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Infrareal: Standortmanagement und Ausgründung von Industrieparks

06.09.2011 -

Thema der Infrareal in Marburg ist Standortmanagement beziehungsweise Ausgründung von Industrieparks aus Chemie- und Pharmaunternehmen mit Überführung in eine unabhängige Eigentümerschaft.  Das Unternehmen, das über seine Tochtergesellschaft Pharmaserv den Standort Behringwerke in Marburg betreibt, will weitere Chemie- und Pharmaunternehmen davon überzeugen, dass eine selbständige Standortbetreibergesellschaft für die dort ansässigen Chemie- und Pharmaunternehmen zahlreiche Vorteile bringt. CHEManager befragte Thomas Janssen und Markus Schwerzmann, zwei der sechs Gesellschafter der Infrareal, nach den Erfolgsfaktoren für solche Ausgründungen und dem konkreten Nutzen für den bisherigen Standortbetreiber, aber auch möglichen Nachteilen und Risiken. Die Fragen stellte Dr. Dieter Wirth.

Herr Janssen, worüber sollten die Eigentümer von Chemie- oder Pharmaunternehmen nachdenken?

T. Janssen: Chemie- und Pharmaunternehmen, aber auch Industrieunternehmen generell, müssen sich überlegen, ob das Management der Infrastruktur ein Erfolgsfaktor für ihr Unternehmen darstellt. Die Fragestellung lautet: Können sie durch das eigene Management der Infrastruktur einen Wettbewerbsvorteil erzielen? Bei der Nutzung von Büro- und Logistikräumen hat sich der Industriestandard längst durchgesetzt. Man mietet. Facility Services- Unternehmen erbringen die üblichen Dienstleistungen wie das technische Gebäudemanagement, die Reinigung oder den Empfang. Bei komplexeren Nutzungen wie für Chemie- und Pharmaunternehmen erforderlich, also bei Unternehmen mit Produktion, Forschung und Entwicklung, Analytik-Tätigkeiten usw., stehen einerseits die Versorgungssicherheit und andererseits das technische wie auch standort-spezifische Knowhow im Vordergrund. Dabei möchte man nicht „abhängig“ sein von einem Partner. Sachlich betrachtet kann aus dem Management der Infrastruktur kein Wettbewerbsvorteil erzielt werden, und die Unabhängigkeit von einem Partner ist durch die bereits heute stark liberalisierte Energieversorgung wie auch durch entsprechende Verträge ebenso gegeben. Die Hauptfrage, die sich Chemie- und Pharmaunternehmen stellen müssen, ist: Können wir die Infrastruktur gleich gut, das heißt gleich professionell und innovativ managen wie ein dafür spezialisiertes Unternehmen, das – als Kerngeschäft – nur Standortbetrieb/Infrastruktur- Management macht und das – bei mehreren Nutzern eines Standortes – zugleich Skaleneffekte zu nutzen vermag? Die Beantwortung dieser Frage ist nur in einem Gespräch mit einem beziehungsweise mehreren potentiellen Partnern möglich.

Herr Schwerzmann, ab welcher „Standortgröße“ macht es Sinn, über eine Ausgründung des Standortbetriebes nach zu denken. Was sind weitere wichtige Fakten, die die Chancen auf den Nutzen verbessern oder erschweren können?

M. Schwerzmann: Die Größe ist nicht das vordergründige Kriterium. Die Komplexität des Standortbetriebes ist es, die über mögliche Partner wie auch den Umfang der Ausgründung entscheidet. Wichtig ist auch die Frage des Ausgründungsumfanges: Soll Anlageneigentum übertragen werden oder nur der Betrieb der Anlagen? Wird Betrieb und Eigentum einer Anlage übertragen, so versucht der neue Eigentümer-Betreiber die Gesamtkosten aus Besitz und Betrieb zu minimieren und entscheidet sich auch eher für eine Ersatzinvestition. Der Dienstleister, der nur den Betrieb übernimmt, ist umgekehrt interessiert, möglichst viel Instandhaltungsaufwand zu verrechnen. Entsprechend bevorzugt er unterhaltsintensive und reparaturanfällige Anlagen. Die Ausgründung in eine unabhängige Standortbetreibergesellschaft ist natürlich dann besonders sinnvoll, wenn mehrere, eigentumsrechtlich unterschiedliche Nutzer, das heißt mehrere Chemie- oder Pharmaunternehmen, auf dem Standort sind. Denn: Warum soll Unternehmen A, das gleichzeitig Eigentümer des Standortes ist, für den Standortnutzer B ein neues Laborgebäude errichten und vermieten? Die Rendite aus einem solchen Geschäft ist ein Bruchteil des entgangenen Gewinns, der aus einer Investition in das eigene Kerngeschäft resultieren könnte. Grundsätzlich schwierig ist natürlich die Übernahme eines Standortes, der ein hohes Altlastenpotential birgt. Hier müssen gemeinsame Regelungen gefunden werden.

Was ist Ihr konkretes Kernangebot? Was übernimmt beziehungsweise macht Infrareal?

T. Janssen: Infrareal ermöglicht ihren Partnern aus der Prozessindustrie in Deutschland und selektiv in Europa eine Konzentration auf ihr Kerngeschäft, indem wir die Infrastruktur an Industriestandorten bedarfsgerecht managen. Infrareal verfügt über Erfahrungen, um Standorte optimal zu betreiben und zu attraktiven Industrieparks weiter zu entwickeln. Bei uns erwarten die Partner: Unabhängigkeit in dem Sinne, dass wir keinen anderen Eigentümer-Interessen als dem Standortbetrieb unterworfen sind. Wir erarbeiten ein klares Angebotskonzept mit Preis- und Leistungstransparenz. Wir sorgen für eine kontinuierliche Kostenoptimierung und wir geben dem Standortbetrieb eine langfristige industrielle Perspektive. Dabei übernimmt Infrareal die Assets, also Grund und Boden, Immobilien und die Werks-Infrastruktur-Anlagen, wie auch die in diesem Bereich tätigen Mitarbeiter.

Wo liegen denn die harten Vorteile, spricht Kosteneinsparungen, für das Unternehmen, das die Betreiberverantwortung des Werksstandortes an ein Unternehmen wie Infrareal überträgt?

T. Janssen: Neben den weichen Faktoren wie höherer Professionalisierungsgrad, Innovation und Risikoübernahme sind an harten Faktoren aufzuzählen: Die Flexibilisierung der bisherigen Fixkosten. Kostenvorteile für die Standortnutzer, weil wir in unseren Dienstleistungsprodukten das Auslastungsrisiko von Anlagen übernehmen. Die Kostenreduktion für die Standortnutzer, da wir einen Bündelungseffekt mit andern Standorten erzielen und einen Betrieb über der betriebswirtschaftlich „kritischen Größe“ gewährleisten können. Bessere Key Performance Indicators in der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung durch die Verschlankung der Bilanz, gegebenenfalls auch die Reduktion des Altlastenrisikos und der Erhöhung des Umsatzes pro Mitarbeiter. Wir könnten hier viele Beispiele aus eigener Erfahrung bringen.

Wie sieht es mit den Beschäftigten aus, die Ihr Unternehmen im Falle einer Standortbetreiber-Ausgründung übernimmt. Die fallen doch aus dem Tarifvertrag für die Chemie heraus und werden dann schlechter bezahlt – oder?

M. Schwerzmann: Die Pharmaserv ist weiter im Tarifvertrag in der chemischen Industrie. Die Lohnkosten sind sicherlich hoch, doch wir brauchen auch gut qualifizierte Mitarbeiter. Und wir wollen wettbewerbsfähige Gehälter bieten. Da ein Standortbetreiber aber in verschiedenen Branchen tätig ist, haben wir heute auch zu hohe Lohnkosten in einzelnen Bereichen. Wir versuchen, hier eine einvernehmliche Lösung mit unserem Betriebsrat zu finden. Wir möchten aber noch auf einen andern Aspekt hinweisen: Die Ausgründung hat auch für die betroffenen Mitarbeiter Vorteile. Aus unserer Erfahrung geben wir den Mitarbeitern wieder eine „Heimat“ und Motivation im Kerngeschäft der Infrareal. Wir bieten darüber hinaus auch neue Chancen und Herausforderungen wie Job-Rotation innerhalb der Gruppe.

Worin bestehen die weiteren Vorteile einer Ausgründung des Standortbetriebes?

T. Janssen: Aus der Erfahrung unseres eigenen Standortes, der Behringwerke in Marburg, sehen wir, dass wir seit unserer neuen, unabhängigen Eigentümerstruktur schneller investieren als zuvor. Unser Gewinnziel, die Capex Hurdle Rate, ist unserem Geschäft angepasst, während die früheren Eigentümer das viel höhere Gewinnziel ihres Kerngeschäftes vorausgesetzt hatten. Wir setzen uns gezielt für die Standortentwicklung ein. Dazu sind erfahrungsgemäß Investitionen notwendig, die nur sehr langfristig einen Return erzielen, umgekehrt aber die Attraktivität des Standortes steigern und damit die Anziehungskraft für Neuansiedlungen erhöhen.

Jeder Mensch wird skeptisch, wenn etwas nur Vorteile haben soll. Wo liegen die Stolpersteine, Nachteile oder mögliche Risiken, die der bisherige Standortbetreiber bedenken oder in Kauf nehmen muss?

M. Schwerzmann: Wirkliche Stolpersteine gibt es nicht. Es ist ein neues Konzept, das wie schon gesagt noch mit Vorurteilen wie dem Gefühl der Abhängigkeit belastet ist. Auch in der Wahl des richtigen Partners sind sicherlich schon Fehler gemacht worden, die sich im Nachhinein für die Standortnutzer unvorteilhaft erwiesen haben: Etwa die Ausgründung des Betriebes ohne Eigentumsübertragung der Anlagen. Der reine Betreiber- Dienstleister „saugt“ sich dann mit Aufträgen voll, ohne eine ganzheitliche Sicht über den optimalen Betrieb, die Total Cost of Ownership, und ohne Investitionen zu tätigen. Unvorteilhaft ist auch die Wahl eines Partners, der den Standortbetrieb nicht als Kerngeschäft, sondern als Mittel zum Zweck verwendet, etwa Energieversorger oder Immobilienunternehmen. Solche Unternehmen wollen ihr eigentliches Kerngeschäft auslasten. Umgekehrt ein Beispiel aus der Pharmaserv: Den Strom kaufen wir gebündelt für das Werk ein, konkurrenzieren aber die Lieferanten aus und legen die Einkaufskosten transparent vor.

Was sind die Erfolgsfaktoren für die Verhandlungen über eine Ausgründung des Standortbetriebs?

T. Janssen: Wir, Infrareal, legen Wert auf ein klares Trennen von Kerngeschäft und Infrastrukturgeschäft. Das bedeutet, wir erstellen mit dem ausgründenden Unternehmen ein gemeinsames „Carve-out-Projekt“ und legen gemeinsam fest, welche Immobilien und Anlagen und welche Mitarbeiter auszugründen beziehungsweise zu übernehmen sind. Dabei sind auch die bisherigen Kosten festzustellen. Infrareal erstellt danach einen Business Plan und unterbreitet ein Übernahmeangebot. Die Höhe des Kaufpreises kann dabei nicht so hoch sein, dass wir den Standortnutzern nicht mehr attraktive Dienstleistungs-/ Betreiberangebote offerieren können. Dies scheint bei einzelnen Wettbewerbern vergessen worden zu sein.

Das, was Infrareal anbietet, wollen auch zahlreiche andere Unternehmen tun. Warum sollten die Interessenten zu Ihnen kommen?

T. Janssen: Gegenwärtig ist die Infrareal die einzige unabhängige Gruppe in Deutschland, die Standorte als einziges Kerngeschäft betreiben will. In den letzten Jahren haben sich verschiedene andere Unternehmen um den Kauf von Industrieparks bemüht: Diese haben alle ein eigenes Kerngeschäft und suchen mit dem Industriepark primär ihr Kerngeschäft und weniger die anderen Leistungen oder gar den Standort zu stärken. Das sind vor allem Energieversorungsunternehmen, Immobiliien-Unternehmen oder auch nur Real Estate Funds sowie Instandhaltungsdienstleister. Eine weitere mögliche Eigentümerkategorie von Industrieparks beziehungsweise Industrieparkbetreibern sind Private Equity-Unternehmen, die aufgrund der Unvereinbarkeit mit dem langfristigen Infrastrukturgeschäft offensichtlich nicht „Best Owner“ sein können.

Über Ihre Tochtergesellschaft Pharmaserv, die 1997 als Hoechst-Tochter den Betrieb des Standorts Behringwerke übernahm, verfügt Infrareal über die Erfahrung mit Standort-Ausgründungen. Wie verlief die Entwicklung des Standortes in den ersten Jahren?

M. Schwerzmann: Operativ eigentlich sehr gut, die Leistungen wurden pünktlich und qualitativ einwandfrei erbracht. Schwierigkeiten ergaben sich mit der Leistungsverrechnung, weil es es damals keine klaren Produkte mit Leistungsinhalten, Service Level und Schnittstellendefinition gab, und dem kulturellen Wandel „von der Kostenstelle zum Partner“ sowie dem Aufbau einer Kunden-Lieferantenbeziehung. Wir sehen dies als einen Prozess von 3 bis 4 Jahren. Zudem hat – wie auch schon erwähnt – die Hoechst und ihre späteren Nachfolgeunternehmen uns bei Investitionen mit dem Kerngeschäft gleichgestellt, sodass wir Investitionen, die als Infrastrukturgeschäft interessant gewesen wären, nicht tätigen konnten.

In 2005 wurde die Pharmaserv durch sechs Privatinvestoren übernommen, die sich jetzt in der Infrareal wieder finden. Was hat sich dadurch geändert? Wie ging es mit der Entwicklung des Standortes Behringwerke in Marburg weiter?

M. Schwerzmann: Die neue Eigentümerstruktur hat viele Kräfte freigesetzt. Durch uns als Eigentümer sind eine Reihe von Investitionen in die Standortentwicklung freigegeben worden. Unser mittelständisches Konzept hat sich auch bei den Kosten ausgewirkt: Wir können auf uns zugeschnittene IT-Systeme, Versicherungen etc. realisieren und die Kostenvorteile auch den Kunden weitergeben. Bei den Mitarbeitern ist die Identifikation zum Unternehmen deutlich gewachsen. Sie entscheiden und handeln nach den in diesem Geschäft angepassten Regeln und Leitplanken. Gemeinsam fördern und nutzen wir die unternehmerischen Chancen im Kerngeschäft Standortbetrieb.

Kontakt:
Infrareal GmbH, Marburg
Thomas Janssen, geschäftsführender Gesellschafter
der Infrareal
Markus Schwerzmann, Gesellschafter der Infrareal
Tel.: 06421/39-16
thomas.janssen@infrareal.de
markus.schwerzmann@infrareal.de
www.infrareal.de