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Moderne Simulationswerkzeuge zur Anlagen- und Prozessoptimierung

19.03.2013 -

Anlagen- und Prozessoptimierung – auch mit unsicheren Modellen. Wie brauchbar sind rigorose Optimierungsmethoden in der industriellen Praxis? Moderne Simulationswerkzeuge erleichtern das Erstellen und Arbeiten mit Prozess- und Anlagenmodellen auf vielfältige Weise. Inzwischen bieten diese Werkzeuge auch Funktionalitäten für die rigorose modellbasierte Optimierung. Bei der Verwendung solcher Methoden ist es wesentlich, Unsicherheiten und Ungenauigkeiten der Modelle, die in der Praxis unvermeidlich sind, systematisch zu berücksichtigen.

Viele für die Verfahrenstechnik relevante Vorgänge lassen sich mit grundlegenden physikalischen und chemischen Ansätzen modellieren. Wenn beim Erstellen von Modellen auf so fundamentale Gesetzmäßigkeiten wie die Massen- oder die Energieerhaltung zurückgegriffen wird, entsteht leicht der Eindruck, dass auch das resultierende Modell fundamental richtig und wahrhaftig ist. Dabei wird übersehen, dass ein mathematisches Modell nie ein genaues Abbild des betrachteten Prozesses oder der betrachteten Anlage sein kann. Vielmehr wird jedes Modell und jede modellbasierte Vorhersage immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sein. Im Prinzip lässt sich ein gegebenes Modell zwar durch eine immer genauere Beschreibung der beteiligten physikalischen und chemischen Vorgänge verfeinern. Aus der Sicht der Praxis ist aber klar, dass Modelle immer mit Unsicherheiten behaftet sein werden, z.B. weil sich kinetische Konstanten der ablaufenden chemischen Reaktionen nur bis auf einen experimentellen Fehlerbalken ermitteln lassen, oder weil sich die Aktivität eines Katalysators langsam aber merklich während des Betriebs verändert. Insbesondere weil das Erstellen von immer genaueren Modellen auch mit einem immer höheren finanziellen und zeitlichen Aufwand verbunden ist, werden technische Prozesse eher so genau wie nötig als so genau wie möglich modelliert.

Steht ein mathematisches Modell einer verfahrenstechnischen Anlage zur Verfügung, so eröffnen sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Modelle ermöglichen das spielerische, gefahrlose Experimentieren am Rechner, so dass sich z.B. ihr Einsatz in der Lehre wie im Operator-Training anbietet. Simulationen können benutzt werden, um neue Strategien oder Regelungskonzepte zu erproben. Eine weitere nahe liegende Anwendung besteht darin, mit Hilfe des Modells einen Prozess oder eine Anlage zu optimieren, d.h. die Betriebsparameter so einzustellen, dass sich die gewünschten Produkte möglichst kostengünstig herstellen lassen. Neben den üblichen Parameterstudien und Sensitivitätsanalysen stehen zur Bearbeitung solcher Aufgabenstellungen in modernen Simulationswerkzeugen auch Methoden zur Verfügung, die auf Ansätzen der linearen und nichtlinearen Programmierung basieren.

Bei der Prozess- und Anlagenoptimierung können Schranken, etwa obere Schranken an Drücke oder Temperaturen, systematisch berücksichtigt werden. Dieser Aspekt ist wesentlich, weil die optimale Auslegung einer Anlage oft auf extreme Arbeitspunkte oder Betriebsweisen führt. Bei der Auslegung eines Reaktors z.B. wird ein Optimierungsalgorithmus den maximal erlaubten Druck oder die maximal zulässige Temperatur vorschlagen, wenn sich so die Ausbeute maximieren lässt. Beinhaltet die Optimierung die Auslegung eines Wärmetauschers zur Kühlung, so wird der Optimierungsalgorithmus zu dem Ergebnis kommen, dass ein möglichst kleiner, ausgelasteter Wärmetauscher optimal ist, wenn sich so die Investitionskosten minimieren lassen. Während solche Optimierungsergebnisse wichtige Tendenzen aufzeigen können, sind sie oft nicht unmittelbar in der Praxis brauchbar: Um nicht die betriebliche Sicherheit zu gefährden, wird weder ein Reaktor permanent bei maximal zulässigen Temperaturen, noch ein Wärmetauscher permanent an seiner Leistungsgrenze betrieben werden. Stattdessen werden kritische Anlagenteile oft mit Hilfe von Erfahrungswerten überdimensioniert, um Robustheit zu gewährleisten. Insbesondere wenn der Optimierung ein Modell zugrunde liegt, das unsicher ist, weil z.B. kinetische Parameter oder eine Katalysatoraktivität nur innerhalb eines Fehlerbalkens bekannt sind, wird eine erfahrungsbasierte Nachbearbeitung des Optimierungsergebnisses nötig sein.

Ein Vorgehen, bei dem zunächst ein mathematisches Modell erstellt und eine exakte numerische Methode zur optimalen Auslegung eines Prozesses eingesetzt wird, anschließend aber das Ergebnis verworfen und durch einen konservativeren, auf Erfahrung basierenden suboptimalen Entwurf ersetzt wird, erscheint wenig konsequent. Diesem Problem begegnen Methoden zur Optimierung, die ausdrücklich nach robusten optimalen Arbeitspunkten oder Betriebsweisen suchen. Die Forderung nach Robustheit hat dabei zwei Aspekte: zum einen wird systematisch berücksichtigt, dass Modellparameter wie kinetische Konstanten oder Katalysatoraktivitäten nur innerhalb eines Fehlerbalkens bekannt sind, zum anderen können kritische Prozessgrenzen, allen voran Stabilitätsgrenzen, in die Optimierung einbezogen werden. Bei der von den Autoren entwickelten Methode zur robusten Optimierung wird der Prozess oder die Anlage nicht durch exakt festgelegte Werte der Entwurfsparameter repräsentiert, sondern durch ein Gebiet, das sich aus den Unsicherheiten der Modellparameter ableiten lässt (vgl. Abb. 1). Dieses Gebiet fällt umso größer aus, je ungenauer die Modellparameter sind. Indem gefordert wird, dass das gesamte Unsicherheits- Gebiet nicht die betrieblichen Grenzen überschreitet, wird bei der Optimierung Robustheit garantiert.

Eine Stärke des Ansatzes besteht darin, dass auch implizite Grenzen des Prozesses berücksichtigt werden können. Eine obere Schranke an eine Temperatur lässt sich z.B. als einfache, explizite Ungleichung T<Tmax formalisieren, um die das Modell ergänzt werden kann. Für die Forderung, nur stabile Betriebsweisen zu berücksichtigen, existiert dagegen keine einfache Formalisierung, weil Stabilität sich nicht explizit am Modell ablesen lässt. Durch zusätzliche Nebenbedingungen können bei der von den Autoren entwickelten Methode dennoch implizite Grenzen wie Stabilitätsgrenzen berücksichtigt werden. Die Methode ermöglicht auf diese Weise z.B. robuste Stabilität bei der Optimierung zu garantieren. Andere Anforderungen an die Dynamik, z.B. mit Hilfe einer nichtlinearen Form der Polvorgabe bei der Optimierung, sind ebenso möglich. Abbildung 2 illustriert die Verwendung der Methode zur robusten Optimierung, die von den Autoren entwickelt wurde, am Beispiel einer kontinuierlich betriebenen Polymerisation.

Zusammenfassung

Neben der Simulation, die kostengünstig und gefahrlos das Experimentieren am Rechner ermöglicht, stellt die Prozessoptimierung eine der interessantesten Einsatzmöglichkeiten für Modelle verfahrenstechnischer Prozesse und Anlagen dar. Weil in der Praxis Modelle nie ein exaktes Abbild des modellierten Prozesses sein werden, sind Methoden nötig, die Ungenauigkeiten von Prozessmodellen schon während der Optimierung systematisch berücksichtigen. Die Einsatzmöglichkeiten für modellbasierte Optimierungsmethoden werden in Zukunft weiter wachsen, wenn bestehende Simulations- und Optimierungswerkzeuge um Methoden zur robusten Optimierung erweitert werden.

Kontakt:
Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Marquardt
Dr.-Ing. Martin Mönnigmann
Johannes Gerhard
RWTH Aachen
Lehrstuhl für Prozesstechnik
Tel.: 0241/809-4856
Fax: 0241/809-2326
moennigmann@lpt.rwth-aachen.de