Chemie & Life Sciences

DSM: Spezialitäten im Fokus

Henk van Dalen: Erfolgreicher Weg zum Spezialchemiekonzern

16.02.2011 -

DSM: Spezialitäten im Fokus - DSM wurde vor mehr als 100 Jahren als staatliches Bergbauunternehmen gegründet. In den vergangenen fünf Jahren wandelte sich der Konzern durch gezielte Akquisitionen und Desinvestitionen vom Petro- und Basischemieunternehmen zum breit aufgestellten Spezialchemiekonzern. Heute entfallen etwa 75 % des Konzernumsatzes auf Spezialitäten. Darüber hinaus ist DSM weltweit der größte Zulieferer für die Life-Sciences-Industrie. Auch in Phasen des Konzernumbaus gelingt es den Niederländern, ihr Geschäft profitabel fortzuführen, wie die Zahlen zum 1. Halbjahr 2005 belegen. Dr. Andrea Gruß befragte Henk van Dalen, Chief Financial Officer der DSM, zum Rezept einer erfolgreichen Restrukturierung.


CHEManager: Welche Aktivitäten zählen heute zum Kerngeschäft von DSM? Warum setzen Sie gerade auf diese Geschäftsfelder?

Henk van Dalen
: DSM ist heute in vier Kernbereichen tätig: Life Sciences, Nutritional Products, Performance Materials und Industrial Chemicals. Das Geschäft mit Nahrungsmittelzusatzstoffen, zu dem auch die von Roche übernommene Sparte Vitamins & Fine Chemicals gehört, nimmt innerhalb der DSM mittlerweile eine Schlüsselposition ein. Gleiches gilt für die Sparte Performance Materials. Beide zeichnen sich durch ein Portfolio zukunftsweisender Spezialprodukte für stark wachsende Märkte aus – beispielsweise für den Ernährungs- sowie den Tierfuttermarkt. Auch der Markt für Harze, für technische Kunststoffe oder Hochleistungsfasern wird von uns bedient. Darüber hinaus verfügt DSM über ausgezeichnete Marktpositionen bei Produktion und Fertigung von Pharmawirkstoffen. Traditionelle Bedeutung haben die Industriechemikalien – mit ihnen begannen vor 30 Jahren die Aktivitäten von DSM in der Chemieindustrie. Im Mittelpunkt stehen dabei die Produkte Melamin, Caprolactam sowie Düngemittel. In allen diesen Bereichen besitzt DSM heute die Marktführerschaft.

Mit welchen wesentlichen Schritten haben Sie den Übergang zum Spezialchemieunternehmen vollzogen?
Henk van Dalen: Im Jahr 2000 hat DSM sein Strategieprogramm „Vision 2005“ gestartet. Wesentliches Element war die Verlagerung von zyklischen Massenchemikalien hin zu Spezialitäten. Das war – und ist – insofern vorteilhaft, als dass Spezialitäten sehr viel unabhängiger vom Auf und Ab der Konjunktur sind – und damit beständigere Erträge ermöglichen. Damals haben wir entschieden, uns aus dem Petrochemikaliengeschäft zurückzuziehen. Hier zählte DSM zwar auf europäischer Ebene zu den wichtigsten Playern, weltweit war das Unternehmen jedoch nur eines unter vielen. Im Jahr 2002 hat DSM seine Petrochemiesparte, die zu diesem Zeitpunkt etwa 30 % des Umsatzes ausmachte, dann an Sabic veräußert. Zudem verkaufte DSM seine Beteiligung an der Erschließung von Gasvorkommen in den Niederlanden an den Staat. Den Erlös in Höhe von 3,2 Mrd. € investierten wir in den Ausbau unserer Portfolios für Nahrungsmittelzusatzstoffe und Hochleistungswerkstoffe. Die nächsten Schritte erfolgten im Jahr 2003, als wir Roche Vitamins & Fine Chemicals erwarben, und im Jahr 2004, in dem wir NeoResins, einen Hersteller von Spezialharzen wie beispielsweise wasserbasierende Lacke übernahmen. Das Gesamtinvestitionsvolumen belief sich auf 2,3 Mrd. €. Es ist uns dabei gelungen, während der gesamten Phase der Umorientierung eine starke Bilanz auszuweisen sowie starke Erträge zu erzielen. Heute besteht das DSM-Portfolio zu etwa 75% aus Spezialitäten. Darüber hinaus sind wir der weltweit größte Zulieferer für die Life-Sciences- Industrie.

Inwieweit hat DSM den Restrukturierungsprozess mit der Übernahme von NeoResins abgeschlossen? Wie kommen Sie mit dem Integrationsprozess der beiden großen Akquisitionen der vergangenen beiden Jahre voran?
Henk van Dalen
: Die Übernahmen von Roche Vitamins & Fine Chemicals und von NeoResins waren zwei verschiedene Formen der Übernahme. Von Roche haben wir ein rückläufiges Geschäft übernommen, das zunächst eines aufwändigen Restrukturierungsprozesses bedurfte. NeoResins, auf der anderen Seite, ist ein sehr effizient geführtes Unternehmen mit einer ausgezeichneten Position in wachsenden Märkten. Gleich nach Abschluss der Übernahme von Roche haben wir mit dem zweijährigen Transformations- und Integrationsprozess in DSM Nutritional Products begonnen. Derzeit befinden wir uns in der letzten Phase der Integration. Bei DSM NeoResins ist keine Restrukturierung notwendig. Das Geschäft muss allerdings genauso in DSM integriert werden und wir müssen erfolgreiche Wachstumspfade weiterentwickeln. Dieser Prozess hat im Februar 2005 begonnen.

Welche Erfahrungen hat DSM bei der Restrukturierung gemacht? Was sind Ihrer Meinung nach die wesentlichen Faktoren für erfolgreiche Desinvestitionen und Akquisitionen?
Henk van Dalen
: Sehr wichtig ist der rechtzeitige Start der Vorbereitungen und eine gute und klare Kommunikation von Anfang an. Die Integration sollte sich nicht nur auf die Organisationsstruktur konzentrieren, sondern auch auf kulturelle Unterschiede. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Einführung standardisierter Geschäftsprozesse. Und darüber hinaus müssen Sie sich in der Phase der Restrukturierung auch weiterhin auf das laufende Geschäft konzentrieren.

Wo sehen Sie das größte Potential für organisches Wachstum im derzeitigen Portfolio der DSM?
Henk van Dalen
: Erhebliche Wachstumspotentiale bestehen vor allem bei Nutritional Products sowie Performance Materials. Diese Sparten sind zudem Garant für kontinuierliche Innovationen – und wir verfügen über eine hervorragende Positionierung in den entsprechenden Märkten.

Zu den Sorgenkindern der DSM zählt nach wie vor das Penicillingeschäft. Wie wollen Sie angesichts der wachsenden Konkurrenz aus Asien in diesem Gebiet profitabler werden?
Henk van Dalen: Im 4. Quartal des vergangenen Jahres haben wir als Reaktion auf einen schwieriger werdenden Markt ein Bündel von Maßnahmen zur Restrukturierung unseres Geschäftsbereichs Anti-Infectives beschlossen. Zum einen haben wir unsere 6-APA-Produktionsstätte in Delft geschlossen und sind dabei, Teile der Produktion nach Indien und China zu verlagern. Zum anderen haben wir die gesamte Organisation neu strukturiert. Unser Ziel sind Einsparungen von 40 bis 50 Mio. € jährlich, die wir ab Ende 2006 realisieren wollen. Zudem haben wie die Absicht bekannt gegeben, ein Joint Venture mit der North China Pharmaceutical Corporation (NCPC) zur Produktion von Antibiotika in China einzugehen. Das wird ebenfalls zur Verbesserung unserer Situation beitragen.

Auch im Vitamingeschäft, bei der Produktion von Commodities wie Vitamin C, macht Ihnen der Wettbewerb aus China zu schaffen. Welche Strategie verfolgen Sie hier? Ist eine wirtschaftliche Produktion in Europa überhaupt noch möglich?
Henk van Dalen: Im Mai dieses Jahres haben wir die Konzentration unserer Vitamin-C-Produktion im schottischen Dalry bekannt gegeben. Die Produktionsstätte im US-amerikanischen Belvedere wird geschlossen. Damit nutzen wir unsere Gesamtkapazitäten optimal in einer hochmodernen und effizienten Fabrik, die seit der Restrukturierung über aktuellste Technologie verfügt. Unsere Kunden erwarten von uns Vitamin C in bester Qualität, die den Standards der pharmazeutischen Industrie genügt – das gilt auch für die Lebensmittelindustrie. Daher wollen wir die Produktion von Vitamin C in Europa belassen – wollen sie aber effizienter machen. In der Zwischenzeit entwickeln wir die nächste Generation eines einstufigen Fermentierungsprozesses. Außerdem erwägen wir ein zusätzliches Joint Venture mit NCPC zur Vitamin C-Produktion in China.


Ihre selbstgesteckten Ziele im Rahmen der „Vision 2005: Focus and Value“ waren eine EBITDAMarge von 18 % und ein Umsatz von 10 Mrd. € im Jahr 2005. Haben Sie dies erreicht?
Henk van Dalen: Wir haben bereits 2004 verkündet, dass wir einen jährlichen Umsatz in Höhe von 10 Mrd. € nicht werden realisieren können. Das ist jedoch für uns nicht weiter besorgniserregend, da für uns die Qualität und die Profitabilität unseres Portfolios im Vordergrund stehen und nicht die schiere Größe. Die relative Schwäche der Weltwirtschaft in den Jahren 2001 bis 2003 hat das globale Wachstum erheblich gebremst. Dennoch entsprach unser autonomes Wachstum exakt unserem Ziel eines Durchschnittswachstums in Höhe des doppelten BIPWachstums in den Märkten, in denen wir aktiv sind – auch wenn es sich insgesamt auf einem niedrigeren Level befindet. Was unser Ziel einer EBITDAMarge in Höhe von 18 % betrifft, so haben wir dieses leider noch nicht erreicht. Wir befinden uns aber auf einem guten Weg dorthin. Am Ende des zweiten Quartals im Jahr 2005 lag das Ergebnis bei 16,5 %, so dass unserer Ziel nicht mehr allzu weit entfernt ist. Einer der Hauptfaktoren, der auf das Ergebnis drückt, ist zweifellos der im Vergleich zum Euro schwache US-Dollar. Hinzu kommen die schwierigen Bedingungen im Pharmamarkt. Jedoch haben wir zur weiteren Optimierung unserer Profitabilität mehrere Restrukturierungs-Programme aufgesetzt, die wir kürzlich abgeschlossen haben – beispielsweise in den DSM-Geschäftsbereichen Nutritional Products (VITAL), Anti-Infectives, Elastomers sowie Pharmaceutical Products.


Welche strategischen Ziele verfolgt Ihr Unternehmen zurzeit? Und was kommt nach der „Vision 2005“, Herr van Dalen?
Henk van Dalen: Unser aktuelles Strategieprogramm Vision 2005 endet in diesem Jahr. Unser Hauptziel war die Umwandlung unseres Portfolios von einem Chemieunternehmen, das zur Hauptsache Massenchemikalien produziert, hin zu einem Multi-Spezialitäten- Konzern. Dieses Ziel haben wir zweifellos erreicht – einerseits mit der erfolgreichen Veräußerung unserer Aktivitäten im Chemiebereich an das Unternehmen Sabic im Jahr 2002, andererseits mit dem beschleunigten Wachstum unseres Spezialitäten-Portfolios. Beides – Abstoßen der Chemiesparte wie auch Erzielen von Wachstum – haben wir selbstständig und durch gezielte Akquisitionen erreicht. Derzeit schließen wir unseren Corporate Strategy Dialogue (CSD) ab, einen gründlichen Überprüfungsprozess, mit dem wir alle Aktivitäten in unserem Unternehmen bewerten. Die Ergebnisse unseres CSD, die wir Anfang Oktober präsentieren, werden logischerweise in Kontinuität zu dem Kurs, den wir mit unserer „Vision 2005“ eingeschlagen haben, stehen.