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Patentstrategien sichern den technologischen Vorsprung im Markt

28.02.2012 -

CITplus - Die Zahl der weltweiten Patentanmeldungen steigt unaufhörlich. Parallel dazu werden in immer mehr Ländern wirksame Schutzrechtssysteme etabliert. Damit steigen einerseits die Chancen für Unternehmen, Patente zum eigenen Vorteil im Markt einzusetzen, andererseits erhöhen sich aber auch die Risiken, mit Verbietungsrechten Dritter in Konflikt zu kommen. Auf diese Entwicklungen eine Antwort in Form einer optimalen, branchenspezifischen Patentstrategie zu finden, muss für jedes Unternehmen ein integraler Bestandteil seiner Geschäftsstrategie sein.

Europäisches Patentamt: 243.000, US-Patentamt: 490.000, Chinesisches Patentamt: 526.000. Das sind die Zahlen der bei diesen Patentämtern 2010 eingereichten Patentanmeldungen. Und das ist nur der vorläufige Höhepunkt einer schon länger anhaltenden Entwicklung, wie die Darstellung der Anmeldezahlen beim Europäischen Patentamt über die letzten Jahre zeigt (Abb. 1).
Wie kann ein Unternehmen darauf reagieren? Es muss eine Strategie entwickeln, die es erlaubt, in diesem Umfeld eigene Patente zur Erreichung seiner unternehmerischen Ziele einzusetzen. Im Sinne des kanadischen Betriebswirtschaftlers Henry Mintzberg, der Strategie als ein „Muster in einem Strom von Entscheidungen" definiert, muss also ein unternehmensspezifisches „Muster" geschaffen werden, das ein geplantes Vorgehen beim Aufbau und Management eines Patentportfolios ermöglicht. Hierfür ist es erforderlich, die Patentstrategie in die Unternehmens- oder zumindest in eine Produktstrategie einzufügen. Die Patentverantwortlichen müssen also zuerst die Marktinteressen ihres Unternehmens kennen und verstehen, um dann die Möglichkeiten des Patentsystems effektiv und effizient dafür nutzen zu können. Eine an sich selbstverständliche Voraussetzung ist, dass dabei die grundlegenden Prinzipien des Patentsystems professionell angewendet werden. So nützt z. B. die beste Strategie nichts, wenn die einzelnen Patente schlecht verfasst sind oder im Erteilungs- oder Einspruchsverfahren patentrechtliche Fehler gemacht werden.
Unabhängig von solchen grundlegenden Prinzipien gibt es jedoch im „Leben" einer Erfindung bzw. eines Patents Entscheidungspunkte, die aus unternehmerischer Sicht wesentlich und in der Regel mit Kosten-Nutzen-Analysen verbunden sind.

Reif zur Anmeldung ?
Ein erster „Entscheidungspunkt" ist die Frage, wann eine Erfindung „reif" für die Anmeldung beim Patentamt ist. Das Recht an der Erfindung steht demjenigen zu, der sie zuerst angemeldet hat. Dieses „first-to-file-Prinzip" gilt weltweit (inzwischen auch in den USA), wer also die Anmeldung zu lange hinauszögert, wird möglicherweise vom Wettbewerber überholt. Andererseits muss eine Erfindung ausführbar offenbart werden, d. h. nur eine spontane Idee anzumelden, wird nicht ausreichend sein. Um hier Fall-spezifisch die richtige Entscheidung zu treffen, muss eine enge Zusammenarbeit zwischen Forschung und Entwicklung sowie der Patentabteilung etabliert sein. Der richtige Zeitpunkt hängt auch von der Erfindung selbst ab. So wird es bei einer Wirkstoff-Erfindung sinnvoll sein, zunächst mit einer Reihe von Beispielen die Wirkbreite der Stoffe zu untersuchen, andererseits muss es bei einer Verfahrenserfindung nicht unbedingt notwendig sein, einen Betriebsversuch abzuwarten. Rein spekulative Anmeldungen ohne experimentelle Belege (manchmal auch „strategische Patente" genannt) sind grundsätzlich möglich und können Wettbewerber sogar sehr stören, die möglichen Probleme bei der Durchsetzbarkeit als tatsächliche Verbietungsrechte müssen aber intern klar kommuniziert werden.

Geheimhalten oder nicht?
Eine weitere wesentliche Frage ist, ob eine Erfindung überhaupt angemeldet (und damit veröffentlicht) werden soll oder ob es besser ist, sie geheim zu halten. Hierbei sind branchenspezifische Gesichtspunkte zu beachten:
Im Pharmabereich ist die Antwort klar: Wirkstoffe müssen angemeldet werden, denn sie sind, einmal auf dem Markt, leicht zu kopieren und die Nachahmer sind auch einfach zu identifizieren. Schwieriger ist es hingegen bei Verfahrenserfindungen. Diese stellen häufig reines Know-How dar, dessen unbefugte Nutzung durch Dritte nur schwer nachzuweisen ist. Allerdings sind in den letzten Jahren die Rechte von Patentinhabern weltweit verbessert worden (auch in China!), so dass die Durchsetzung von Verfahrenspatenten einfacher geworden ist.
Andere Gesichtspunkte, wie die mit der Realisierung der Erfindung verbundenen Investitionen oder mögliche Vorbenutzungsrechte, sind auch zu berücksichtigen. Es ist daher anzuraten, dass firmenintern eine Checkliste erstellt wird, mit der alle entscheidungserheblichen Kriterien im Einzelfall geprüft werden können. Bei der Entscheidung sollte die Produktion und das Marketing mit einbezogen werden. Auch hier ist es also notwendig, ein „Muster" zu erarbeiten, nach dem Einzelfälle beurteilt werden.

In welchen Ländern soll ein Patent ­angemeldet werden?
Ein ganz wesentlicher Punkt ist die Frage der richtigen „Länderliste". Da ein Patent nur dort als Verbietungsrecht wirksam wird, wo es angemeldet und erteilt ist, muss eine Anmeldung in allen relevanten Ländern erfolgen. Auch hier gilt: Eine Branchen- oder sogar Produktbereichsspezifische Länderauswahl ist erforderlich, um möglichst kosteneffizient agieren zu können. Aus Abbildung 2 wird deutlich, welche Kostenblöcke zu welchem Zeitpunkt während der Laufzeit eines Patents (an sich 20, im Durchschnitt aber nur 12 Jahre) für eine „Standard-Patentanmeldung" (20 Seiten, 12 Länder) anfallen. Es zeigt sich, dass die Entscheidung über die Länderliste („Auslandsentscheid") ein wesentlicher Kostentreiber ist: 35 % der Gesamtkosten gehen unmittelbar auf diese Entscheidung zurück (u. a. in Form von Übersetzungskosten).
Ein Kriterium dabei ist die Wettbewerbssituation: Für eine verfahrenstechnische Erfindung, die in einer großtechnischen Anlage realisiert wird, mag es genügen, die Anmeldung nur in den Ländern anzumelden, in denen Konkurrenten derartige Anlagen betreiben. Für Wirkstoffe, die weltweit vertrieben werden, muss dagegen eine Vielzahl von Ländern (mögliche Märkte) in Betracht gezogen werden. Jede Firma sollte daher auch bei dieser Frage ein spezielles „Muster" entwerfen, das jeweils auf Einzelerfindungen eines Produktbereichs angewendet werden kann.
Die Entscheidung über diese Länderliste steht grundsätzlich 12 Monate nach dem ersten Anmeldetag („Prioritätstag") an, spätestens dann müssen die Auslandsanmeldungen getätigt werden. Das lässt sich jedoch um weitere 18 Monate verschieben, wenn nach 12 Monaten als Auslandsanmeldung zunächst eine Anmeldung nach dem Patent Cooperation Treaty („PCT") eingereicht wird, in der optional bis zu 144 Länder benannt werden können, aus denen dann (vor Ablauf der weiteren 18 Monate) die endgültige Liste ausgewählt wird. In der Regel kann die Relevanz einer Anmeldung nach diesen insgesamt 30 Monaten besser beurteilt werden als nach 12 Monaten. Die geringfügigen Mehrkosten das PCT-Verfahrens sind daher gut investiert.

Kostenentwicklung im Blick behalten
Auch die weitere Kostenentwicklung muss laufend überprüft werden. Da die Patentgebühren mit zunehmender Laufzeit (insbesondere nach dem 12. Jahr) deutlich ansteigen, ist zu prüfen, ob das durch ein Patent begründete Verbietungsrecht in allen benannten Ländern weiterhin ein wirksames Instrument im Markt darstellt oder ob es sich nicht mehr lohnt, dafür Geld auszugeben. Diese Überprüfung muss systematisch erfolgen, d. h. es sollte wieder nach einem internen „Muster" festgelegt werden, wer wann welche Entscheidung trifft („patent review meetings").
Überwachung von Patenten Dritter
Ein erteiltes Patent stellt, wie bereits erwähnt, ein Verbietungsrecht dar, d. h. Dritte sind nicht berechtigt, die geschützte Erfindung ohne Einwilligung des Patentinhabers zu nutzen. In der Regel respektieren Wettbewerber solche Schutzrechte, das heißt, eine platte Nachahmung ist eher selten und kann ggf. auch schnell unterbunden werden. Es gibt aber immer wieder Situationen, in denen nicht vollständig klar ist, ob das nachgeahmte Produkt oder Verfahren wirklich von dem erteilten Patent erfasst wird oder ob das erteilte Patent zurecht erteilt wurde („rechtsbeständig" ist).
Wer als Patentinhaber in einer solchen Situation gegen Nachahmer („Verletzer") vorgehen will, muss den Sachverhalt zunächst genau prüfen, um sich nicht unnötigen Prozessrisiken auszusetzen. Hier ist es nicht sinnvoll, ein feststehendes „Muster" zu entwickeln, denn in der Regel sind das unterschiedlich gelagerte Einzelfälle (es liegt also kein „Strom der Entscheidungen" vor).
Um aber nicht selbst als möglicher Verletzer des Patents eines Wettbewerbers in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu kommen, ist es vorbeugend notwendig, die Patentanmeldungen der Wettbewerber laufend im Blick zu haben. Hierzu muss ein „Überwachungssystem" etabliert werden, bei dem wieder ein „Strom von Entscheidungen" auftritt. Das heißt, es ist erforderlich, eine firmeneigene Strategie zu entwickeln, wie diese Schutzrechte Dritter überwacht werden können und was in dem Fall, dass ein solches Schutzrecht eines Dritten die eigenen Marktaktivitäten bedroht, zu tun ist. Die (weltweite) Überwachung ist aufwändig und hängt in ihrem Umfang von der jeweiligen Marktsituation ab.
Wenn ein störendes Patent eines Dritten identifiziert ist, sind die Mittel dagegen zwar begrenzt (Eingaben beim Patentamt vor Erteilung, Einspruch, Nichtigkeitsklage), müssen aber im Detail sehr genau bedacht werden. Da hierbei in der Regel Fristen zu beachten sind, muss das interne System zum einen eine Reihe von zeitlich definierten Szenarien beinhalten und zum anderen muss klar sein, wer welche Aktivitäten zu verantworten hat.
Schließlich gehört zur Patentstrategie auch die Entscheidung, ob die eigenen Patente eher der Sicherung der Marktposition oder zur Generierung von Lizenzeinnahmen dienen sollen.
Die dargestellten einzelnen „Entscheidungspunkte" müssen in einem firmeninternen „Patentmanagement" zusammengefasst werden, damit die Möglichkeiten des Patentsystems als wirksame Instrumente im Wettbewerb genutzt werden können und so der technologische Vorsprung im Markt verteidigt wird.

GDCh-Seminar „Technische Schutzrechte"
Der Autor dieses Beitrags leitet auch das GDCh-Seminar „Technische Schutzrechte, Teil II" (Kursnummer 906/12). Es findet vom 21.-23.03. 12 in Würzburg statt, Anmeldungen sind noch bis zum 22.2.12 möglich.
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