 Mitarbeiter in der Forschung und unsere insgesamt 6.600 Mitarbeiter sind so innovativ, dass wir gar nicht alle Ideen weiter verfolgen können. In den vergangenen zwei Jahren haben wir gleich drei neue Produkte und Technologien vorgestellt: Erstens die Refibra Technologie, mit der wir die Zuschnittabfälle aus der Produktion von Baumwollbekleidung zu Faserzellstoff und zu neuen hochwertigen Lyocellfasern verarbeiten. Zweitens Tencel Luxe, ein Lyocell-Garn, das einen sehr guten ökologischen Fußabdruck hat, und aufgrund der Eigenschaften gerne in der Haute Couture als Ersatz für Seide und als Mischungspartner mit Kaschmir und anderen hochwertigen Fasern verwendet wird. Und drittens Ecovero-Fasern, nach dem EU-Ökolabel produzierte Viskosefasern, welche im fertigen Kleidungsstück als solche identifiziert werden können. Damit unterstützen wir den Trend zur Nachverfolgbarkeit der Rohstoffe bis ins fertige Produkt.

„Wir fühlen uns mit unserer Forschungsabteilung
in Österreich sehr gut aufgehoben.“

Welche Rolle spielt das Innovationsklima in Österreich und wie profitieren Sie von den dortigen Rahmenbedingungen für Forschung & Entwicklung?

S. Doboczky: Wir fühlen uns mit unserer Forschungsabteilung in Österreich sehr gut aufgehoben und von den zuständigen Institutionen sehr gut unterstützt. Das ist einer der Gründe, warum wir die Forschung in Lenzing konzentriert haben.

Der Begriff des nachhaltigen Wirtschaftens stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft. Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit als Innovationsmotor für Ihr Unternehmen, das seine Produkte aus dem Rohstoff Holz herstellt?

S. Doboczky: Nachhaltigkeit ist die Basis unseres Unternehmens. Daher ist sie auch systemisch in allen Innovationen verankert und ein wichtiger Treiber für neue Produkte und Prozesse. Sei es bei der kaskadischen Verwertung des Holzes in unserer Bioraffinerie, in der eben nicht nur Zellstoff für die Faserproduktion hergestellt wird, sondern auch Bioenergie und biobasierte Materialien wie Essigsäure und Holzzucker – oder bei neuen Fasern und Faseranwendungen.

Woher beziehen Sie Ihre Rohstoffe und wo verarbeiten Sie sie?

S. Doboczky: Das Holz, das wir in Lenzing und im tschechischen Paskov zu Zellstoff verarbeiten, kommt aus Österreich und den umliegenden Ländern. Zusätzlich kaufen wir Zellstoff aus anderen Kontinenten zu. Beide Rohstoffe stammen immer aus kontrollierten und zertifizierten Quellen und nicht aus borealen Wäldern oder aus Urwäldern.

„Die Kreislaufwirtschaft
liegt in der DNS
unseres Unternehmens.“

Die Zirkuläre Wirtschaft wird Unternehmen in vielen Branchen dazu zwingen, ihre Geschäftsmodelle und ihre Rolle in der Wertschöpfungskette zu überdenken. Inwieweit ist Lenzing als Unternehmen, das ein Naturprodukt verarbeitet, bereits Circular-Economy-fähig und welche Potenziale wollen Sie hier noch ausschöpfen?

S. Doboczky: Die Kreislaufwirtschaft liegt in der DNS unseres Unternehmens und daher unserer Einkaufs- und Produktionsprozesse. Indem wir Holz als Hauptrohstoff verarbeiten, verwandeln wir CO2 und Sonnenlicht in hoch funktionale, emotionale und ästhetische Produkte, die nach ihrer Verwendung wieder im Kreislauf der Natur verwertet werden. Die Produktion läuft bei uns in geschlossenen Kreisläufen, in welchen die Materialien so weit wie möglich wiederverwendet werden. Bei der Lyocell-Produktion wird das Lösungsmittel beispielsweise zu mehr als 99% wiedergewonnen. Zudem bauen wir die Kreislaufwirtschaft auch auf andere Bereiche aus, beispielsweise mit der bereits erwähnten Refibra-Technologie, in der wir den Pre-Consumer-Waste der Kleidungsproduktion zu einer neuen, hochwertigen Faser verarbeiten. Der nächste Schritt, an dem wir auch schon forschen, ist der Post-Consumer-Waste, also die sinnvolle und hochwertige Verarbeitung von gebrauchten Kleidungsstücken zu neuen Produkten.

Stefan Doboczky hat seit Juni 2015 die Leitung des börsennotierten Faserkonzerns Lenzing inne. Der promovierte Chemiker startete seine Karriere 1998 im Chemiekonzern DSM. Im Marketing eingestiegen rückte der Manager mit zusätzlichem MBA-Abschluss am IMD in Lausanne rasch in die Geschäftsführung des Linzer Standorts auf. Nach Zwischenstation in den Niederlanden und in China kehrte Doboczky 2011 zurück nach Europa, wo er in den DSM-Konzernvorstand einzog und zuletzt für den Pharmabereich zuständig war.

Kontakt

Lenzing AG

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Österreich

+43 7672 701 0