Forschung & Innovation

Pionierarbeit in der Mechanochemie

MechSyn entwickelt nachhaltiges Verfahren zur Materialsynthese mit hochenergetischen Mahlprozessen

15.11.2023 - Özgül Agbaba, Postdoktorandin in der Abteilung für Heterogene Katalyse von Professor Ferdi Schüth am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr, hat einen Plan. Die junge Wissenschaftlerin ist dabei, ihr eigenes Start-up auf die Beine zu stellen.

MechSyn – so der Name – synthetisiert Hochleistungsmaterialien mittels Mechanochemie. Gemeinsam mit Industriepartnern wollen Agbaba und ihr Gründungspartner Christian Bürger Methoden entwickeln, um bislang auf fossilen Energieträgern basierende chemische Prozesse in elektrisch betriebene mechanochemische Prozesse umzuwandeln. In CHEManager erläutern sie das Konzept sowie ihre Pläne und Ziele.

CHEManager: Was war Ihre Motivation zur Gründung?

Özgül Agbaba: Seit längerem habe ich mit dem Gedanken gespielt, auf der Grundlage der Forschungsergebnisse unserer Gruppe ein Unternehmen zu gründen. Um dieses Vorhaben in die Wege zu leiten, habe ich einige Freunde, allesamt angesehene Wissenschaftler, zu einer Diskussion über die Kommerzialisierung unserer Forschung angeregt. Ich verfolgte dieses Projekt dann unabhängig und mit der Unterstützung und Anleitung des Direktors unserer Abteilung, Ferdi Schüth. Nach einer gründlichen Evaluierung kamen wir zu dem Schluss, dass die Mechanochemie der beste Weg ist, unsere Laborarbeit auf den Markt zu bringen. Ich hatte das Glück, ein Team von Personen zusammenstellen zu können, das die Vision und Leidenschaft für MechSyns Mission teilt.

Was ist das Besondere an Ihrer Mechanochemie-Methode?

Ö. Agbaba: MechSyn revolutioniert die Materialproduktion mit einem umweltfreundlichen Ansatz und trägt so zu einer grüneren, ressourcenunabhängigeren und kostengünstigeren Industriekultur bei. Im Gegensatz zu herkömmlichen Verfahren, die stark auf thermische und nasschemische Prozesse setzen, nutzt MechSyn die Mechanochemie zur Herstellung von Hochleistungswerkstoffen. Die herkömmlichen Verfahren verbrauchen nicht nur Ressourcen, sondern können auch giftige Abfälle und gefährliche Emissionen erzeugen. Im Gegensatz dazu verwendet MechSyn eine nachhaltige Festkörpersynthesemethode, die ausschließlich auf dem Einsatz von - idealerweise erneuerbarer - elektrischer Energie basiert und vollständig auf den Einsatz von Lösungsmitteln verzichtet. Die in Hochenergiekugelmühlen hergestellten Materialien übertreffen nicht nur häufig die bestehenden Alternativen in ihrer Leistungsfähigkeit, sondern zeichnen sich auch durch ihre Umweltfreundlichkeit und Kosteneffizienz aus. Darüber hinaus handelt es sich um patentierte Verfahren, die MechSyn zur Verfügung stehen.

Wo stehen Sie derzeit bei der Firmengründung und Verfahrensentwicklung?

Ö. Agbaba: Das Unternehmen befindet sich in der Vorgründungsphase, in der es vorrangig darum geht, die Prozesse zur Herstellung der Hochleistungsmaterialien in unserem derzeitigen Produktportfolio zu erweitern und die Unternehmenspartnerschaften auszubauen. So entwickeln wir zum Beispiel α-Aluminiumoxid mit großer Oberfläche als Katalysator oder Katalysatorträger. Die formelle Gründung soll bis spätestens 2025 erfolgen.

Wo finden sie Unterstützung in der Gründungsvorbereitungsphase?

Ö. Agbaba: Die wichtigste Unterstützung haben wir von unserem Direktor Ferdi Schüth, dem Max-Planck-Institut für Kohlenforschung und dem Team von Max-Planck-Innovation erhalten. Wir haben auch die Unterstützung von Alumni unserer Gruppe, die ein solides berufliches Netzwerk aufgebaut haben. So freuen wir uns zum Beispiel über die Zusammenarbeit mit Wolfram Stichert, der einer der Mitbegründer der Firma HTE ist und unserem wissenschaftlichen Beraterteam beigetreten ist.

Welche Hürden müssen Sie noch meistern?

Ö. Agbaba: In der chemischen Indus­trie sind erhebliche Anfangsinvestitionen ein typisches Hindernis. Diese Startinvestitionen belaufen sich oft auf mehrere Millionen Euro, vor allem wenn es darum geht, Produktionskapazitäten aufzubauen, um die unmittelbare Nachfrage in industriellen Mengen zu decken. Aufgrund des Bedarfs an neuen, energieeffizienten Verfahren, des innovativen Charakters unserer Materialien und Methoden und der äußerst positiven Marktresonanz, die wir erhalten haben, sind wir jedoch zuversichtlich.

Was sind die nächsten Pläne?

Christian Bürger: Kürzlich haben wir eine EXIST-Förderung beantragt, die es uns ermöglichen soll, an den Scale-­up-Studien zu arbeiten und das Unternehmen zu finanzieren, um die Zusammenarbeit mit unseren Kunden weiter auszubauen. Wir werden uns verstärkt darauf konzentrieren, unsere Syntheseverfahren innerhalb weniger Jahre auf ein industrielles Niveau zu skalieren. Danach werden wir mit dem Aufbau einer eigenen Produktionsstätte beginnen. Unsere Vision ist es, unsere Reichweite über Europa hinaus auf globale Märkte auszubauen. Dies wollen wir nicht nur durch den Verkauf unserer mechanochemisch hergestellten Hochleistungswerkstoffe erreichen, sondern auch durch die Entwicklung der Produktionsverfahren in Zusammenarbeit mit Partnerunternehmen weltweit. Parallel dazu bemühen wir uns aktiv um neue Partnerschaften mit Herstellern, Zulieferern und anderen Kooperationspartnern. Die ersten Chemieproduzenten haben bereits das Potenzial unserer Technologie erkannt und sind mit uns Kooperationen eingegangen.

CM   Business Idea

 

Förderung der Nachhaltigkeit

MechSyn ist auf die Herstellung von Hochleistungsmaterialien für die Chemie-, Energie- und Automobilindustrie spezialisiert. Das Team des angehenden Start-ups leistet Pionierarbeit auf dem Gebiet elektrisch angetriebener mechanochemischer Prozesse, welche mit fossilen Brennstoffen betriebene Verfahren ersetzen und die Materialsynthese bei Raumtemperatur und Umgebungsdruck ohne den Einsatz von Lösungsmitteln ermöglichen. Die patentierten Mahlverfahren und Spezialprodukte helfen den Kunden, Kosten zu senken und die Umweltbelastung zu verringern.

Das Geschäftsmodell stützt sich auf drei wichtige Säulen:

  1. Produktverkauf: Die primäre Einnahmequelle sind innovative Produkte, die Vorteile gegenüber bestehenden Alternativen bieten.
  2. Entwicklungsprojekte: Das Team konzentriert sich auf Projekte, die darauf abzielen, traditionelle thermochemische Prozesse in umweltfreundliche, elektrisch betriebene, lösungsmittelfreie Alternativen umzuwandeln. Bei diesen Projekten handelt es sich um Kooperationen oder eigene Initiativen.
  3. Generierung und Lizenzierung eigener geistiger Eigentumsrechte: MechSyn investiert in die Forschung zur Entwicklung innovativer Produkte und Verfahren und generiert so lizenzierbares geistiges Eigentum.

Die Mechanochemie ist eine Technik, die es schon seit langem gibt. Doch erst in jüngster Zeit hat sie mit dem Aufkommen moderner Hochenergiekugelmühlen an ­Attraktivität gewonnen. Durch den Einsatz verschiedener Arten von Kugelmühlen will MechSyn folgende Hochleistungsmaterialien synthetisieren und verkaufen:

  • α-Al2O3 mit einer Oberfläche von > 120 m2/g
  • geträgerte Katalysatoren
  • geträgerte oder nicht-geträgerte Legierungen (einschl. schwer zugänglicher Legierungen)
  • Übergangsmetallcarbide/-nitride/-boride

Einige dieser Materialien existieren gegenwärtig nicht auf dem Markt, weil es bisher nicht möglich war, sie auf andere Weise zu synthetisieren, oder weil die herkömmlichen Verfahren zu ihrer Herstellung nur begrenzt anwendbar sind, da bei lösungsmittelbasierten Prozessen große Mengen an Abfall anfallen und viel Energie verbraucht wird. Durch Forschungskooperationen ist MechSyn mit den Industrien verbunden, die diese Materialien verwenden.

MechSyn     MechSyn, c/o Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, Mülheim an der Ruhr

www.linkedin.com/company/mechsyn/

CM   Elevator Pitch

 

Eine transformative Reise

MechSyn hat sich zum Ziel gesetzt, mit Hilfe der Mechanochemie innovative Hochleistungsmaterialien zu entwickeln und dieses aufstrebende Gebiet durch kontinuierliche Forschung zu ergründen.

Unterstützung hat das Gründerteam von Professor Ferdi Schüth, dem Max-Planck-Institut für Kohlenforschung und dem Team von Max-Planck-Innovation sowie von Alumni, die ein solides berufliches Netzwerk aufgebaut haben.

Der offizielle Start von MechSyn als Unternehmen ist spätestens 2025 geplant, nach dem Abschluss von Scale-up-Studien und realen Anwendungstests für die Hauptprodukte. Der bisherige Weg der Gründer war gekennzeichnet durch erfolgreiche Scale-up-Studien und Feldtests der Kernprodukte. Die Zusammenarbeit mit Projektpartnern im Rahmen von Entwicklungsinitiativen bringt MechSyn der Realisierung des industriellen Potenzials näher, und die technologischen Innovationen versprechen, einen wesentlichen Beitrag zu leisten.
Die Technologie der Mechanochemie ist umfangreich und variabel. Die Gründer glauben an das Potenzial, mit ihrem Lösungsportfolio einen aktiven Beitrag zu den globalen UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) zu leisten, und wollen mit ihren Kunden und Dienstleistern zusammenarbeiten und gemeinsam wachsen.

Meilensteine

  • 2023 und früher
    - Konzeptnachweis im Labormaßstab für die Materialproduktion
    - Ein Verfahren patentiert, Patente für zwei weitere Verfahren angemeldet
    - Durchführung erster Scale-up-Studien
    - Bereitstellung von Mustern für potenzielle Kunden zu Testzwecken
    - Teilnahme an der „From Lab to Market Challenge“ von Chemstars.NRW
    - Antrag auf EXIST-Forschungstransfer

Roadmap

  • 2024
    - Abschluss der Scale-up-Studien
    - Durchführung von Versuchen bei Kunden/Partnern
    - Erprobung der Pilotanlage
    - Erweiterung des Produkt­portfolios
  • 2025
    - Initiierung von Entwicklungs­projekten mit Unternehmen
    - Offizielle Gründung des Unternehmens
    - Allgemeiner Markteintritt in Kernmärkte
    - Ausbau der Unternehmensmarke
    - Beantragung weiterer Finanzierungen

 

Zur Person

Özgül Agbaba   Özgül Agbaba, Postdoktorandin am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung (MPI KOFO) unter der Leitung von Professor Ferdi Schüth, hat einen breiten akademischen Hintergrund in den Bereichen Materialsynthese, Reaktionstechnik und Design komplexer Reaktionsanlagen mit Stationen in der Türkei, Finnland, den Niederlanden und Deutschland. Zudem sammelte sie mehr als sechs Jahre Erfahrung in der pharmazeutischen Industrie.

Zur Person

Christian Bürger   Christian Bürger ist seit mehreren Jahren als Unternehmer und Berater mit der Entwicklung von Geschäftsmodellen für Industrieunternehmen befasst. Von 2016 bis 2020 war er Geschäftsführer von Chembid. Zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn war er im Business Development und Vertrieb für Mitsubishi Electric und ThyssenKrupp tätig. Er studierte Sales Engineering and Product Management an der Ruhr-Universität Bochum sowie im Executive-Management-Programm an der MIT Sloan School of Management.

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