Anlagenbau & Prozesstechnik

Störungen im Ex-Bereich

Experimentelle Untersuchung von Magnetkupplungspumpen

04.12.2018 -

Chemienormpumpen mit Magnetkupplung als Abdichtung sind in großer Zahl in der chemischen und petrochemischen Industrie im Einsatz. Die Pumpen sind dort überwiegend in explosionsgefährdeten Bereichen der Zone 1 oder 2 aufgestellt.

Pumpen, die in explosionsgeschützten Bereichen betrieben werden sollen, werden üblicherweise einer Zündgefahrenbewertung nach EN ISO 80079-36 (früher EN 13463-1) unterzogen, um potenzielle Zündquellen zu erkennen und die erforderlichen Gegenmaßnahmen für die gewünschte Gerätekategorie zu definieren. Potenzielle Zündquellen sind bspw. in Form von heißen Oberflächen oder mechanischen Funken beim Betrieb der Pumpe gegen geschlossene druckseitige Armatur, Trockenlauf nach Entleerung eines saugseitigen Behälters etc. ohne weiteres nicht auszuschließen.

Fehlerszenarien unter realistischen ­Bedingungen
Diese Fehlerszenarien können auf Prüfständen simuliert werden, wobei die Temperaturentwicklung an kritischen Stellen gemessen wird. Der Nachteil dieses Vorgehens ist, dass die Pumpen bei den Versuchen in der Regel mit Wasser betrieben werden, da Versuche mit anderen Flüssigkeiten häufig aus Sicherheitsgründen nicht durchgeführt werden können. Die Ergebnisse müssen dann auf die anderen Flüssigkeiten umgerechnet werden, was nur mit mehr oder weniger großen Unsicherheiten möglich ist. Darüber hinaus liegen dem Hersteller in der Regel Informationen über die spezifischen Prozessrandbedingungen und die Einbindung in den Betrieb nicht vor.
Aus dieser Fragestellung heraus wurde durch Bayer ein Projekt angestoßen, bei dem Magnetkupplungspumpen unter realistischen Bedingungen mit typischen Flüssigkeiten gezielt nicht bestimmungsgemäß betrieben werden sollten, um eine belastbare Basis für die Gefährdungsbeurteilung des Betreibers zu bilden. Für die Versuche wurde von der Bayer-­Abteilung „Process and Plant Safety“, ein Prüfstand zur Verfügung gestellt, der in einem Versuchsbunker von Bayer aufgebaut wurde. Hier konnte eine Versuchspumpe unter definierten, nicht bestimmungsgemäßen Bedingungen betrieben werden. Durch den Versuchs­aufbau im Bunker war dabei auch ein Betrieb bis zum Totalversagen der Pumpe (z.B. im Fall einer Explosion) möglich.
Bei der Versuchspumpe handelte es sich um eine magnetgekuppelte Chemienormpumpe nach EN 15783, Baugröße 50–200 nach EN ISO 2858. Mit dieser Pumpe wurden bei einer Drehzahl von 2.900 U/ min Versuche mit zersetzenden Medien und brennbaren Flüssig­keiten durchgeführt. Die Leistungsaufnahme der Pumpe betrug abhängig vom Betriebs­zustand und Dichte der Flüssigkeit zwischen 6 und 10 kW. Die Pumpe war für alle Versuche im Tiefpunkt („Siphon“) des Versuchsstands eingebaut, sodass bei einem Min-Stand in dem vorgelagerten Behälter die Flüssigkeitssäule auf der Druckseite erhalten blieb. Dies entspricht der typischen Installation in den Betrieben und gewährleistet auch bei zu niedrigem Stand in dem Vorlagebehälter eine gewisse Restflüssigkeit in der Versuchsanordnung.

Die Pumpe als potentielle Zündquelle
Die temperaturkritischen Stellen an einer Magnetkupplungspumpe sind die Oberfläche des Spiralgehäuses und des Spalttopfes. Bei Störungen oder nicht-bestimmungsgemäßem Betrieb wird Wärme infolge von Reibung in der Pumpenhydraulik und durch Induktion im metallischen Spalttopf frei. Wenn die Pumpe z. B. gegen geschlossene druckseitige Armatur betrieben wird, wird die komplette aufgenommene Pumpenleistung in der Hydraulik in Wärme umgesetzt. Die Pumpenoberfläche kommt bei Aufstellung im Ex-Bereich mit der Ex-Atmosphäre in Kontakt und ist eine potenzielle Zündquelle. Während des Versuchs wurden daher Temperaturen an Druck- und Saugstutzen und die Temperatur an der äußeren Spalttopfoberfläche mit einem schnell reagierenden Thermoelement gemessen. Weiterhin wurden die Drücke an Druck- und Saugstutzen sowie die Leistungsaufnahme der Pumpe gemessen.
Um das Verhalten sich unter Temperatur zersetzender Flüssigkeiten zu untersuchen, wurden Versuche mit Wasserstoffperoxid (H2O2) in den Konzentrationen 20, 30 und 50 % durchgeführt. Bei der Zersetzung von Wasserstoffperoxid wird gasförmiger Sauerstoff unter Wärmeentwicklung freigesetzt. Während des Versuchs wurde die entstehende und über die Saugleitung der Pumpe abgeführte Gasmenge gemessen. Es trat kein kritischer Druckaufbau oder Erwärmung auf, die Pumpe überstand den ca. ein-stündigen Versuch ohne Ausfall und Beschädigung.

Versuch mit Isopropanol
Ein weiterer Versuch wurde mit Isopropanol (C3H8O) durchgeführt. Isopropanol hat einen Flammpunkt von 12 °C und bildet damit bereits bei Umgebungsbedingungen explosions­fähige Dampf-Luft-Gemische. Die Siedetemperatur liegt bei 82 °C. Bei Wegfall der Flüssigkeitszufuhr auf der Saugseite wurde mittels eines über eine Verdünnungssonde angeschlossenen FID die Brennstoffkonzen­tration am saugseitigen Pumpenflansch in Abhängigkeit von der Versuchsdauer ermittelt. Daraus konnte der Zeitraum bestimmt werden, in dem die Konzentration innerhalb der Zündgrenzen lag. Dieser Zeitraum war für Isopropanol stets kürzer als 30 min. Während dieses Zeitraums wurden keine Unregelmäßigkeiten an der Pumpe festgestellt, auch bei diesem Versuch blieb die Pumpe während des ca. ein-stündigen Versuchs ohne Beschädigung bzw. ohne Zündung der in der Pumpe befindlichen Gasphase. Weiterhin wurde die Pumpe mit Isopropanol bei Wegfall der Flüssigkeitszufuhr auf der Saugseite und offener Druckseite über einen Zeitraum von ca. 10 Stunden gefahren. Alle Messwerte blieben konstant, die Temperatur am Spalttopf betrug konstant ca. 100 °C, was der Siedetemperatur des Isopropanols unter den Druckbedingungen im Spalttopf und der Temperaturerhöhung infolge der Erwärmung im Spalttopf durch Induktion des rotierenden Magnetfeldes entspricht. Nach der Demontage wurde die Pumpe demontiert, die produktgeschmierten Gleitlager und der Spalttopf zeigten keine Beschädigungen.

Versuch mit Wärmeträgeröl
Der nächste Versuch sollte Aufschluss darüber geben, inwieweit Betrieb bei hohen Temperaturen die Pumpe schädigen kann. Dazu wurde die Pumpe mit einem Wärmeträgeröl betrieben. Aufgrund der hohen Siedetemperatur des Wärmeträgeröls (ca. 385 °C bei Umgebungsdruck) können hohe Temperaturen erreicht werden. Bei diesem ca. vier Stunden andauernden Versuch mit Betrieb gegen geschlossenes druckseitiges Ventil und offener Saugseite wurde am Spalttopf eine stationäre Temperatur von ca. 200 °C erreicht.
Die eingesetzte Flüssigkeit lag damit oberhalb ihres Flammpunktes vor, ohne aber die ober Explosionsgrenze oder die Siedetemperatur des Wärmeträgeröls zu erreichen. In diesem Zustand ist die Wärmeerzeugung durch Verlustleistung in der Pumpenhydraulik und im Magnetantrieb (ca. 6 kW) im Gleichgewicht mit der Wärmeabgabe nach außen. Auch bei diesem Versuch wurden weder während des Versuchs noch nach der Demontage keine Unregelmäßigkeiten und Beschädigungen an der Pumpe festgestellt.

Versuch mit einer Chlotianidin-Wassersuspension
Bei einem abschließenden Versuch wurde die Pumpe mit einer Chlotianidin-Wassersuspension betrieben. Es handelt sich dabei um ein von Bayer entwickeltes und unter dem Handelsnamen „Poncho“ vertriebenes Insektizid. Die Suspension weist eine Zersetzungstemperatur unterhalb der Siedetemperatur auf und kann sich schlagartig unter heftiger Gasfreisetzung und entsprechendem Druckaufbau sowie hoher Wärmeentwicklung zersetzen. Die Pumpe wurde etwa 60 Minuten gegen geschlossene Druckseite betrieben, dann kam es zur Blockade der Pumpenwelle verbunden mit einem Abriss der Magnetkupplung. Nach der Demontage wurde festgestellt, dass sich die Gleitlagerung durch Reaktionsprodukte komplett zugesetzt hatte und schließlich blockierte. Abbildung 3 zeigt den Pumpenrotor mit innerem Magnetträger und Laufrad nach der Demontage. Der Spalttopf blieb nahezu unbeschädigt, es kam zu keinem Produktaustritt. Allerdings führte die mit der Zersetzung des Produkts einhergehende mangelhafte Durchströmung des Spalttopfs und zu einer Temperatur von ca. 450 °C am Spalttopf.

Die wichtigste Maßnahme zur Vermeidung von Explosionen
Zusammenfassend kann man feststellen, dass es während der ca. 20 Versuche zu keiner Zündung und keinem Produktaustritt nach Ausfall der Pumpe kam. Solange sich Restflüssigkeit im Innern der Pumpe befindet, nimmt diese Flüssigkeit die entstehende Wärme bei unzulässigem Pumpenbetrieb auf. Die maximale Temperatur der Pumpe wird bei nicht zersetzenden Stoffen auf die Siedetemperatur der Flüssigkeit begrenzt. Durch den relativ großen Energieeintrag der Pumpe und der begrenzten Restflüssigkeit erfolgt der Temperaturanstieg in der Pumpe so schnell, dass die Konzentration des sich auf der Saugseite bildenden zündfähigen Gases nur kurze Zeit innerhalb der Explosionsgrenzen ist und die obere Zündgrenze schnell überschritten wird. Diese Erkenntnis kann man auf eine Vielzahl von Produkten übertragen, da der Einfluss der Wärmekapazität der Restflüssigkeit gegenüber der Wärmekapazität der metallischen Pumpenbauteile eher vernachlässigbar ist.
Weiterhin wurde ein Anlaufen des Rotors, der zu mechanischen Funken führen kann, unter den vorliegenden Versuchsbedingungen bei Wegfall der Flüssigkeitszufuhr auf der Saugseite auch über einen Zeitraum von mehreren Stunden nicht beobachtet. Zudem wäre auch für den Fall des Anlaufens noch ausreichend Restflüssigkeit vorhanden, durch die das Wirksamwerden von heißen Oberflächen oder Funken eingeschränkt wird. Entsprechend zeigen die Versuche, dass die wichtigste Maßnahme zur Vermeidung von Explosionen für die hier betrachteten Kreiselpumpen bei Aufstellung im Tiefpunkt („Siphon“) das Befüllen der Pumpe vor dem Start ist. Bei Flüssigkeiten mit hohen Flammpunkten ist die Erwärmung der Flüssigkeit im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung des Betreibers zu berücksichtigen. Bei zersetzenden Flüssigkeiten muss in der Gefährdungsbeurteilung bewertet werden, ob durch die freiwerdende Zersetzungswärme und etwaige Gasentwicklung kritische Zustände innerhalb der Pumpe auftreten können.

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