Forschung & Innovation

Innovative Fähigkeiten in der Spezialchemie messbar machen

19.06.2012 -

Innovation ist von jeher ein wichtiger Leistungsfaktor und Differenziator für Chemiehersteller. Eine Analyse von Accenture vergleicht die Innovationsfähigkeit von zehn weltweit agierenden Spezialchemieunternehmen.

Angesichts der unsicheren weltwirtschaftlichen Lage sowie dem verstärktem Wettbewerbsdruck aus Asien und Südamerika ist die Innovationskraft und Umsetzungskompetenz für Hersteller in entwickelten Märkten wichtiger denn je. So punktet die asiatische Konkurrenz - Stand heute - durch ihren Preisvorteil. In den traditionell starken Chemieregionen USA, Deutschland und Japan ist die Wettbewerbsfähigkeit der dort ansässigen Unternehmen deshalb von nachhaltigen Innovationsvorsprüngen abhängig.

Denn die Konkurrenz holt auch hier auf. Bislang beruht das Wachstum der Chemieindustrie in China, Indien und Brasilien im Wesentlichen auf starker Binnennachfrage, aber die Forschung und Entwicklung in Asien gewinnt an Fahrt. Nicht zuletzt durch die großen globalen Chemiekonzerne, die in den letzten Jahren zahlreiche Innovationszentren in Asien aufgebaut haben, um vor Ort marktnahe Innovationen zu entwickeln und zu positionieren. Und der Trend hält an. Verkündet doch jüngst die BASF, dass sie bis 2020 die Forschungsaktivitäten in Asien und Amerika verdoppeln wollen.

Umso erstaunlicher muten allerdings die Ergebnisse einer Studie von Accenture an. Demnach sind 63% der befragten Manager der Meinung, dass ihre Innovationen scheitern, weil sie nicht gut genug auf die Kundenanforderungen zugeschnitten sind. 54% sind unzufrieden mit den langen Entwicklungszeiten bis zur Marktreife. Nur 14% beantworteten die Frage, ob ihr Unternehmen über effiziente Prozesse verfügt, Ideen aufzugreifen und umzusetzen, mit „Ja". (Accenture 2009: Umfrage unter 630 Vorstände multinationaler Unternehmen). Obgleich das Thema Innovation höchste Priorität genießt, existiert gleichzeitig ein großer Bedarf, diese effizienter und effektiver zu gestalten und klarer strukturierte Prozesse von der Entwicklung bis zur Marktreife zu implementieren.

Der wirtschaftliche Aufschwung in der Chemieindustrie im Jahr 2010 zeigte signifikante Unterschiede in der Geschwindigkeit, mit der die Firmen den Einbruch aus dem Krisenjahr 2008/2009 wieder wettmachten, und zwar sowohl nach Region als auch nach Geschäftsfeld. Auffällig war, dass sich gerade die innovationsstarken Firmen schneller erholten als andere. Dies gründet u.a. in der Fähigkeit, Entdeckung neuer Produkte und Formulierungen (Discovery), der Umsetzung (Execution) und Vermarktung (Commercialization) schnell, effizient und kundennah zu orchestrieren.

Basierend auf Projekterfahrungen hat Accenture im vergangenen Jahr die Innovations-Performance von zehn Firmen aus dem Bereich Spezialchemie auf Basis öffentlich zugänglicher Finanz- und Patentdaten für diese drei Elemente detailliert untersucht. Die technische Relevanz von Patenten für andere Patente und die regionale Sicherung des geistigen Eigentums, sind ein wesentlicher Indikator für die Innovationsstärke in der chemischen Industrie. Die Analyse ist explorativ, gibt jedoch einen guten Einblick, welche Möglichkeiten und Hebel bestehen, Innovation effizienter und effektiver zu gestalten.

Discovery - Forschung & Entwicklung

Wichtige Kennzahlen hierzu sind neben den F&E-Ausgaben und der Anzahl der daraus resultierenden Patentanmeldungen, vor allem die Wichtigkeit eines Patents für die Industrie. Ein häufig zitiertes Patent repräsentiert meist die Grundlage für daraus abgeleitete weitere Entwicklungen. Diese drei Kennzahlen vermitteln ein erstes Bild über die Forschungsintensität eines ausgewählten Segmentes und den Reichtum und Einfluss von Ideen in diesem Segment. Firmen mit einer gut gefüllten F&E-Pipeline können kontinuierlich ihr Produktportfolio erneuern und optimieren.

Gerade im B2B-Bereich haben die Kunden ein großes Interesse an neuen Entwicklungen, sofern sie die eigenen operativen Prozesse verbessern und Wachstumspotential entlang der Wertschöpfungskette ermöglichen. Ein weiterer Fokus liegt auf einer gemeinsamen Entwicklungsarbeit, um so die F&E-Aktivitäten besser innerhalb der Wertschöpfungskette zu verknüpfen. Unsere Patentanalysen zeigen, dass sich der Anteil gemeinsamer Anmeldungen in den vergangenen zehn Jahren in etwa verdoppelt hat.

Eine Überprüfung der F&E-Strategie kann helfen, attraktive Märkte zu identifizieren und neue Chancen zu generieren, auf deren Grundlage sich ein Unternehmen erfolgreich positionieren kann. Aber auch ein interner Wandel hin zu einer offeneren Organisation kann ein Motor für erfolgreiche Forschung und Entwicklung sein.

Einige Firmen, wie DSM, Dow Chemicals oder auch die BASF unterhalten eigene Venture Capital Tochtergesellschaften, die gezielt in innovative Start-ups investieren. Abhängig davon, wie das Unternehmen ins firmeneigene Produktportfolio passt, kann es zu einer 100-%igen Übernahme kommen, zum Verkauf der Anteile oder zum Börsengang. Beispiel DSM: 2003 investierte der Chemiekonzern erstmalig in die Firma LTP (Lipid Technologies Provider). 2005 kam es zu einer Marketing und Vertriebsvereinbarung zwischen LTP und DSM Food Specialties. Bereits ein Jahr später übernahm DMS die restlichen Anteile des Partners.

Execution - Umsetzung

Die Indikatoren hierfür zeigen, inwieweit die Firmen ihre Forschungsergebnisse in Produkte umsetzten können. Dazu wurden die Anzahl neuer Produkte sowie die geographische Absicherung des Know-hows bewertet. Eine geringe Anzahl neuer Produkte kann darauf hinweisen, dass viele Patente, d.h. viel Wissen, ungenutzt bleiben und nicht vermarket werden oder werden können. Im Gegensatz dazu spricht eine hohe Anzahl neuer Produkte für ein geschicktes Produktmanagement und für eine starke Markt- und Anwendungsorientierte Forschung- und Entwicklung.
Regionale Patentanmeldungen spiegeln die Relevanz der Märkte wieder. Ein Unternehmen, das stark im Ausland vertreten ist, wird auch seine Forschungsergebnisse dort absichern. Ein Vergleich der regionalen Anmeldungen mit den regionalen Umsatzzahlen und Wachstumspotentialen sind ein Indiz für die gelungene strategische Positionierung und Platzierung der eigenen Innovationen.

Eine genaue Bewertung des eigenen Innovations-Portfolios ist die Grundlage für eine weitere Optimierung bei der Umsetzung. Dazu werden die Risiken und Erfolgswahrscheinlichkeiten der unterschiedlichen Erfindungen bewertet. Am Ende stehen dann „weniger, größere und bessere" Projekte, die einen höheren Wert für das Unternehmen generieren. Umsetzung kann auch durch „Fast Innovation" verbessert werden. Eine detailliert Analyse und Optimierung der internen Prozessabläufe kann die Zeiten für F&E-Projekte um bis zu 40% reduzieren. Ein Beispiel hierfür sind die Creavis Science-to-Business Center von Evonik Industries. Sie verfolgen das Ziel der schnellen Entwicklung neuer Geschäftsfelder in fertige Produkte oder Systeme.

Commercialization - Kommerzialisierung

Während sich die ersten beiden Faktoren auf die Fähigkeiten der Firmen fokusieren, Ideen zu generieren und sie in Produkte umzusetzen, beschreibt der dritte Faktor den kommerziellen Erfolg dieser Produkte. Eine Reihe von Chemiefirmen publizieren den Umsatzanteil an neuen Produkten, d.h. an Produkten, die in den letzten fünf Jahren entwickelt wurden. Die Spanne reicht dabei von 10% Umsatzanteil bis weit über 30% Umsatzanteil. So plant die BASF bis 2020 30 Mrd. € Umsatz mit Produkten zu erwirtschaften, die in den vergangenen zehn Jahren auf den Markt gekommen sind. Das würde etwa 35% bis 45% des geplanten Umsatzes der BASF für in 2020 repräsentieren.

Die Analyse zeigt vor allem, dass eine starke Innovations-Pipeline und eine gute Produktumsetzung Hand in Hand mit wachsenden Profiten laufen. Andere Finanzkennzahlen wie Umsatz und Shareholder Return werden zu stark von äußeren Faktoren beeinflusst, wie beispielsweise Firmenübernahmen oder -verkäufe oder die Finanzkrise aus dem Jahr 2008/2009.

Klassische Hebel zur Verbesserung des Kommerzialsierungsgrades ist eine optimale Markteinführung, gefolgt von einem gut strukturierten „Roll-out", um die Marktpenetration zu erhöhen. Erfahrungen hieraus müssen zwingend an die Forschung und Entwicklung zurückgegeben werden. Nur so können die Bedürfnisse der Kunden befriedigt und Marktchancen optimal genutzt werden. Ziel dabei ist es, die Rendite aus F&E-Projekten zu steigern.

Innovationen effizienter gestalten

Alle drei Elemente „Discovery-Execution-Commercialization" sind wesentlich für erfolgreiche Forschung und Entwicklung im Unternehmen. Dass in der Untersuchung bei allen drei Faktoren führende Unternehmen (Firma A) verfügt nicht nur über eine überdurchschnittliche Entwicklungs-Performance, sondern ist gleichfalls stark in der Produktumsetzung und in der Kommerzialisierung. Eine Unternehmensanalyse auf Basis dieser drei Elemente zeigt auf welcher Ebene Innovation im Unternehmen effizienter und effektiver gestaltet werden muss.

Die Ergebnisse der Accenture-Analyse bieten zahlreiche Argumente und Denkanstöße dafür, wie Firmen ihre Strukturen optimieren können und müssen, um die Rentabilität zu steigern:

  • In der Enwicklungsphase haben große Firmen oftmals Vorteile, da sie nicht nur über größere F&E-Budgets verfügen, sondern auch über eine höhere Anzahl an Mitarbeitern. Firmeneigenes Venture Capital für Investitionen in innovative Start-ups eröffnet neue Wege zu neuen Technologien.
  • Tatsache ist, dass in den letzten Jahren immer mehr Firmen auch F&E-Standorte in den Schwellenländern aufgebaut haben, um das lokale Know-how zu nutzen und den Markt vor Ort zu bedienen. Gleichfalls wird die lokale Zusammenarbeit vor Ort intensiviert.
  • Es gibt einen klar erkennbaren Zusammenhang zwischen Unternehmensprofit und der Unternehmensstärke im Bereich Entwicklung und Umsetzung.
  • Innovative Unternehmen, führend bei allen drei Faktoren, haben sich in der Finanzkrise als deutlich belastbarer gezeigt und sich wesentlich schneller erholt.

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