Anlagenbau & Prozesstechnik

Desinfektion im Pharmabetrieb

Systematische Analyse von Desinfektionsmitteln

29.09.2010 -

Die Vermeidung mikrobiologischer Kontaminationen im Zuge des Produktionsprozesses stellt eine wesentliche Voraussetzung zur Herstellung sicherer Produkte im Pharmabetrieb dar. Dabei können sinnvolle und effektive Maßnahmen abgeleitet werden, wenn die Informationen über das generelle Wirkspektrum von Bioziden, potentielle Kontaminationsquellen, Informationen aus dem mikrobiologischen Monitoring und mikrobiologische Wirksamkeitsgutachten von Desinfektionsmitteln systematisch zusammengeführt und bewertet werden.

Antimikrobielle Wirksamkeit verschiedener Desinfektionsmittelwirkstoffe
Die Auswahl eines effektiven Desinfektionsmittelregimes, welches den hygienischen Erfordernissen im Produktionsbetrieb angemessen ist, stellt eine komplexe Fragestellung dar. Die Betrachtung der antimikrobiellen Wirksamkeit unterschiedlicher Biozide bildet dabei eine wichtige Entscheidungsgrundlage. Abbildung 1 gibt einen exemplarischen Überblick über das Spektrum der antimikrobiellen Wirksamkeit unterschiedlicher biozider Wirkstoffe und zeigt, dass Alkohole, die schnell und effektiv gegen Bakterien, Mykobakterien, Pilze und Viren wirken, keine sporizide Wirksamkeit besitzen. Quarternäre Ammoniumverbindungen (Quats) wirken ebenfalls nicht gegenüber bakteriellen Sporen und sind auch gegenüber den vor allem im medizinischen Bereich als Infektionserreger bedeutsamen Mykobakterien nicht wirksam.
Dieses trifft auch für Guanidine zu, die in Bezug auf quarternäre Ammoniumverbindungen gegenüber Gramnegativen Bakterien eine etwas bessere Wirksamkeit haben, dagegen aber in ihrer fungiziden Wirksamkeit etwas schlechter abschneiden.
Aldehyde verfügen ebenso wie Aktivsauerstoffverbindungen und Peressigsäure über ein breites antimikrobielles Wirkspektrum. Dabei ist die fungizide und viruzide Wirksamkeit von aldehydischen Verbindungen tendenziell etwas schlechter im Vergleich zu Aktivsauerstoffverbindungen und Peressigsäure [1].

Kontaminationsquellen
Neben der Betrachtung der antimikrobiellen Wirksamkeit spielt auch die Bewertung der potentiellen mikrobiellen Kontamination eine entscheidende Rolle bei der Auswahl geeigneter Desinfektionsmittel im Produktionsbetrieb.
Kartonagen sind beispielsweise eine typische Eintragsquelle für eine Kontamination mit sporenbildenden Bakterien, Schimmelpilzen und Hefen. In Bereichen, in denen viel mit Kartonagen gearbeitet wird, und ein Eintrag von sporenbildenden Bakterien, Hefen und Schimmelpilzen im Rahmen des Monitorings nachgewiesen wurde, ist es für ein erfolgreiches Hygienemanagement folglich sinnvoll, auf die Verwendung von Desinfektionsmitteln mit bakterizider, fungizider und sporizider Wirksamkeit zu achten.
Auch der Mensch selber ist im Produktionsprozess eine klassische Eintragsquelle mikrobieller Kontamination, insbesondere Gram-positiver Bakterien wie Staphylokokken und Mikrokokken, die zur residenten und transienten mikrobiologischen Flora des Menschen und anderer Säugetiere gehören (s. Abb. 2) [2].
Eine weitere typische Kontaminationsquelle sind Rohwaren. So kann beispielsweise die Verwendung pflanzlicher Ausgangsstoffe zu einem Eintrag von Gram-negativen Bakterien wie Enterobacteriaceen oder sporenbildenden Clostridium spp. führen. Bei einem identifizierten Risiko für den Eintrag von sporenbildenden Clostridium spp. oder den ebenfalls sporenbildenden Bacillus spp. wären sporizide Desinfektionsmaßnahmen erforderlich. Kann das Risiko dagegen ausgeschlossen werden, ist eine Verwendung sporizid wirksamer Desinfektionsmittel nicht notwendig.

Mikrobiologisches Monitoring
Das regelmäßige mikrobiologische Monitoring ist von zentraler Bedeutung: Einerseits bildet der Monitoringbefund eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Auswahl geeigneter Desinfektionsmaßnahmen. Andererseits wird durch das mikrobiologische Monitoring immer wieder die Wirksamkeit der eingesetzten Desinfektionsmittel überprüft. Etwaige Veränderungen des mikrobiologischen Spektrums werden auf diese Weise direkt erfasst und bilden wiederum die Basis für eine entsprechende Anpassung des Desinfektionsregimes. So ist beispielsweise eine Überschreitung der mikrobiologischen Warnwerte (Grenzwerte) in Kombination mit einem veränderten mikrobiologischen Spektrum der Kontamination ein klarer Hinweis auf veränderte Bedingungen, dem durch eine systematische Anpassung des Hygieneregimes Rechnung getragen werden muß. Ein Beispiel hierfür wäre ein plötzliches Auftreten von Schimmelpilzsporen, weil eine Kompostieranlage in der Nähe der Produktionsstätte neu errichtet wurde, obwohl zuvor Schimmelpilze in der Produktionsstätte nie eine Rolle gespielt haben.
Eine weitere essentielle Bedeutung hat das mikrobiologische Monitoring auch in Bezug auf die Kontrolle der korrekten Anwendung der Desinfektionsmaßnahmen. Durch das mikrobiologische Monitoring wird regelmäßig überprüft, ob das ausgewählte Hygieneregime auch korrekt angewendet wird, was durch die Einhaltung der Warnwerte (Grenzwerte) bei einem nicht veränderten mikrobiologischen Spektrum dokumentiert wird. Kommt es zu einer Überschreitung der Warnwerte (Grenzwerte) bei einem nicht veränderten mikrobiologischen Spektrum der Kontaminanten, so liegen Fehler in der Anwendung der eingesetzten Desinfektionsmaßnahmen nahe, auf die z.B. durch Training der ausführenden Mitarbeiter reagiert werden muß.

Mikrobiologische Gutachten - Nutzen für die Risikoabschätzung
Am Beispiel der Wirksamkeit gegenüber sporenbildenden Bakterien soll im folgenden nachvollzogen werden, wie die Ergebnisse aus dem Monitoring gemeinsam mit den spezifischen Wirksamkeitsprüfungen eines Desinfektionsmittels gemäß Europäischen Normen (ENs) für eine systematische Risikoanalyse verwendet werden können:
Als Beleg der sporiziden Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln können Prüfungen gem. EN 13704 und EN 13697 herangezogen werden.
Bei der Prüfung auf Sporizidie gemäß EN 13704 handelt es sich um einen quantitativen Suspensionsversuch (Phase 2/ Stufe 1), bei welchem die sporizide Wirksamkeit eines Desinfektionsmittels in Anwesenheit von organischer Belastung durchgeführt wird [3]. Des Weiteren kann der praxisnahe Versuch auf Oberflächen gem. EN 13697 modifiziert ebenfalls zum Nachweis einer sporiziden Wirksamkeit verwendet werden [4]. In beiden Fällen ist Bacillus subtilis ATCC 6633 der Standard-Prüforganismus. Zusätzlich können aber auch Bacillus cereus ATCC 12826 oder Clostridium sporogenes 51 CIP 7939 verwendet werden.
Abb. 3 zeigt, wie durch die taxonomische Einordung im Monitoring nachgewiesener Mikroorganismen nun die Basis für eine systematische Risikoanalyse geschaffen werden kann: Bei einem Nachweis von sporenbildenden Bakterien im Monitoring können die sporenbildenden Bakterien mit hygienischer Relevanz auf die Genera Bacillus und Clostridium eingeschränkt werden. Bacillus subtilis ATCC 6633 ist als obligater Prüforganismus (Endosporen) im Rahmen der EN 13704 vorgesehen, und kann ebenfalls in der EN 13797 mod. als Standard-Prüforganismus bei Prüfung auf Sporizidie eingesetzt werden.
Eigene Laboruntersuchungen haben außerdem gezeigt, dass die Widerstandsfähigkeit von Endosporen von Bacillus subtilis gegenüber unterschiedlichen Bioziden im Vergleich zu Endosporen von Clostridium sporogenes erhöht ist (Steinhauer, K. et al. (2010) nicht publiziert).
Somit ist die Wirksamkeit eines gemäß EN 13704 und / oder EN 13697 mod. geprüften Desinfektionsmittels gegenüber im mikrobiologischen Monitoring nachgewiesenen Sporenbildnern systematisch belegt.
Aufgrund der in den Wirksamkeitsprüfungen geforderten Reduktion von mindestens 103-104 Mikroorganismen pro Testfläche (3-4 log-Stufen) ist außerdem eine erhebliche Sicherheitsmarge bei gemäß EN 13697 geprüften Desinfektionsmitteln in Bezug auf die praktische Anwendung vorhanden [5].

Literaturverzeichnis auf Anfrage bei der Autorin erhältlich.