Logistik & Supply Chain

Impfstoff-Verteilung: Zentrale Regelung in den Niederlanden

Interview mit Patrick Verkuijlen, Geschäftsführer Movianto Nederlands

29.07.2021 - Während in Deutschland jedes Bundesland die Logistik für Covid-19-Impfstoffe selbst aufbauen musste, hat in den Niederlanden wie auch in Großbritannien das Gesundheitsministerium diese Aufgabe zentral geregelt und in die Hände eines einzigen Dienstleisters gelegt.

Seit die Niederlande am 26. Dezember 2020 die erste Lieferung von Covid-19-Impfstoffen erhalten haben, werden alle Corona-Impfstoffe des Landes in einem Lager des auf die Pharma- und Gesundheitsbranche spezialisierten Logistikdienstleisters Movianto angeliefert und zwischengelagert, bevor sie dann landesweit verteilt werden. Auch diese Aufgabe übernimmt Movianto. CHEManager hat bei Patrick Verkuijlen, dem Geschäftsführer von Movianto Nederlands nachgefragt, welche Herausforderungen bei dem Auftrag zu überwinden waren und ob eine zentrale Logistik auch ein Modell für Deutschland sein könnte.

CHEManager: Herr Verkuijlen, seitdem Movianto in den Niederlanden mit der nationalen Corona-Logistik beauftragt wurde, steht Ihr Service stark im Fokus der Öffentlichkeit. War der Auftrag öffentlich ausgeschrieben oder wie haben Sie den Zuschlag erhalten?

Patrick Verkuijlen: Das Gesundheitsministerium hat nach unserem Wissen mit mehreren Logistikdienstleistern gesprochen, wir haben ein Angebot gemacht und den Zuschlag erhalten. Ausschlaggebend war anscheinend, dass wir schon in den letzten neun Jahren die Logistik für die Grippeimpfungen in den Niederlanden organisiert haben. Das sind ähnliche Anforderungen. Deshalb hat man uns den Job zugetraut.  

Musste Movianto für den Auftrag Kapazitäten erweitern?

P. Verkuijlen: Nein, wir konnten bisher alle Covid-19-Impfstoffe in unserem Logistikzentrum in Oss in der Nähe von Nimwegen unterbringen. Wir haben lediglich die Zahl der Ultra-Tiefkühlschränke erhöht. Wir nutzen für den Biontech/Pfizer-Impfstoff 24 dieser Spezialschränke, in denen der Impfstoff bei etwa minus 75°C lagert.

Und die anderen Impfstoffe?

P. Verkuijlen: Die Vakzine von Moderna und Janssen (in Deutschland Johnson & Johnson, Anm. d. Red.) lagern bei -20°C. Für diesen Temperaturbereich haben wir einen Walk-in-Freezer, der 700 Paletten fasst. Und der Stoff von Astra Zeneca lagert bei 2 bis 8°C in unserem Kühllager, in das bis zu 7.000 Paletten passen.

Wie haben Sie den Transport der Impfstoffe organisiert?

P. Verkuijlen: Den Transport übernimmt unsere Tochterfirma Eurotranspharma. Sie beliefert landesweit alle Impfzentren, Krankenhäuser und Altenheime. Wir bekommen von der Regierung täglich elektronisch übermittelt, wie viele Dosen von welchem Impfstoff wir am nächsten Tag an welche Adressen liefern sollen. Die tiefgekühlten Impfstoffe nehmen wir dann am Vorabend aus der Tiefkühlung und kommissionieren sie gemeinsam mit dem Astra-Impfstoff bei 2 bis 8°C. Dadurch sind alle Impfstoffe aufgetaut, bevor sie am nächsten Morgen verladen werden. Alle vier Impfstoffe werden dann gemeinsam von Eurotranspharma in Kühlfahrzeugen bei 2 bis 8°C direkt zum Empfänger gebracht.

Konnten Ihre Mitarbeiter frühzeitig selbst gegen Corona geimpft werden?

P. Verkuijlen: Leider nicht. Wir haben den Gesundheitsminister sogar danach gefragt, als er uns besucht hat. Aber er meinte, dass er keine Ausnahmen machen dürfe. Also hat sich unsere Belegschaft an die Impfpriorisierung gehalten, die von den Behörden festgelegt worden ist.

Die niederländische Nachrichtenagentur ANP hat berichtet, dass die ersten 10.000 tiefgefrorenen Impfdosen-Dosen unter Polizeischutz in Oss geliefert wurden. Die Impfstoffe kamen aus der Pfizer-Fabrik im belgischen Puurs bei Antwerpen und der Transport wurde von Polizisten auf Motorrädern sowie von Angehörigen des Pfizer-Werkschutzes in einem Auto begleitet. Ist das bis heute so?

P. Verkuijlen: Einzelheiten dazu darf ich nicht nennen. Aber ich kann sagen, dass der Sicherheitsstandard sehr hoch ist. Beispielsweise haben wir auch für die Auslieferung der Impfstoffe einen Sicherheitsdienst damit beauftragt, die Auslieferung zu begleiten.

Seit Dezember 2020 lagern Sie Corona-Impfstoffe, seit Anfang Januar 2021 liefern Sie aus, in den Niederlanden wird ja seit dem 8. Januar dieses Jahres geimpft. Was war logistisch für Movianto dabei die größte Herausforderung?

P. Verkuijlen: Immer, wenn die die Regierung die Lieferprioritäten verändert hat. Dann musste plötzlich viel mehr Impfstoff beispielsweise in Altenheime geliefert werden als vorher. Das bedeutet dann, Kommissionierung, Verpacken, Tourenplanung und Fahrzeugbedarf kurzfristig neu zu planen und zu organisieren. Man muss sehr flexibel sein, aber das hält fit.

Ist das niederländische Modell der zentralen Vergabe und Steuerung der Corona-Logistik aus Ihrer Sicht auf Deutschland übertragbar?

P. Verkuijlen: Im Prinzip schon. Natürlich sind die Niederlande viel kleiner, aber Movianto macht auch in Großbritannien die gesamte Corona-Impfstofflogistik. Möglicherweise würde man in Deutschland von zwei oder drei Lagerstandorten aus arbeiten. Grundsätzlich ist die zentrale Steuerung wesentlich effizienter, weil sie Bündelungs- und Skaleneffekte erzielt, die man mit 16 kleinen Lösungen nicht erreicht. Unsere Schwesterfirma in Deutschland hat dasselbe Know-how wie wir und hatte sich 2020 sogar schon eine Lieferung zusätzlicher Ultra-Tiefkühlschränke gesichert. Leider wurde sie aber nicht gefragt. Aber vielleicht bestellen Sie Herrn Spahn einen schönen Gruß: Er kann sich unsere Lösung hier in Oss gerne anschauen.

 

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