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Spezialchemie auf vier Säulen

06.01.2013 -

Spezialchemie auf vier Säulen. Die „neue Altana" zeigt Flagge - profitable Spezialchemie mit neuem Gesicht

Lange Zeit stand es im Schatten wachstumsstarker Blockbuster - das traditionsreiche und zugleich hoch profitable Chemiegeschäft des Chemie- und Pharmakonzerns Altana.

Durch den Verkauf der Pharmasparte an das dänische Unternehmen Nycomed wendete sich das Blatt. Seit Anfang Mai präsentiert sich die Chemiesparte selbstbewusst als „neue" Altana mit Sitz in Wesel.

Dr. Andrea Gruß sprach mit dem Vorstandsvorsitzendem Dr. Matthias L. Wolfgruber über den Start und die Zukunft des neuen Spezialchemiekonzerns.

 


CHEManager: Nach der Aufspaltung des Altana-Konzerns steht die Chemiesparte nicht mehr im Schatten der umsatzstärkeren Pharmaaktivitäten. Welche Veränderungen bringt dies für das Chemiegeschäft?

Dr. M. Wolfgruber: In der Öffentlichkeit mag das Chemiegeschäft der Altana in den vergangenen Jahren im Hintergrund gestanden haben, aber in unseren Märkten waren und sind wir führend und damit sehr präsent.

Die Chemie hat sich unter dem Dach des Altana-Konzerns optimal entwickelt. Wir haben in den letzten 10 Jahren im Durchschnitt ein Umsatzplus von 14 % erzielt, und das bei einer Profitabilität am oberen Ende der Bandbreite in der Chemieindustrie.

Daher stehen bezüglich der Geschäftsstrategie nach der Konzernaufspaltung keine grundlegenden Veränderungen an. Was sich allerdings ändert:

Wir müssen uns in der Öffentlichkeit, am Kapitalmarkt und auch im Arbeitsmarkt als reines Spezialchemieunternehmen etablieren.

 


Wie gehen Sie dabei vor?

Dr. M. Wolfgruber: Wir haben auf der Hauptversammlung Anfang Mai unseren neuen Markenauftritt vorgestellt. Mit einer starken Markenfamilie unter der Dachmarke Altana wollen wir unsere Identität nach innen und außen deutlich sichtbar machen und in der Öffentlichkeit als innovatives Spezialchemieunternehmen wahrgenommen werden.

Unsere vier Geschäftsbereiche Additives & Instruments, Effect Pigments, Electrical Insulation und Coatings & Sealants treten in Zukunft unter den bereits etablierten Marken Byk und Eckart und den neuen Marken Elantas und Actega auf.

Der Gesamteindruck vermittelt einen Neubeginn, ohne die Wurzeln aufzugeben und fördert den Zusammenhalt, ohne die starke Präsenz der Geschäftsbereiche zu schmälern.

 


Wie reagierte der Kapitalmarkt auf die „neue" Altana?

Dr. M. Wolfgruber: Nach der Abspaltung des Pharmageschäfts sind wir als reines Spezialchemieunternehmen im MDAX notiert.

Der Markt bewertet unsere Aktie sehr positiv. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20 bewegen wir uns in illustrer Gesellschaft, nämlich im Bereich führender Spezialchemieunternehmen wie Givaudan, Symrise, Lonza und Wacker, das heißt, der Kapitalmarkt hat die Qualität unseres Geschäftes erkannt.

Das gleiche Interesse erfahren wir auf der Fremdkapitalseite, wie die erfolgreiche Platzierung unserer Konsortialkreditlinie von 400 Mio. € Anfang Mai unterstreicht. Bei einer Beteiligung von insgesamt 17 Banken war das Syndizierungsverfahren deutlich überzeichnet.

 


Was macht die Stärke Ihres Geschäftsmodells aus?

Dr. M. Wolfgruber: Alle unsere Geschäftsfelder fokussieren sich auf stark wachsende Spezialitätenmärkte. Märkte, die sich deutlich über dem allgemeinen Wirtschaftswachstum entwickeln und in denen wir global führende Positionen einnehmen.

Aber die Geschäftsbereiche verfügen nicht nur über ein vergleichbares Potential hinsichtlich Wachstum und Ertrag, sie nehmen in ihren Zielmärkten auch eine vergleichbare Position ein, was den Spezialitätencharakter des Geschäfts, die Qualität sowie Innovation und Serviceorientierung betrifft.

Da alle unsere Geschäfte wissens- und servicegetrieben sind ergeben sich beispielsweise Synergien im Key-Account-Management oder im Bereich Innovation.

 


... obwohl Ihre Produkte in viele verschiedene Abnehmerbranchen gehen?

Dr. M. Wolfgruber: Was Sie hier ansprechen, sind nicht unsere direkten Kunden, sondern die Endkundenbranchen. Hier hängen wir von keiner Industrie mit mehr als 15 % unseres Umsatzes ab.

Das macht unser Geschäft robust und unabhängig von den Zyklen einzelner Branchen. Unsere direkten Abnehmer stammen dagegen überwiegend aus der Lackbranche und der grafischen Industrie, der Elektro- und Elektronikoder der Verpackungsindustrie.

Hier gibt es erhebliche Überlappungen und damit Synergien bei Byk, Eckart und Actega. Unsere Märkte sind anspruchsvolle Nischenmärkte. Wir sind fast ausnahmslos die Nummer eins in diesen Nischen und verfügen damit über einen deutlich höheres Maß an Spezialisierung als andere Unternehmen - selbst, wenn diese Unternehmen am Gesamtumsatz gemessen größer sind als wir.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir schätzen, dass der Teilmarkt für hochwertige Lackadditive, auf den sich Byk konzentriert, ungefähr 1,8 Mrd. € umfasst. Byk setzt über 300 Mio. € mit diesen Additiven um; der nächste, unmittelbar vergleichbare Wettbewerber nur noch ungefähr 100 Mio. €. Das Ausmaß der Spezialisierung ist unsere absolute Stärke.

 


Eine hohe Spezialisierung geht meist mit einem hohen Forschungsaufwand hoch sind hier Ihre Investitionen?

Dr. M. Wolfgruber: Unser Forschungsaufwand lag im letzten Jahr bei 5,2 % des Umsatzes.

Wir wollen ihn auf 6 % steigern. Die hohen Forschungsaufwendungen im Vergleich zu den eher niedrigeren Produktionskosten, ebenso wie der hohe Aufwand für Marketing und Vertrieb von ungefähr 15 % des Umsatzes - fast vergleichbar mit denen eines Pharmaunternehmens - unterstreichen, dass unser Geschäft stark wissensgetrieben ist.

Unsere Stärke ist die Kombination von chemischem Wissen, Formulierungs- und Anwendungswissen, durch die wir unseren Kunden neue Möglichkeiten bieten.

 


Welche Wachstumsziele haben Sie sich gesetzt?

Dr. M. Wolfgruber: Wir wollen im mehrjährigen Durchschnitt 6 % organisch wachsen. Damit würden wir etwa um 1 % schneller wachsen als unsere Zielmärkte.

Denn als weltweiter Marktführer, und das sind wir heute in drei von vier Geschäftsbereichen, und als Innovationsführer, schaffen wir ja auch neuen Marktraum. Zudem haben wir bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass wir durch Akquisitionen Werte schaffen.

Wir haben in den letzten 17 Jahren ungefähr 25 Akquisitionen getätigt, kleinere und größere, und verfügen deshalb über reichlich Erfahrung in diesem Prozess, ebenso wie bei der Integration von Unternehmen. Zusätzlich zum organischen Wachstum wollen wir nochmals mindestens 4 % pro Jahr im Durchschnitt durch arrondierende Akquisitionen zulegen, bestehende Geschäftsfelder der Altana verstärken, indem sie beispielsweise einen zusätzlichen Marktzugang schaffen oder neue Technologien einbringen.

Akquisitionen in diesem Umfang können wir aus unserem Cashflow finanzieren, ohne die Bilanzsituation zu verändern.

Erst vor wenigen Wochen haben wir z. B. einen Vertrag über die Übernahme des Wolstenholme-Pigmentgeschäfts unterschrieben, das Bronzeund Aluminiumpigmente sowie darauf basierende Druckfarben für die grafische Industrie, die Lack- und Kunststoffindustrie umfasst.

Das britische Unternehmen erzielte im Jahr 2006 mit diesem Geschäftsfeld weltweit rund 29 Mio. €.

 


Wie werden Sie dieses Geschäft in Ihre bestehenden Aktivitäten integrieren?

Dr. M. Wolfgruber: Der Vorteil bei Akquisitionen, bei denen Sie konsolidierend am Markt auftreten, ist, Sie müssen nicht den gesamten Fixkostenblock mit übernehmen.

Wir übernehmen nur das Geschäft, d.h. Formulierungen, die Produkttechnologie, die Kundenbeziehung, aber nicht den Standort.

Die Produktionsstätte und Mitarbeiter von Wolstenholme in Großbritannien werden nicht übernommen; stattdessen wird Eckart die entsprechenden Produktionskapazitäten im Stammwerk im fränkischen Güntersthal ausbauen und dort mittelfristig rund 10 Mio. € investieren.

Bis zur vollständigen Übernahme der Produktion in Deutschland werden für eine Übergangszeit die Effektpigmente im Auftrag von uns weiter von Wolstenholme produziert.

 


Denken Sie auch über neue Geschäftsfelder nach?

Dr. M. Wolfgruber: Ja, genauso wie wir im Jahr 2005 durch die Übernahme von Eckart uns einen neuen Geschäftsbereich erschlossen haben, suchen wir auch weiterhin nach Geschäftsfeldern in der Spezialchemie, die ähnliche Erfolgsfaktoren aufweisen wie unsere vier bestehenden Geschäftsbereiche:

Sie sollten stark wachsende Märkte bedienen, in denen eine führende Position möglich ist und ähnlich ‚ticken' wie unsere bestehenden Geschäftsfelder, d.h. vergleichbare Kundengruppen bedienen, Technologien nutzen oder vergleichbare Kompetenzen erfordern.

Wir sind überzeugt davon, dass unser Geschäftsmodell skalierbar ist und wir noch weitere Geschäftsbereiche ebenso erfolgreich integrieren können.

 


Wie ist Ihre Prognose für das laufende Geschäftsjahr?

Dr. M. Wolfgruber: Wir rechnen mit einer sich weiterhin sehr dynamisch entwickelnden Nachfrage und einem insgesamt sehr guten Geschäftsjahr. Bereits nach dem ersten Quartal haben wir Umsatzerlöse zwischen 1,34 bis 1,39 Mrd. € für 2007 vorausgesagt, nach einem Umsatz von 1,29 Mrd. € im Vorjahr.

Beim EBITDA wollen wir prozentual deutlich zweistellig wachsen und uns dabei auch weiterhin in einem Zielkorridor von 18 bis 20 % EBITDA-Marge bewegen.

Dies haben wir im ersten Quartal sogar trotz Mehrbelastung durch die noch doppelstöckige Holding-Struktur erreicht. Diese wird nach der Verlagerung des Unternehmenssitzes von Bad Homburg nach Wesel ab dem zweiten Halbjahr entfallen.

Unsere Prognose werden wir anlässlich unserer Halbjahreszahlen, die wir am 8. August veröffentlichen, nochmals aktualisieren.

 


Derzeit ist die Stimmung in der Chemie gut. Nach unserem Trendbarometer CHEMonitor erwarteten bereits zu Jahresbeginn mehr als die Hälfte der deutschen Chemiemanager eine Umsatzsteigerung von über 5 %, rund ein Viertel sagte gar ein Umsatzplus von über 10 % voraus. Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Chemiekonjunktur entwickeln?

Dr. M. Wolfgruber: Aus unserer Sicht entwickelt sich das Jahr 2007 genauso dynamisch wie das vorangehende.

Der Verband der Chemischen Industrie hatte zunächst zu Jahresbeginn nach einem sehr guten Jahr 2006 erwartet, dass sich das Wachstum abschwächt und nun schrittweise seine Prognosen von 2,5 % Umsatzwachstum auf 7,5 % angehoben.

Wir teilen diese Einschätzung und sehen kein wirkliches Ende des sehr günstigen Umfeldes für die Chemie, jedenfalls für 2007.