Strategie & Management

CHEMonitor 1/2018 – Open Innovation

Chemiemanager setzen überwiegend auf klassische Innovationsprozesse

26.04.2018 - Wo liegen mögliche Chancen offener und vernetzter Innovationsprozesse in der Chemieindustrie?

Welches sind die Hürden für deren Umsetzung? Damit befasst sich das aktuelle Trendbarometer CHEMonitor zum Thema Open Innovation.

Die deutsche Chemieindustrie boomt. Im vierten Quartal 2017 zeigte sich die Branche so wachstumsstark wie zuletzt 2010/2011, in den Jahren nach der Finanz- und Wirtschaftskrise. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) rechnet auch 2018 mit weiteren Zuwächsen und erhöhte seine Prognose für das Umsatzwachstum der Branche im März auf 4,5 %.

Beste Voraussetzung für eine gute Stimmung unter deutschen Chemiemanagern – doch das CHEMonitor-Trendbarometer zeigt seit einiger Zeit einen gegenläufigen Trend: Zwar rechneten auch bei der aktuellen Umfrage 88 % der befragten Manager mit steigenden Umsätzen für 2018, doch gleichzeitig sank der Anteil derer, die den Standort Deutschland mit „gut“ oder „sehr gut“ bewerten, zum dritten Mal in Folge von 90 % im Mai 2016 auf aktuell 65 %. Je stärker die europäische Industriekonjunktur oder das Wachstum der Wirtschaft in Asien und in den USA, desto kritischer bewerten die Manager den heimischen Standort. Dies ergab die 30. CHEMonitor-Umfrage von CHEManager und der Strategie- und Organisationsberatung Camelot Management Consultants. Für das aktuelle Trendbarometer wurden die Panelmitglieder von Anfang Februar bis Mitte März 2018 befragt. Ein Schwerpunkt wurde dabei auf Innovationsprozesse von Chemieunternehmen und deren Öffnung nach außen (Open Innovation) gelegt.

Klassische Innovationsprozesse dominieren

Unabhängig vom negativen Trend bei den allgemeinen Standortbedingungen bewerteten auch bei der aktuellen CHEMonitor-Umfrage 94 % der Chemiemanager die Qualität von Forschung und Entwicklung in Deutschland mit „gut“ oder „sehr gut“. Mit F&E-Ausgaben von zuletzt 10,5 Mrd. EUR pro Jahr trägt die Chemie- und Pharmabranche selbst nicht unwesentlich zur Basis für diese positive Bewertung bei. Doch eine hohe Qualität von Forschung und Entwicklung allein wird der deutschen Chemie mittel- und langfristig nicht genügen, um in einem zunehmend volatilen Umfeld und vor dem Hintergrund einer steigenden Innovationskraft in der internationalen Chemie ihren Erfolgskurs fortzusetzen.

„Agilität und Innovation sind für Chemieunternehmen das Lebenselixier des 21. Jahrhunderts. Die chemische Industrie setzt aber noch überwiegend auf Innovationsprozesse des 20. Jahrhunderts“, sagt Josef Packowski, Managing Partner bei Camelot, und verweist dabei auf die Ergebnisse des aktuellen CHEMonitor-Trendbarometers: Befragt nach Innovationsprozessen mit hoher Bedeutung für das eigene Unternehmen nannten 80 % die Zusammenarbeit mit Kunden, gefolgt von der Zusammenarbeit mit Lieferanten (49 %) bzw. Hochschulen und Forschungseinrichtungen (49 %). Nur eine Minderheit zeigt sich offen gegenüber Kooperationen außerhalb der traditionellen Wertschöpfungskette und misst der Zusammenarbeit mit Firmen anderer Branchen (33 %) oder Start-ups (29 %) eine hohe Bedeutung zu. Noch geringer ist der Anteil der Manager, die auf moderne Innovationsansätze wie Technologie-Scouts (28 %) oder Crowd Innovation (13 %) setzen.

Open Innovation steigert Wettbewerbsfähigkeit

Zwar teilen über die Hälfte der befragten Manager (54 %) die Meinung, dass Open Innovation eine hohe Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Chemieindustrie hat (Grafik 1), befragt nach der Bedeutung für das eigene Unternehmen messen jedoch deutlich weniger Manager (29 %) offenen, vernetzten Innovationsansätzen eine hohe Relevanz zu. Ein Grund dafür könnte der starke Fokus der Branche auf Produkt- und Anwendungsinnovationen sein, die viele Unternehmen effizient innerhalb der linearen Wertschöpfungskette entwickeln.

Rund sechs von zehn befragten Managern messen Produkt- und Anwendungsinnovationen eine hohe Bedeutung für den künftigen Geschäftserfolg des eigenen Unternehmens zu (Grafik 2). Ein häufig genanntes Beispiel in diesem Kontext ist die 3D-Drucktechnologie. Die Chemieindustrie liefert zahlreiche Rohstoffe, wie Weichmacher, Polymere oder Harze, und hofft daher, vom boomenden 3D-Druck-Markt und seinen vielfältigen Anwendungen profitieren zu können.

Leistungsinnovationen weniger im Fokus

Der Anteil der Manager, die Leistungsinnovationen eine hohe Bedeutung für den Geschäftserfolg beimessen, liegt mit 39 % deutlich niedriger. „Unsere Branche wird auch künftig ein klassischer Lieferant von Werkstoffen sein, gleichzeitig wird aber unsere Rolle als Dienstleister noch wichtiger werden“, äußerte sich VCI-Präsident Kurt Bock anlässlich der Veröffentlichung der VCI-Studie Chemie 4.0 im vergangenen Jahr.

Zukunftspotenzial für die Branche bieten daher ergänzende Geschäftsmodelle, die Umsätze generieren, welche idealerweise unabhängig von der Menge der produzierten chemischen Substanz sind. Das können z. B. Dienstleistungen, Plattformlösungen oder Lizenzen sein, die der Kunde vergütet. Hierbei bietet nach Meinung des Branchenverbands das Zusammenspiel von Digitalisierung, Denken in Stoffkreisläufen und Nachhaltigkeitsthemen ein großes Potenzial für Innovationen. Open Innovation kann dazu beitragen, dieses Potenzial zu heben.

Mittelstand bei Open Innovation zurückhaltend

Insbesondere große Chemieunternehmen haben die Chance von modernen Innovationsprozessen bereits erkannt: Nach den Ergebnissen der aktuellen CHEMonitor-Umfrage praktizieren bereits drei Viertel von ihnen Open Innovation (76 %) und weitere 12 % wollen dies in Zukunft tun. Ein völlig anderes Bild zeigt sich bei Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern: Hier nutzt nur ein Viertel offene Innovationsansätze oder plant dies (23 bzw. 4 %). Die große Mehrheit (73 %) setzt dagegen nicht auf Open Innovation.

„In Sachen Open Innovation zeigt sich der Chemiemittelstand deutlich zurückhaltend. Dabei bietet sich gerade für ihn die Chance, einen flexiblen und interdisziplinären Zugang zu Innovationsvorteilen zu schaffen und gleichzeitig Risiken zu begrenzen“, kommentiert Sven Mandewirth, Partner und Chemieexperte bei Camelot, die Umfrageergebnisse.

Während Chemiekonzerne in einem starken internationalen Wettbewerb stehen, sind viele deutsche mittelständische Unternehmen, insbesondere die Hidden Champions unter ihnen, marktführend in ihrem Segment. Ihre Geschäfte laufen gut und sie verspüren daher keinen Druck, etwas zu verändern oder einen hohen Bedarf, z. B. für die Zusammenarbeit mit Start-ups. Diese Sichtweise spiegelt sich in den Umfrageergebnissen des aktuellen CHEMonitor wider: Während im Mittelstand 42 % der Manager am wirtschaftlichen Nutzen von Open Innovation zweifeln, liegt der Anteil in großen Unternehmen lediglich bei 15 %. Zugleich fürchten weniger Manager aus kleinen und mittleren Unternehmen (50 %) einen Verlust von Kernkompetenzen und damit Wettbewerbsvorteilen als ihre Kollegen in Großunternehmen (65 %). Bei der Bewertung anderer Hürden für Open Innovation (Grafik 3) zeigen die Umfrageergebnisse dagegen nur eine geringe Abhängigkeit von der Unternehmensgröße.

Felix Thalmann, Geschäftsführer der mittelständischen Büfa-Gruppe, gehört zu den Managern, die vor allem die Chancen der Öffnung nach außen sehen: „Open Innovation, ist die Chance für den Mittelstand.“ Früher hatten vor allem große Konzerne F&E-Abteilungen mit hervorragender Expertise. Durch die Digitalisierung kann heute auch der Mittelstand auf die Expertise der Wissenschaft aus der ganzen Welt zugreifen, wenn er offen genug agiert. Gerade mittelständische Unternehmen könnten ihre Wettbewerbsfähigkeit durch innovative Produkte, Prozesse oder Dienstleistungen erhöhen und sich dadurch von großen Konzernen, deren klare Vorteile in den Economies-of-Scale liegen, differenzieren, sagt Thalmann.

 Andrea Gruß, CHEManager

 

CHEMonitor118_Deckblatt
> Download der Dokumentation von Camelot Management Consultants

 

CHEMonitor220_CM1120_Kurzfassung
> Download des Berichts in CHEManager (folgt)

Kontakt

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Ettore-Bugatti-Str. 6-14
51149 Köln
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