Anlagenbau & Prozesstechnik

Treibende Kraft für die Transformation

Industriedienstleister Bilfinger unterstützt Unternehmen bei Effizienz- und Nachhaltigkeitsverbesserungen

11.07.2023 - Für die Chemie- und Pharmaindustrie spielen Industriedienstleister eine zunehmend wichtige Rolle zur Erreichung von Effizienz- und Nachhaltigkeitszielen.

Bilfinger ist mit einem Konzern-Jahresumsatz von 4,3 Mrd. EUR und einem umfassenden Portfolio die Nummer 1 in diesem Segment in Deutschland. Dabei deckt das Leistungsportfolio des Mannheimer Konzerns die gesamte Wertschöpfungskette von Consulting, Engineering, Fertigung, Montage und Instandhaltung über die Erweiterung und Generalrevision von Anlagen bis hin zur digitalen Anwendung ab. Um seine Wachstumsziele zu erreichen, hat Bil­finger zwei strategische Stoßrichtungen identifiziert: die Neupositionierung als führender Industriedienstleister zur Steigerung von Effizienz und Nachhaltigkeit und die eigene Operational Excellence. Letztere will der seit März 2022 amtierende Vorstandsvorsitzende Thomas Schulz auch mit einem im Herbst letzten Jahres eingeleiteten Effizienzprogramm verbessern. Michael Reubold sprach mit ihm über die Geschäftsentwicklung, das Marktumfeld und die strategischen Pläne.

CHEManager: Herr Schulz, als Industriedienstleister sind Sie im ständigen Kontakt mit vielen Kunden der Chemie- und Pharmaindustrie. Was beschäftigt Ihre Kunden?

Thomas Schulz: Effizienz und Nachhaltigkeit sind zentrale Themen, insbesondere in Bezug auf Klimaneutralität, Energie- und Rohstoffeinsatz. Unsere Kunden sind hier kurz- und langfristig erheblich gefordert. Neben diesen operativen Herausforderungen beschäftigen sie sich mit einer Vielzahl von externen Einflüssen. Es sind nicht nur die gravierenden Ereignisse wie Finanz-, Flüchtlings-, Corona- oder jüngst die Energiekrise, sondern auch langfristige, regional begrenzte Marktbedingungen wie die Überregulierung in Europa. Führungskräfte stehen heute vor vielen Herausforderungen, die über das operative Geschäft hinausgehen. All dies belastet das klassische Management-Dreieck, in dem Topmanager die Erwartungen von Kunden, Beschäftigten und Eigentümern in Einklang bringen müssen.

Was bedeutet das für Ihre Kundenbeziehungen und für Ihr Geschäft?

T. Schulz: Aufgrund der Vielzahl an Themen sind Kunden froh, wenn sie Dinge an erfahrene, qualifizierte Partner abgeben können. Zudem haben die meisten Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsziele priorisiert und vorgezogen. Unser Geschäftsmodell basiert auf der Steigerung der Rentabilität unserer Kunden durch die Verbesserung von Effizienz und Nachhaltigkeit. Wir bieten ihnen eine umfassende Unterstützung an, quasi ein Gesamtpaket, damit sie sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können.

Zu den Aufgaben eines Topmanagers gehört es auch, Investitionsentscheidungen zu treffen. Was nehmen Sie in puncto Standortfaktoren wahr?

T. Schulz: Die Industrie braucht klare Rahmenbedingungen und Planungssicherheit für Investitionsentscheidungen. In Deutschland gibt es viele Hürden wie Überregulierung, langwierige Genehmigungsverfahren, marode Infrastruktur und hohe Energiekosten. Das frustriert Unternehmen und macht andere Standorte attraktiver. Wir hören von international aufgestellten Kunden, dass sie Kapazitätsverlagerungen in andere Märkte erwägen.

 

„Es geht nicht um Politik, es geht um Fakten.“

 

Unternehmen berücksichtigen bei solchen Entscheidungen langfristige Businesspläne mit einem Zeithorizont von zehn bis zwanzig Jahren. Sie bewerten Standortfaktoren wie Energiesicherheit, Energiekosten, Regulierung und Arbeitsmarkt, um die beste Option zu finden.
Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass die Industrie die Bedeutung dieser Standortfaktoren deutlich macht. Es geht nicht um Politik, es geht um Fakten. In den letzten Jahren scheint dieses Verständnis verloren gegangen zu sein. Um die Attraktivität des Industriestandorts Deutschland zu erhalten, müssen wir an diesen Herausforderungen arbeiten und eine Umgebung schaffen, in der Unternehmen langfristig planen und investieren können.

Ist die Expansion in internationale Märkte außerhalb Europas deshalb Teil Ihrer Wachstumsstrategie?

T. Schulz: Das hat andere Gründe. Denn ganz gleich, ob ein Unternehmen hierzulande Prozessanlagen modernisiert, erweitert oder stilllegt: Unser Service wird immer benötigt. Wir sehen eine anhaltend positive Nachfrage und erwarten in den nächsten Jahren ein durchschnittliches organisches Wachstum von 4 bis 5 % pro Jahr. Davon entfallen etwa 2 % auf das Marktwachstum und 2 bis 3 % auf Wachstum durch Erweiterung unseres Angebots und unserer geografischen Präsenz.
Die Expansion in weitere internationale Märkte ist ein Teil unserer weiterentwickelten Strategie. Wir bauen derzeit spezialisierte Product Center auf, die aus Mitarbeitenden mit besonderer Expertise in bestimmten Produktgruppen wie Maintenance, Turnarounds oder Engineering bestehen. Diese globalen Produktverantwortlichen unterstützen dann in den Regionen, indem sie etwa lokale Fachkräfte schulen oder auf Neukunden zugehen. Denn unsere Produktgruppen sind historisch bedingt in den einzelnen Regionen derzeit unterschiedlich stark vertreten. In den nächsten zwei bis drei Jahren werden wir dann in neue Regionen expandieren. Die Expansion ist ein Teil der Stoßrichtung der Positionierung, die wir jetzt angehen. Die andere ist die Operational Excellence.

Was verstehen Sie auf Bilfinger bezogen darunter?

T. Schulz: Operational Excellence wollen wir unter anderem durch Standardisierung und Bündelung von Produkten sowie verstärkte Innovation und Digitalisierung erreichen. Auch das seit November 2022 laufende interne Effizienzprogramm, trägt dazu bei, unsere strategischen Ziele zu erreichen. Dazu zählen die Schaffung einer funktionalen Organisation und einer schlankeren Verwaltung. Wir werden uns auch von Services trennen, die nicht mehr zu unserem Geschäftsmodell passen. Ein Teil des Effizienzprogramms ist ein Ausbildungspaket, bei dem rund 25 % der eingesparten Mittel in die Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten investiert werden. Dies steigert unsere Wettbewerbsfähigkeit und positioniert Bilfinger als attraktiven Arbeitgeber. Künftig werden wir jährlich mehr als ein halbes Prozent des Umsatzes, also über 20 Mio. EUR, dafür aufwenden.

 

"Der Fachkräftemangel stellt die Industrie vor große Herausforderungen."


Wie beurteilen Sie denn die Situation auf dem Arbeitsmarkt und was tun Sie, um Fachkräfte zu halten und Nachwuchskräfte zu gewinnen, um Ihre Wachstumspläne zu unterstützen?

T. Schulz: Der Fachkräftemangel stellt die Industrie vor große Herausforderungen. Wir alle müssen effizienter werden – also mit weniger Ressourcen mehr leisten. Daher ist das Ausbildungspaket ein so wichtiger Teil unseres Effizienzprogramms. Wir möchten nicht einfach nur mehr Personal rekrutieren, sondern investieren vor allem in Weiterbildung und Qualifikation unserer Mitarbeitenden.

Ihre Zielmärkte haben sich aber nicht geändert. Was sind in diesen Märkten die Wachstumstreiber und wie profitiert Bilfinger davon?

T. Schulz: Wir fokussieren uns auf die Industrien, in denen wir über eine sehr hohe Fachkompetenz verfügen. Die anhaltend positive Nachfrage in diesen ressourcenintensiven Branchen beruht auf verschiedenen Faktoren, wobei die Verbesserung von Effizienz und Nachhaltigkeit immer eine Rolle spielt, aber auch branchenspezifische Aspekte wie die Energie- und Rohstoffwende, Investitionen in Infrastruktur oder der steigende Bedarf im Gesundheitssystem. Unsere Services in unseren vier Industrien Energie, Chemie und Petrochemie, Pharma und Biopharma und Öl und Gas sind zu 80 % identisch. Die Unterschiede sind eher länderspezifisch als technisch. Daher ist die Erweiterung unserer Services innerhalb dieser Industrien gar nicht so kompliziert. Es erfordert lediglich Fachleute, die mit dem jeweiligen Industriesegment und den Kundenanforderungen vertraut sind.

Wo liegen Ihre Kernkompetenzen und was ist Ihr Alleinstellungsmerkmal?

T. Schulz: Bilfingers Kernkompetenzen liegen generell überall dort, wo Prozesstechnik in Verbindung mit Energie eingesetzt wird. Wir sehen uns als treibende Kraft bei der Transformation der Industrie hin zu mehr Effizienz und Nachhaltigkeit, da wir immer den gesamten Prozess im Blick haben.

 

„Wir sehen in Deutschland klare Abwanderungsbewegungen“
 

Ein Angebot, das sich nur auf ein Gewerk oder eine Anlage beschränkt, mag lokale Verbesserungen bringen, aber nicht für den gesamten Prozess. Unsere Stärke liegt darin, hier Lösungen anzubieten und in den Bereichen, in denen wir bereits tätig sind, sehen wir noch großes Wachstumspoten­zial. Unser Ziel ist es, als Lösungsanbieter ein umfassendes Angebot zu machen, das alle Produkte und Kompetenzen für alle Kunden umfasst, anstatt fragmentiert zu agieren. Die genannten Wachstumspotenziale der Zielmärkte einerseits und die strategische Erweiterung der Wertschöpfungskette andererseits bieten Bilfinger zusätzliche Chancen, sich als Partner für Komplettlösungen zu positionieren. Unser Fokus liegt dabei auf dem Ausbau des Rahmen- und Servicevertragsgeschäfts, das künftig etwa 80 % des Gesamtumsatzes ausmachen soll.

Das heißt, das Wachstum in Deutschland und Europa kommt weniger durch Expansionsprojekte, sondern dadurch, dass Kunden mit Bestandsanlagen ihre technischen Aufgaben an einen erfahrenen Dienstleister abgeben wollen – also durch Outsourcing?

T. Schulz: Ich mag den Begriff Outsourcing in diesem Zusammenhang nicht, weil er impliziert, dass ein Kunde etwas abgibt. Tatsächlich handelt sich eher um einen Kompetenztransfer. Wir führen eine Analyse bei den Kunden durch und helfen ihnen, Anlagen und Prozesse mit ihren eigenen Fachleuten zu bewerten und Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Entweder setzen sie die Maßnahmen mit eigenen Ressourcen um oder sie beauftragen uns, weil wir die Kompetenz haben, ihre Anlagen effizienter und damit nachhaltiger arbeiten zu lassen.
Mit unseren rund 30.000 Mitarbeitenden und unserer hochmobilen Organisation, haben wir einen großen Erfahrungsschatz. Dank unserer digitalen Analysen haben wir Zugang zu umfangreichen Daten und Benchmarks. Dieses breite Portfolio und unser Fachwissen sind Wettbewerbsvorteile.

Sie haben über Digitalisierung und Kompetenzen gesprochen. Wie sieht es da beim Thema Personal aus?

T. Schulz: Digitalisierung ist keine ‚Rocket Science‘. Wir alle verwenden Mobiltelefone, Tablets und Computer. Daher sollten auch ältere Mitarbeitende keine Angst vor der Digitalisierung haben, da es lediglich um die Nutzung digitaler Werkzeuge im Arbeitsleben geht.
Unser Job ist es, bestehende Technologien miteinander zu kombinieren, um Lösungen für unsere Kunden zu finden. Wir arbeiten mit Fachfirmen zusammen, um neue Produkte zu entwickeln. Ein Beispiel dafür ist die Kombination einer Drohne mit einem 3D-Scanner und bestimmten Applikationen, um etwa Rohrleitungen in Industrieanlagen aus der Luft zu inspizieren. Unsere Mitarbeitenden müssen keine Computer-Cracks sein, da sie diese Tools nicht entwickeln, sondern nur anwenden. Dank solcher Innova­tionen können wir unseren Kunden etwa den Gerüstbau ersparen und ihnen vorhersagen, wann Rohrleitungen zum Problem werden könnten. So kann der Betreiber geplante Stillstände nutzen, um Reparaturen durchzuführen, anstatt die Anlage im Notbetrieb herunterfahren zu müssen.

 

ZUR PERSON

Thomas Schulz (Jahrgang 1965) ist seit März 2022 Vorstandsvorsitzender von Bil­finger. Schulz absolvierte sein In­ge­nieurs­studium und seine Promotion im Bereich Bergbau an der RWTH Aachen. Seine Berufslaufbahn, die ihn in zahlreiche Länder führte, begann er 1998 beim schwedischen Svedala-Industriekonzern. Anschließend war Schulz für knapp zwölf Jahre bei Sandvik in verschiedenen internationalen Positionen und zuletzt als President Sandvik Con­struction tätig, bevor er ab 2013 Group CEO des dänischen Anbieters von technischen Lösungen, Ausrüstungen und Dienstleistungen für die Bergbau- und Zementindustrie FLSmidth wurde. Schulz hat in seiner Karriere insbesondere mehrfach erfolgreich Strategien zum nachhaltigen profitablen Wachstum seiner Unternehmen entwickelt und umgesetzt.

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