Anlagenbau & Prozesstechnik

Biokraftstoffe: Lösen sie das Energieproblem?

10.12.2012 -

Biokraftstoffe: Lösen sie das Energieproblem?

Der weltweite Energiebedarf wächst ständig. Vor allem in bevölkerungsreichen Ländern wie China, Indien und Afrika wird sich in den nächsten Jahren der Energieverbrauch deutlich erhöhen. Schätzungen verschiedenster Quellen gehen von einer Verdopplung des Weltenergieverbrauchs bis zum Jahre 2050 aus. Um den bevölkerungsreichen Ländern einen ähnlichen Lebensstandard wie den Industrienationen zu ermöglichen, müssen alle auf der Welt verfügbaren Ressourcen genutzt werden. Der Bedarf an Energie kann nicht durch Erdöl und Erdgas alleine gedeckt werden, sondern es müssen auch die so genannten nachwachsenden Rohstoffe Einsatz finden. Bis 2050 werden nur noch rund 50% der Energie aus Erdöl und Erdgas gewonnen werden, der Rest wird aus Kohle und vermehrt auch aus Biomasse kommen.

Im Jahre 2005 deckte die Biomasse nur 10 – 15 % entsprechend 45 +/– 10 Exajoule (EJ) der 420 EJ des Weltenergiebedarfs. Gleichzeitig wurden 3,8 Mrd. t Rohöl verarbeitet. Obwohl die Emissionswerte für Schadstoffe kontinuierlich geringer werden, nimmt der Anteil an CO2 in der Atmosphäre so lange zu, bis effektivere Verfahren oder nachwachsende Rohstoffe eingesetzt werden. Das Kyoto-Protokoll und die damit verbundene Notwendigkeit, die CO2-Emissionen deutlich zu senken, wirken sich vor allem in Europa aus. Dieser europäische Trend bewirkt, dass auch Länder wie USA, Brasilien und China entsprechende Gesetze verabschieden und in Technologien zur Produktion von Biotreibstoffen investieren.

Biotreibstoffe der 1. Generation

Biodiesel und Bioethanol, die so genannten Biotreibstoffe der 1. Generation, werden aus Ölfrüchten bzw. Stärke liefernden Pflanzen hergestellt. In 2005 wurden 125 Mio. t Fette und Öle produziert, wovon rund 90 % in die Nahrungsmittelindustrie gingen. Diese Zahlen verdeutlichen, dass der Einsatz von Biodiesel und Bioethanol nur einen ersten Schritt zur Lösung des Weltenergieproblems darstellt. Fachleute schätzen, dass bis zum Jahre 2010 14 –15 Mio. t dieser beiden Treibstoffe in Europa beigemischt werden. Ganz anders sieht die Situation in Brasilien aus. Hier werden mittlerweile mehr als 50 % des Treibstoffes aus Zuckerrohr produziert. Auch die USA konzentrieren sich zusehends auf Ethanol. Dort werden mittlerweile über 10 Mio. t pro Jahr hergestellt. Zum Vergleich: Die Weltproduktion von Bioethanol im Jahr 2005 betrug ca. 40 Mio.t.

Viele Länder prüfen mittlerweile bestehende und zukünftige Technologien zur Herstellung von Treibstoffen auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Der Frankfurter Anlagenbauer Lurgi hat, basierend auf ihren seit Jahrzehnten bekannten Fett- und Öltechnologien, ihr Biodieselverfahren zu einem Weltstandard erhoben. Sie deckte im Jahre 2005 ca. 50% des weltweit produzierten Biodiesels durch ihr Verfahren ab. Dieser Trend wird sich bis zum Jahr 2010 verstärkt fortsetzen. Die Anlagengrößen werden von anfangs 10.000 – 40.000 auf 200.000 – 500.000 t/a steigen. Ermöglicht werden diese Anlagengrößen durch eine kontinuierliche Fortentwicklung des Anlagenkonzeptes, die Modularisierung von Anlagenteilen und den Einsatz verschiedenster Pflanzenöle. Experten gehen davon aus, dass in Europa bis zum Jahre 2010 Bioethanolanlagen in der gleichen Größenordnung wie Biodiesel gebaut werden. Hier profitiert Lurgi von den Erfahrungen mit unterschiedlichen Rohstoffen wie Zucker, Getreide, Mais und Cassava in den USA und in Europa. Auch auf dem Gebiet des Bioethanols geht der Trend zu deutlich höheren Anlagenkapazitäten. Anfangs produzierte man 50.000, mittlerweile haben sich weltweit Standardgrößen von 100.000 – 300.000 t/a Bioethanol durchgesetzt.

Biotreibstoffe der 2. Generation

Trotz dieser enormen Investitionsanstrengungen können Treibstoffe auf Basis der Pflanzenfrüchte wie Biodiesel und Bioethanol alleine nicht das CO2-Problem und den steigenden Bedarf an Energie lösen. Hierzu benötigt man Biotreibstoffe der zweiten Generation, die die gesamte Pflanze bzw. Biomasse als Ausgangsstoff haben und nach Meinung von Wissenschaftlern ein Drittel des Weltenergiebedarfs decken könnten. Deshalb entstehen weltweit immer mehr Forschungsprojekte, die zum Ziel haben, Verfahren zum Einsatz von Biomasse zur Marktreife zu bringen.

Um Biomasse zu verwenden, muss man diese zunächst auf eine hohe Energiedichte komprimieren und zu Synthesegas, einem Gemisch aus CO, H2, CO2 und N2, umwandeln. Die verschiedensten Technologien zur Erzeugung von Synthesegas nehmen dabei unabhängig vom Rohstoff eine Schlüsselstellung ein. Zur Verarbeitung von Biomasse werden weltweit unterschiedlichste Verfahren entwickelt. Zwei Verfahren erweisen sich als besonders Erfolg versprechend: Beim ersten wird die Biomasse nach vorheriger Pelletierung direkt bei Niederdruck vergast, das Synthesegas gereinigt und einer Fischer Tropsch-Synthese zugeführt. Das zweite Verfahren wird von Lurgi bevorzugt und zusammen mit dem Großforschungszentrum Karlsruhe zur technischen Reife entwickelt. Es wandelt die Biomasse dezentral in ein so genanntes Bio Crude Oil um, welches transport- und lagerfähig ist. Dabei kommt das seit langem großtechnisch bewährte LR-Verfahren zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um eine Flash- Pyrolyse, bei der innerhalb von Sekunden in einem Doublescrew- Reaktor die Biomasse in Pyrolyseöl, -gas und Koks umgewandelt wird. Das stabilisierte Bio Crude Oil kann anschließend beispielsweise in einem Flugstromvergaser (entrained flow gasifier) zu Synthesegas umgewandelt werden.

Die Reinigung erfolgt über großtechnisch erprobte Verfahren wie das Rectisol-Verfahren, eine Konvertierung von Kohlenmonoxid zu Wasserstoff, um das richtige Synthesegasverhältnis einzustellen und die anschließende Synthese zu Petrochemikalien oder Treibstoffen. Bei Petrochemikalien verwendet man die Methanolsynthese als Schlüsselreaktion. Hier bietet sich vor allem das Lurgi Megamethanol- Verfahren an, mit dem man bis zu 6.500 t/d Methanol herstellen kann. Das hier gewonnene Methanol kann mit dem Lurgi Methanolto- Propylene (MTP)-Verfahren zu Propylen weiterverarbeitet werden. Diese Technologie wird bereits in zwei großtechnischen Anlagen in China eingesetzt, wo aus Kohle Polypropylen hergestellt werden soll. Methanol lässt sich aber auch als solches oder über das Methanol-to-Synfuels-Verfahren verwenden. Beim MtSynfuels- Verfahren entstehen in einer Zwischenstufe Olefine, die zu Diesel, Benzin oder Schmierölen weiterverarbeitet werden können.

Alternativ kann Synthesegas nach dem Fischer Tropsch- Verfahren in Olefine oder in Treibstoffe umgewandelt werden. Lurgi bietet dieses Verfahren in einem Technologie-Joint Venture mit Statoil und Petrosa heute auf Basis von Erdgas an. Als Weiterentwicklung der bestehenden Biodiesel- und Bioethanol-Verfahren hat Lurgi das Konzept der Kombi-Biofuel- Anlagen entwickelt, um zu einer optimalen Nutzung der Pflanzenfrüchte und der Ganzpflanze zu kommen. Dieses Konzept sieht vor, dass in den ersten zwei Schritten eine Biodiesel- und eine Bioethanol- Anlage gebaut und in der Folge die verbleibende Biomasse plus zusätzliche Biomasse zu Bio Crude Oil verarbeitet werden. Darauf aufbauend bieten sich die energetische Verwertung oder auch die Weiterverarbeitung zu Synthesegas und synthetischen Treibstoffen an. Aus dem Synthesegas wird in einer Zwischenstufe auch Methanol hergestellt. Dieses kann man wiederum dem Biodieselverfahren zuführen, um 100% grünen Biodiesel zu gewinnen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Biofuels der ersten Generation wie Biodiesel und Bioethanol auf eine breite Rohstoffbasis gestellt werden müssen, um wirtschaftlich sein zu können. Aber auch die Nebenprodukte müssen genutzt werden. Diese erste Generation kann aber weder die Treibstoffbedürfnisse dieser Welt lösen noch den Energiehunger stillen. Hierzu muss die Ganzpflanze als Rohstoffquelle genutzt werden. Weltweite Studien zur Biomasseverfügbarkeit bestätigen die zukünftige Entwicklung der Biomassekonversion zu Energieträgern. Konservative Annahmen prognostizieren, dass im Jahre 2030 ein Drittel des Weltenergiebedarfs aus Biomasse stammen wird. Um dies zu verwirklichen, müssen die Forschung auf diesem Gebiet intensiviert und Demonstrationsanlagen in den verschiedenen Regionen gebaut werden. Weiterhin müssen diese Entwicklungen in Langzeitprogramme eingebunden und durch eine verlässliche Gesetzgebung gestützt werden.