Chemie & Life Sciences

Grüne Wasserstoffwirtschaft im Green Tech Valley

Wie im Süden Österreichs am Schlüsselbaustein zur Net-Zero-Industrie gearbeitet wird

24.01.2024 - Österreich, besonders der Süden des Landes mit Steiermark und Kärnten, hat sich als ein führendes Zentrum für Forschung und Entwicklung im Bereich des grünen Wasserstoffs etabliert.

Hier wird schon heute in zahlreichen international anerkannten Instituten und in global führenden Green-Tech-Unternehmen an neuen Lösungen für eine nachhaltige, lebenswerte Zukunft gearbeitet.

In diesen anspruchsvollen geopolitischen Zeiten, die von Störungen in den Lieferketten, Fachkräftemangel, militärischen Auseinandersetzungen und den nach wie vor anhaltenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie geprägt sind, ist es mehr denn je von Bedeutung, rasch den Kurs für eine lebenswerte Zukunft zu setzen, in der nachhaltige Geschäftspraktiken und neue grüne Lösungen im Mittelpunkt stehen.
Das Green Tech Valley ist ein besonderer Nährboden für solche grüne Innovationen. Im Süden Österreichs liegt der #1-Technologie-Hot­spot für Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft. Hier versammeln sich 20 grüne globale Technologieführer und 300 Umwelttechnikunternehmen, hier konzentriert sich führende grüne Forschung in Europa.

Europaweit Top 3 bei Wasserstoff

Innovation und Klimaschutz sind auch die Stichworte für den aktuellen, weltweiten Fokus auf Wasserstofftechnologien, insbesondere von grünem Wasserstoff. In Österreich ist die Forscheranzahl in universitären und außeruniversitären Wasserstoff-F&E-Instituten alleine in den letzten beiden Jahren um 50 % auf fast 500 Vollzeitäquivalente gestiegen, wobei etwa 60 % in der Steiermark forschen. Noch mehr Forschende arbeiten zu diesem Thema in Unternehmen, allen voran an der Grazer AVL mit 650 Entwicklern weltweit. Das Interesse, die millionenschweren Investitionen und die damit verbundenen Forschungsanstrengungen stellen innovative Anwendungen in den Mittelpunkt.

Der Knoten der Wasserstoffforschung in Österreich liegt am Campus der TU Graz. Allen voran am Hydrogen Research Center Austria (HyCentA) – einem internationalen Flaggschiff-Institut für Green Hydrogen und Teil des Spitzenforschungsprogramms „COMET“ des Bundes. Gemeinsam mit den weiteren COMET-Zentren BEST Bioenergy and Sustainable Technologies und dem LEC Large Engines Competence Center sowie Instituten an der Technischen Universität Graz zählt diese „geballte Forschungseinheit zu grünem Wasserstoff“ europaweit zu den Top 3, gemeinsam mit Jülich (Deutschland) und Sintef (Norwegen). Ergänzt wird die Kompetenz von der Montanuniversität Leoben und der TU Wien. Die steirische Forschungslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl betont, dass Forschung, Entwicklung und Innovation die Grundlage sind, um die grüne Transformation gerade mit auf Wasserstoff basierenden Technologien erfolgreich meistern zu können.

 

H2
Die aktuelle H2 Research Map fokussiert die österreichische Wasserstoffforschung © Green Tech Valley

 

Forschung und industrielle Anwendung

Mit diesem Know-how am Standort gelingt es Unternehmen, mit innovativen Lösungen am internationalen Markt erfolgreich zu reüssieren bzw. in neuen Feldern ihre Spitzenpositionen auszubauen:

Ein Beispiel dafür ist die Expansion der AVL, die weltweit führend in der Entwicklung innovativer Mobilitätssysteme von Wasserstoffmotoren über Hybrid-Antriebsstränge und batterieelektrische Fahrzeuge bis hin zu Brennstoffzellen ist, im non-mobilen H2-Sektor. Das Unternehmen hat ein neues Testzentrum für Wasserstofftechnologien eröffnet. Mit einer Gesamtkapazität von 2 MW gehört dieses zu den größten und fortschrittlichsten der Welt. Eine weitere Best Practice markiert der erfolgreiche Markteinstieg des globalen Technologieführers Andritz mit dem 100 MW Elektrolyseur, welcher die Stahlerzeugung von Salzgitter künftig grüner macht.

In seiner Genese spannend ist das H2-Forschungszentrum Mellach. Das letzte Kohlekraftwerk Österreichs wurde 2021 hier geschlossen. Der Verbund hat in Kooperation mit der TU Graz eine Demonstrationsanlage errichtet, die sowohl als Elektrolyseur als auch als Brennstoffzelle betrieben werden kann. So wird der Einsatz von klimaneutral produziertem Wasserstoff im Kraftwerksbetrieb als Ersatz für fossiles Erdgas erforscht.

Das zuvor erwähnte HyCentA betreibt eine der modernsten Wasserstoff-Forschungsinfrastrukturen in Europa mit Labors, Prüfständen und Wasserstoffbetankungsanlagen und hat umfassendes Know-how im Bereich der Sicherheit, Prüfung, Genehmigung, Zertifizierung und rechtlicher Rahmenbedingungen der Wasserstofftechnologien. Im Fokus stehen die Herstellung von erneuerbarem Wasserstoff mittels Elektrolyse und der Speicherung von Stromüberschüssen im Falle eines zeitlichen und/oder örtlichen Überangebots erneuerbarer Energien (Power-to-X). Außerdem wird an innovativen Speichertechnologien und Brennstoffzellen für den Energie- und Brennstoffsektor gearbeitet und an nachhaltigen Antriebslösungen für die Mobilität mit neuen Brennstoffzellen und Speichersystemen geforscht.

Die Schifffahrt ist im weltweiten Wirtschaftssystem unverzichtbar, ist aber einer der global größten CO2-Emittenten, denn 90 % der großen Schiffe fahren noch mit Schweröl. Österreich hat dabei das Potenzial, die globale Schifffahrt auf einen grünen Pfad zu bringen und die Emissionen um 97 % zu senken: Grüner Wasserstoff wird als flüssiges Methanol am Schiff genutzt, das anfallende CO2 abgeschieden, am Schiff gespeichert und an Land wieder für die Methanol-Erzeugung genutzt – verantwortlich dafür zeichnet das Large Engines Center LEC.

In Kärnten erzeugt der Technologiekonzern Infineon eigenen höchst­reinen Wasserstoff für die Produktion und gibt den in der Produktion eingesetzten und wieder abgesaugten Wasserstoff für die regionalen Busse der Post in Villach ab, die seit kurzem in Betrieb sind.
In Gabersdorf wurde die erste außerbetriebliche Produktionsanlage für grünen Wasserstoff in Österreich gestartet. Im Vollausbau können damit bis zu 300 t grüner Wasserstoff jährlich erzeugt werden. Erster Kunde der bundesweit ersten Anlage dieser Art ist das Industrieunternehmen Wolfram Bergbau und Hütten als Weltmarktführer bei Wolfram-Pulvern.

 

„Auch Deutschland baut in der Herstellung von grünem Wasserstoff auf Expertise aus dem Green Tech Valley.“

 

Auch Deutschland baut in der Herstellung von grünem Wasserstoff auf Expertise aus dem Green Tech Valley. So hat der Bergische Abfallwirtschaftsverband gemeinsam mit dem Start-up Rouge H2 Engineering einen Forschungsreaktor zur H2-Produktion aus Deponiegas in Betrieb genommen. Mit Hilfe des „Chemical Looping“ wird grüner Wasserstoff aus dem Methan­anteil des Deponiegases erzeugt.

Bisher wird daran gearbeitet, in sonnen- und windreichen Weltgegenden mittels PV- und Windstrom über Elektrolyse Wasserstoff herzustellen und dann umzuformen, z.B. als synthetische Treibstoffe. Das ist aufwändig und ineffizient. In Zukunft soll die direkte fotokatalytische Erzeugung von Wasserstoff ohne Elektrolyse zum Einsatz kommen. Dazu laufen Versuche am AEE – Institut  für Nachhaltige Technologien. Damit werden neben Solarkollektoren (Wärme), PV-Anlagen (Strom) nun Solar-Reaktoren (Wasserstoff) in Zukunft möglich. Die Gesamteffizienz steigt massiv bei sinkenden Kosten.

Und vor wenigen Wochen wurde die österreichweit erste Methan-­Elektrolyse-Anlage in einem indus­triellen Umfeld in Betrieb genommen. Künftig wird in Kremsmünster Methan (Erdgas) ohne CO2-Emissionen mittels Sonnenstrom in Wasser­stoff und hochreinen, festen Kohlenstoff zerlegt. Dadurch erhält man aus einer Hand nicht nur speicherbaren und klimaneutralen Wasserstoff, sondern auch den für die Landwirtschaft und für andere vielfältige Verwendungsmöglichkeiten in der Industrie wichtigen und derzeit knappen Rohstoff „Solid Carbon“.

Hydrogen Valley

Wasserstofftechnologie ist der Schlüssel für eine saubere Energiezukunft. Europaweit werden in Kooperationen Mittel gebündelt, um diese zu ermöglichen. Das Green Tech Valley steht hier auch geografisch im Zentrum, da die von Olaf Scholz und Giorgia Meloni angekündigte neue Wasserstoffpipeline von Nordafrika über Italien durch das Green Tech Valley weiter nach Bayern gehen soll.

Österreich ist bei IPCEI (Important Projects of Common European Interest) mit vier Wasserstoffprojekten stark vertreten. Im Green Tech Valley entwickeln u.a. AVL in Kooperation mit dem Anlagenbauer Christof Industries den 1-MW-Hoch­temperaturelektrolyseur.

Aktuell wird an einer „EU Hydrogen Valley Einreichung 2024“ mit mehreren hundert Millionen Euro Investitionen gearbeitet. Wir setzen uns gemeinsam mit den Unternehmen, Stakeholdern, politisch Verantwortlichen und Forschenden dafür ein, dass wir internationale Kooperationspartner schon bald nicht nur im Green Tech Valley, sondern auch dem Hydrogen Valley willkommen heißen dürfen.

Autor: Bernhard Puttinger, Geschäftsführer, Green Tech Valley Cluster GmbH, Graz, Österreich
 

„Der Knoten der Wasserstoffforschung in Österreich liegt am Campus der TU Graz.“

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