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Chemiestandort Deutschland verliert Wettbewerbsfähigkeit

27.09.2014 -

Die chemische Industrie ist eine exportstarke Branche. 60 % ihres Umsatzes erzielt sie mit Kunden im Ausland. Die hohe Exportquote verdeckt aber ein Problem: Globale Konkurrenz und sinkende Wettbewerbsfähigkeit setzen dem Chemiestandort Deutschland immer stärker zu. Als besonderes Alarmsignal ist zu werten, dass sich der Abwärtstrend seit 2008 verstärkt hat. Diese Entwicklung wird jetzt durch eine neue Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Oxford Economics mit Daten und Fakten belegt.

„Deutschland ist ein attraktiver Chemiestandort. Tatsache ist aber, dass wir in den letzten beiden Jahrzehnten Anteile am Weltchemiehandel und der Weltchemieproduktion verloren haben. Politik und Öffentlichkeit müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir uns in einer kritischen Phase befinden, was unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit angeht", sagte der scheidende Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Karl-Ludwig Kley, bei der Vorstellung der Studie „Die Wettbewerbsfähigkeit des Chemiestandorts Deutschland im internationalen Vergleich - Rückblick und Zukunftsperspektiven" in Frankfurt anlässlich der Mitgliederversammlung des Verbandes. Die Studie, die der VCI in Auftrag gegeben hat, füllt eine Lücke: Bislang gab es keine wissenschaftlich vergleichenden Arbeiten zur Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Chemienationen.

Der Anteil des Chemiestandorts Deutschland am globalen Exportmarkt ist trotz wachsender Außenhandelsüberschüsse in den letzten beiden Jahrzehnten gesunken, so die Analyse von Oxford Economics. Das Wirtschaftsforschungsinstitut konnte dabei nachweisen, dass der Rückgang der Marktanteile vor allem auf einen Verlust an globaler Wettbewerbsfähigkeit des Chemiestandorts zurückzuführen ist. Dies ist einer von mehreren Faktoren, der zu einer Wachstums- und Investitionsschwäche geführt hat: Die Chemieindustrie hat seit 2011 weder die Produktion noch die Investitionen am Standort Deutschland ausgeweitet.

„Die Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Exportmärkten ist für den Chemiestandort Deutschland bei der anhaltenden Wachstumsschwäche in Europa lebensnotwendig", sagte Kley. Vom dynamischen Aufholprozess der Schwellenländer profitierte der Chemiestandort Deutschland in der Vergangenheit durch Exporte. Der Erfolg der vergangenen Jahre sei aber kein Garantieschein für die Zukunft. „Wenn unsere Wettbewerbsfähigkeit weiter sinkt, drohen wir von der Weltkonjunktur abgekoppelt zu werden", so Kley.

Einflussfaktoren auf die Wettbewerbsfähigkeit
In der Studie hat Oxford Economics untersucht, welche Faktoren einen besonders starken Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Chemiestandorts haben. Als Faktoren mit dem größten Einfluss hat das Institut die Energie- und Rohstoffkosten sowie die Forschungsausgaben der Branche identifiziert. Ferner spielen die Qualität der Verkehrsinfrastruktur, Investitionen, Wechselkurse, Steuern, Regulierungskosten und die Dichte des Industrienetzwerkes eine Rolle.

Die Studie belegt, dass zu hohe Energiepreise die Wettbewerbsfähigkeit eines Chemiestandorts stark negativ beeinflussen und zu sinkenden Exportmarktanteilen führen. Bezugnehmend auf diese Ergebnisse richtete der VCI-Präsident eine Botschaft an diejenigen, die in der politischen Diskussion immer wieder behaupten, dass hohe Energiepreise zu mehr Innovationen führen und letztlich sogar gut für den Standort seien: „Stark steigende Energiepreise ohne Verlust an Wettbewerbsfähigkeit sind ein Mythos, von dem wir uns endlich verabschieden müssen", betonte Kley. „Ein Blick über den Atlantik zeigt, wie man im Gegenzug mit günstigen Energiepreisen Wettbewerbsfähigkeit gewinnt."

Eine hohe Forschungsintensität wirkt sich langfristig positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit und den Anteil am globalen Chemieexportmarkt aus, so die Studie. „Wir müssen schlicht besser sein als andere", zog Kley als Schlussfolgerung. Daher habe die deutsche Chemieindustrie ihre jährlichen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung seit 2009 auch um gut 2,5 Mrd. auf 10,5 Mrd. EUR gesteigert. Neue Erkenntnisse aus der Forschung müssten aber auch in innovative Produkte umsetzbar sein. „Technologieoffenheit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", sagte Kley und betonte gleichzeitig: „Auch die Industrie hat hier eine Bringschuld. Wir müssen den Menschen besser erklären, welche Vorteile sie persönlich und die Gesellschaft von neuen Technologien haben."

Auch Investitionen hat Oxford Economics als wichtigen Einflussfaktor auf die Wettbewerbsfähigkeit identifiziert. „Dass am Chemiestandort Deutschland seit Jahren kaum noch über die Abschreibungen hinaus investiert wird, ist ein alarmierendes Signal", erklärte Kley. Besonders, da gleichzeitig in anderen Teilen der Welt massiv investiert werde.

Bessere politische Rahmenbedingungen nötig
Die Studie von Oxford Economics zeigt, welche Hebel die größte Wirkung auf die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit eines Chemiestandortes haben. „Deutschland braucht bezahlbare Energie und die besseren Ideen, um dauerhaft erfolgreich zu sein", sagte Kley. Weichen für bessere politische Rahmen-bedingungen für die Unternehmen ließen sich vor allem auf drei Feldern stellen: Durch die Senkung der staatlich verursachten Energiekosten, den Verzicht auf eine überambitionierte Vorreiterrolle im Klimaschutz sowie die Stärkung der Forschungsintensität und damit der Innovationsfähigkeit der Unternehmen am Chemiestandort Deutschland.

Wettbewerbsfähigkeit des Chemiestandorts kein Selbstzweck
„Wir stehen als Chemie im Zentrum des deutschen Industrienetzwerkes, einem zentralen Erfolgsfaktor des Industrielandes Deutschland", betonte Kley. „Daran hängen Arbeitsplätze und Wohlstand." Wanderten nennenswerte Teile der Chemieindustrie aus Deutschland ab, bestehe die Gefahr, dass Wertschöpfungsketten reißen. Dann sei das deutsche Industrienetzwerk insgesamt gefährdet. „Wir wollen daher den Dialog mit der Politik über einen gemeinsamen Rahmen zur Weiterentwicklung der Wettbewerbsfähigkeit des Industrielandes Deutschland fortsetzen - wie es gute Tradition in unserer Industrie ist", schloss Kley.