Anlagenbau & Prozesstechnik

In voller Fahrt zur Kreislaufwirtschaft

Wendepunkt 2030: Erfolgsfaktoren und Potenziale das Batterierecyclings

15.08.2023 - Zahlreiche Faktoren treiben das Wachstum des Batterie-Recyclings - hohe Rückgewinnungsraten, geringere Treibhausgasemissionen und eine höhere Wirtschaftlichkeit sind möglich.

Die Batterieproduktion dürfte bis 2030 auf eine weltweite Gigafabrik-Kapazität von über fünf Terawattstunden (TWh) pro Jahr steigen. Gleichzeitig nimmt das Volumen an EV-Batterien, die sich dem Ende ihrer Lebensdauer nähern, rasant zu. In den nächsten zehn Jahren werden mehr als 100 Mio. Fahrzeugbatterien ausgemustert. Ein neuer Markt entsteht.

Noch stammt der Großteil des wiederverwertbaren Batteriematerials aus Zellen der Unterhaltungselek­tronik, wie sie in Laptops und Haushaltsgeräten verwendet werden sowie aus Schrott fehlerhaft gefertigter Batterien. Das wird sich bald ändern. Denn bei der Inbetriebnahme einer neuen Batteriefabrik beträgt der Ausschuss aus der Zellfertigung bis zu 30 %. So entstehen in China, Europa und den Vereinigten Staaten, wo der Umstellungsprozess auf Elektrofahrzeuge (EV, Electric Vehicle) auf Hochtouren läuft, neue Märkte für Batterie-Recycling. Weltweit wird voraussichtlich noch bis 2030 Produktionsausschuss die Hauptquelle für das Recycling von Batteriematerialien bleiben. Dann wird der Anteil an Altbatterien von Elektroautos zum Überholen ansetzen.

Treiber für das Recycling von EV-Batterien

Zahlreiche Faktoren treiben das Wachstum des Batterie-Recyclings. Wenn Prozesse ausgereift sind und skaliert werden können, können höhere Rückgewinnungsraten, geringere Treibhausgasemissionen und eine höhere Wirtschaftlichkeit erreicht werden. Staatliche Forschungs- und Innovationsprojekte fördern den Fortschritt der Technologie. Für Automobil- und Batteriehersteller sind zudem Lieferketten, die auf lokalen Rohstoffmengen zu stabilen Preisen basieren, besonders attraktiv. VW ist daher in den USA eine Partnerschaft mit Redwood Materials eingegangen.

Auch gesetzliche Anreize schaffen günstige Bedingungen. Der Inflation Reduction Act sieht Steuererleichterungen für die Wiederverwertung von Lithium, Kobalt oder Nickel vor. Das Fit-for-55-Paket der EU legt insbesodere Sammel- und Recyclingziele sowie Mindestanforderungen für den Recyclinganteil fest.

OEMs müssen Altbatterien von Fahrzeughaltern zurücknehmen. In den USA gibt es ähnliche Gesetzesinitiativen in Kalifornien und Texas.

Rentabilität ist in Sicht

Entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von der Sammlung bis zur Metallrückgewinnung, werden die Einnahmen weltweit bis 2040 voraussichtlich auf über 95 Mrd. USD pro Jahr ansteigen. Dies ist u.a. auf den Preis der Metalle, die erwartete Einführung der Batteriezellenchemie und die Regionalisierung der Lieferketten zurückzuführen. Bereits im Jahr 2025 könnte sich der Wert, der pro Tonne Batteriematerial generiert wird, auf etwa 600 USD belaufen. Das Wertschöpfungspotenzial dürfte in Zukunft auf ein Niveau wie in der Primärmetallindustrie ansteigen, also auf etwa 30%.

Die Einnahmen aus dem Batterierecycling hängen vom Verkauf von zurückgewonnenen Rohstoffen ab. Heute bezahlen die Automobilhersteller für die Annahme von Ausschuss- oder Altbatterien, wobei das Eigentumsrecht vollständig übertragen wird. In Zukunft dürften Batterierecycling-Unternehmen eine Gebühr erheben, während OEMs die Kontrolle über die zurückgewonnenen Rohmaterialien behalten. Alternativ können die Automobilhersteller ihre Altbatterien und gebrauchten Batterien veräußern.

Zunehmend integrierte Recycling-Wertschöpfungskette

Im Bereich des Batterierecyclings sind verschiedene Geschäftsmodelle möglich. Manche Player übernehmen einzelne Schritte der Wertschöpfungskette. Integrierte Unternehmen decken alle Schritte von der Rücknahmelogistik für Altbatterien bis zur Veredelung von Materialien ab. In den letzten Jahren war bei den Automobilherstellern ein Trend zur Konsolidierung und Integration zu beobachten. Je nach dem Grad der organisatorischen Integration können drei Archetypen unterschieden werden:

  • Vertikal integrierte Recycling-Unternehmen stellen ein End-to-End-Angebot bereit, das idealerweise von der Rückwärtslogistik von Batterien bis zur Rückgewinnung von Metallen in Batteriequalität und je nach Unternehmen sogar bis zur Synthese von aktiven Kathodenmaterialien reicht. Ein Beispiel für einen solchen Akteur ist das belgische Unternehmen Umicore.
  • Spezialisierte Unternehmen können sich zusammenschließen. Beteiligt sind Experten für Batterielogistik, Hersteller von schwarzer Masse und Metallraffinerien. Die Partnerschaft zwischen Veolia und Solvay ist ein solches Beispiel aus Europa.
  • Inhouse-Spezialunternehmen von Batterie- und Automobilherstellern ermöglichen das Recycling von Produktionsabfällen und Altbatterien vor Ort. Sie gewährleisten einen geschlossenen Kreislauf und gleichzeitig das Eigentum an Batteriematerialien sowie die Transparenz der Lieferkette. Ein Beispiel ist Hydrovolt, ein Joint Venture zwischen Hydro und Northvolt in Nordeuropa.

Erfolgsfaktoren für Batterierecycling-Unternehmen

Der Markt wächst zwar schnell, ist aber noch lange nicht ausgereift. Allein in Europa gab es über 40 Ankündigungen für den Einstieg ins Batterierecycling. Ein ähnliches Muster zeichnet sich in den USA ab. Selbst in China mit seinem großen Markt an Altbatterien und Produktionsausschuss kontrollieren die führenden Anbieter nur bis zu 15 %.

Wir haben drei wichtige Hebel identifiziert, die Recyclingunternehmen einsetzen können, um ihren Vorsprung auf dem Batterie-Recyclingmarkt zu halten oder auszubauen:

  • Ausreichenden Zugang zu Rohstoffen gewährleisten. Recycler müssen sich vertraglich ein ausreichend großes Volumen sichern, um kurzfristig eine sinnvolle Größenordnung mit dem Potenzial für längerfristiges Wachstum zu erreichen.
  • Aufbau von Partnerschaften, um die Recycling-Wertschöpfungskette zu verlängern. Wer noch nicht vertikal integriert ist, könnte übergreifende Ökosysteme aufbauen, um den Automobilherstellern attraktivere End-to-End-Lösungen anzubieten.
  • In die Technologie investieren und die Trends im Batteriedesign im Auge behalten. Erstausrüster treffen ihre Recycling-Auswahl auf der Grundlage nachgewiesener Materialrückgewinnungsraten, Produktqualität und Prozesseffizienz. Investitionen in technologische Verfahren sind von entscheidender Bedeutung.

Zusammengefasst haben Wachstum und Rentabilität des Recyclings von Elektroauto-Batterien das Potenzial, das Tempo des Übergangs von einer Welt mit Verbrennungsmotor zu einer Welt mit Elektroantrieb zu bestimmen oder zu verändern. Ohne Recycling dürfte Batteriematerial ein kritischer Engpass für die Elektrifizierung bleiben.

Fazit: Hohes Wertschöpfungspotenzial  für Batterierecycling

Das Wertschöpfungspotenzial zieht die Aufmerksamkeit von Automobilunternehmen, Batterieherstellern und Investoren auf sich. Wer zum Branchenführer werden will, sollte Abnahmevereinbarungen in großem Maßstab, Partnerschaften und Investitionen vorantreiben. Auch die Zusammenarbeit mit Rohstofflieferanten, um die Effizienz von Technologie und Design weiterzuentwickeln, ist ein wesentlicher Faktor. Für den Automobilsektor ist jetzt schon klar, dass der Weg zur Skalierung der EV-Lieferkette nicht linear verläuft, sondern ein Kreislauf sein wird.

Autor: Martin Linder, Senior Partner McKinsey, München

 

„Ohne Recycling dürfte Batteriematerial ein kritischer Engpass für die Elektrifizierung bleiben.“

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Nachgefragt

Der Markt für Batterien wächst rasant, vor allem getrieben durch die Automobilindustrie. Was sind die Herausforderungen, wo gibt es Chancen für deutsche Unternehmen? Dazu befragte CHEManager den Batterieexperten Martin Linder von McKinsey & Company.

 

CHEManager: Auch Batterien verursachen Emissionen. Wie kann man sie reduzieren?

Martin Linder: Die globalen Gesamtemissionen für Batterieproduktion dürften 2030 bis zu 425 Mio. t CO2 betragen, ausgehend von einer chinesischen Produktion in Volllast. Unter Verwendung recycelter Rohstoffe können die Emissionen um bis zu 26 % gedrückt werden. 50 % der Gesamtemissionen in Scope 1 bis 3 der Lieferkette basieren auf der Produktion von elektrischer Energie, ein Großteil kann durch erneuerbare Energien gesenkt werden. Wir können die Anlagen für Recycling voll auslasten und ihre Kapazität erhöhen. Auch technologische Fortschritte in Verarbeitungseffizienz und Materialrückgewinnung wären weitere wichtige Hebel. Schließlich sind Produktdesignentscheidungen ein wichtiger Faktor.

Welche Chance hat Deutschland, seine Abhängigkeit von asiatischen bzw. chinesischen Lieferanten zu begrenzen?

M. Linder: Das Zellangebot in der EU dürfte mit 0,9 TWh hinter der prognostizierten Nachfrage von mindestens 1,1 TWh auch 2030 zurückbleiben. Engpässe sind bei Kathodenaktivmaterial und Elektrolyten genauso wie bei Lithium und Nickel zu erwarten. China wird über 50 % des Marktes für Batteriezellen halten, die EU nur 15 bis 20 %. Die jüngsten Entwicklungen bei den EU-Batterieanbietern deuten immerhin darauf hin, dass sich Deutschland und andere europäische Länder in Zukunft weniger auf APAC-Anbieter verlassen werden müssen. Neben Automobilherstellern mit Eigenproduktion drängen auch viele neue Zellhersteller auf den europäischen Markt. Ein Schlüssel zum Erfolg liegt im Aufbau lokaler Rohstoffversorgungsketten, die auch aus der Politik und Regulatorik gefordert werden.

Welchen Rat würden Sie deutschen Unternehmen geben, die in den neuen Batterien-Recyclingmarkt einsteigen wollen?

M. Linder: Batterie-Recycler sollten sich ein ausreichend großes Volumen an Altbatterien sichern. Sie sollten Verträge mit Batteriezellherstellern für Produktionsausschuss und mit Automobilherstellern für zukünftige Mengen von Altbatterien in Betracht ziehen. Auch der regionale Fußabdruck sollte durchdacht sein. Denn Batterien werden in der Nähe von Zellfabriken oder des End-of-Life-Standorts eines Fahrzeugs geschreddert, das Recycling erfolgt jedoch in der Regel zentralisiert. Größenvorteile können hier den Unterschied machen. Sinnvoll sind Investitionen, um End-to-End-Lösungsanbieter für OEMs zu werden. OEMs treffen ihre Auswahl auf Grundlage nachgewiesener Materialrückgewinnungsraten, von Produktqualität und Prozesseffizienz. Recycler sollten eng mit deren F&E-Teams zusammenarbeiten.

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