Anlagenbau & Prozesstechnik

OPC UA oder Profinet oder alle zusammen

Welchen Anwendernutzen bietet ein einheitlicher Feldbusstandard?

12.03.2019 - Die Digitalisierung verschärft den Wettbewerb in allen Branchen, individualisiert die Produkte und verkürzt die Produktlebenszyklen – nur beim Feldbus soll es jetzt die einheitliche und immerwährende Lösung geben. Das Zauberwort heißt OPC UA. Klappt das wirklich? CHEManager sprach darüber mit Karsten Schneider, Vorstandsvorsitzender der Profibus Nutzerorganisation/Profibus & Profinet International. Das Gespräch führte Volker Oestreich.

CHEManager: Herr Schneider, kann man OPC UA und Ethernet TSN bis auf die Geräte- und Feld­ebene ausdehnen und welche Rolle spielen dabei die klassischen Feldbus- und Ethernetsysteme?
Karsten Schneider: OPC UA wird von vielen als die Möglichkeit gesehen, die diversen unterschiedlichen vorhandenen Feldbuslösungen durch eine einzige abzulösen. Der Wunsch der Anwender ist auch nachvollziehbar, da zum Beispiel Maschinenbauer heute je nach Branche, Region oder Einsatzgebiet unterschiedliche Feldbuslösungen für ihre Maschinen nutzen müssen. Erfolgreich wird aus meiner Sicht diese Initiative aber nur, wenn eine Lösung auf Basis von OPC UA neben den Eigenschaften heutiger Feldbusse auch einen echten Mehrwert liefert. Ohne diesen Mehrwert wird es schwer werden, alle Anwender davon zu überzeugen, ihre bestehenden Lösungen auf die neue Technologie umzustellen. Denn das ist ja auch mit Aufwand verbunden, der sich rechnen muss. Neben dem Aufwand muss man natürlich auch die Zeit sehen, die noch zur Entwicklung einer solchen Lösung notwendig ist. Bei Profinet haben wir heute viele Funktionen, die es in OPC UA so gar nicht gibt. Neben den klassischen Profilen wie I/O, Safety und Motion sind das auch Themen wie Systemredundanz, einfacher Austausch von Geräten ohne Engineering, Enegieeffizienz und viele mehr. Daher denke ich, dass die heutigen Feldbusse noch lange eine wichtige Rolle spielen. Selbst der Profibus, vor über 30 Jahren entwickelt, spielt immer noch eine relevante Rolle – auch wenn mittlerweile natürlich deutlich mehr neue Profinet-Knoten in den Markt kommen. Als PI (Profibus & Profinet International) sehen wir uns hier auch verpflichtet, unsere Kunden langfristig zu unterstützen.

Wir entwickeln gemeinsam zum Beispiel
mit eCl@ss die semantische Beschreibung
für unsere Informationsmodelle.

Ist PI beim Thema „Ethernet im Feld“ überhaupt noch eine treibende oder eine getriebene Kraft?
K. Schneider: Selbstverständlich ist und bleibt PI hier die treibende Kraft. Über die Jahrzehnte kamen viele Innovationen aus unserer Organisation und damit werden wir auch nicht aufhören. Beispiele aus der letzten Zeit sind sicherlich FDI (Field Device Integration), APL (Advanced Physical Layer) oder die Adaption an TSN (Time-Sensitive Networking). Aber das Arbeitsmodell hat sich etwas verändert. Während wir in der Vergangenheit reine Kommunikationsaspekte betrachtet haben, spielen heute vor allem die Anwendungen eine Rolle. Einfach nur Daten von A nach B zu transportieren reicht nicht mehr. Aus den Daten müssen verwertbare Informationen gemacht werden. Dieses Thema sind wir in der Industrie 4.0 Working Group angegangen und entwickeln dafür die notwendigen Technologien. So definieren wir gemeinsam zum Beispiel mit eCl@ss die semantische Beschreibung für unsere Informationsmodelle. Wir sind die erste Feldbusorganisation, die eine enge Zusammenarbeit mit eCl@ss hat. Ebenso sind wir in der Zusammenarbeit mit der OPC Foundation aktiv dabei, die neuen Standards zu definieren. So haben wir bereits Anforderungen und technische Lösungen für OPC UA definiert, die es möglich machen, OPC UA für weitere Anwendungen im Feld zu nutzen. Auch haben wir aus PI heraus das Thema Safety über OPC UA getrieben und entwickeln es in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit der OPC Foundation.

Für die Prozessindustrie ist die Versorgung der Feldgeräte mit Hilfsenergie über den Feldbus eine notwendige Voraussetzung – wie steht es um APL, den Advanced Physical Layer bei Ethernet?
K. Schneider: Seitdem sich im letzten Jahr das APL Projekt unter dem Dach von PI und in Zusammenarbeit mit der ODVA und der FieldComm Group gegründet hat, macht das Thema gute Fortschritte. Die technischen Arbeitsgruppen haben ihre Arbeit aufgenommen und ich bin zuversichtlich, dass wir in den geplanten 3 Jahren auch zu einer guten Lösung kommen werden. Parallel dazu haben wir die Standardisierung angestoßen. Auf den Messen, wie zum Beispiel der kommenden Hannover Messe, werden wir die Anwender und Hersteller über den Stand informieren. Das besondere an APL ist, dass es ein reiner Physical Layer ist. Sobald also die Technologieentwicklung abgeschlossen ist, wird sich APL nahtlos in Profinet integrieren.

Sobald also die Technologieentwicklung abgeschlossen ist,
wird sich APL nahtlos in Profinet integrieren.

Wie fügen sich die jetzigen und die künftigen Kommunikationssysteme der Feldgeräte in NOA, die NAMUR Open Architecture, ein und wie übernehmen sie die aus Security-Gründen erwünschte Funktion der „Kommunikations-Diode“?
K. Schneider: Wir sehen NOA als ein sehr spannendes Thema, das bestens mit unserer Strategie für Profinet übereinstimmt. Bereits früh haben wir angefangen, Profinet und OPC UA als eine gemeinsame Lösung für Automatisierungsaufgaben zu betrachten. Profinet ist dabei vor allem für den zyklischen Datenaustausch zwischen PLC/DCS und den Feldgeräten zuständig, OPC UA übernimmt die vertikale und die Maschine-Maschine-Kommunikation. Die Offenheit von Profinet lässt zu, beides im selben Netzwerk bzw. in denselben Geräten zu betreiben. Damit lässt sich NOA sehr gut implementieren. Durch unsere Aktivitäten zur Modellierung und semantischen Beschreibung von Daten bieten wir einen echten Mehrwert für NOA. Auch die Kommunikations-Diode lässt sich mit unserer Technologie lösen. Innerhalb eines Gerätes lassen sich Profinet- und OPC UA-Stack leicht voneinander trennen, so dass hier keine unerwünschten Rückwirkungen entstehen können. Auf dem Netz wird diese Aufgabe TSN übernehmen. Durch separate Streams kann ich Bandbreite für einzelne Aufgaben reservieren und so Auswirkungen von Zugriffen aus dem M+O (Monitoring and Optimization) Bereich im Automatisierungsnetz verhindern. Daran sieht man schön, wie zukunftsorientiert die Architektur von Profinet ist.

Welche Rolle wird der neue Mobilfunkstandard 5G spielen und wie fügt er sich in die Feldbus- und Ethernet-Kommunikationskonzepte ein?
K. Schneider: 5G wird für viele Anwendungsbereiche eine sehr interessante Option werden. Gerade bei mobilen Anwendungen, wie zum Beispiel AGVs (Automated Guided Vehicle, Fahrerloses Transportfahrzeug) oder sich bewegenden Maschinen und Anlagen (zum Beispiel auch Kräne, etc.), wird 5G auf jeden Fall eine relevante Lösung neben zum Beispiel Wifi oder lokalen Sensornetzen wie beispielsweise WirelessHART. Aber auch entfernte Stationen, zum Beispiel Pumpen, oder Fernzugänge lassen sich damit umsetzen. In PI werden wir uns in der Industrie 4.0 WG mit den notwendigen Schritten beschäftigen. Der 5G Standard selbst kommt ja aus der Telekommunikation, wir müssen also lediglich die Schnittstelle zum Netz definieren. Die notwendigen Mechanismen werden also ähnlich wie TSN in unseren Profinet-Standard aufgenommen. Diese Schritte werden nun gestartet.
Die Technologietrends mit Bezug auf Industrie 4.0 stehen bei der PI-Konferenz am 19. und 20. März 2019 in Frankfurt im Mittelpunkt.

Durch unsere Aktivitäten zur Modellierung und semantischen Beschreibung
von Daten bieten wir einen echten Mehrwert für NOA.

Welche Bezüge zur Automatisierung in der Prozessindustrie werden auf der Konferenz vorgestellt?
K. Schneider: Die PI-Konferenz ist eine sehr gute Gelegenheit, sich über das komplette Wirken von PI umfassend zu informieren. Dabei unterscheiden wir dieses Jahr nach Vorträgen, die eher an Management und Produktmanagement gerichtet sind und solchen, die Techniker und Entwickler adressieren. In letzteren geht es tief in die Bits und Bytes unserer Technologie, während erstere vor allem auch den Ausblick auf die Zukunft, also das Big Picture, beinhalten. Thematisch werden dabei alle Bereiche abgedeckt, von IO-Link über Profibus bis Profinet, von APL über TSN bis 5G. Aus Prozessindustriesicht sind da natürlich vor allem APL und das neue PA-Profil interessant. Aber auch Vorträge zur Semantik und Informationsmodellen sind für alle, die NOA in die Tat umsetzen wollen, wertvoll. Und nicht zu vergessen ist auch der Netzwerkcharakter. Wir definieren nicht nur technische Kommunikationsnetzwerke, sondern sind auch ein großes menschliches Netzwerk. Es wird daher ausreichend Gelegenheit für einen intensiven Austausch mit Herstellern und Anwendern unserer Technologie geben!

Kontakt

PROFIBUS Nutzerorganisation e.V. (PNO)

Haid-und-Neu-Str. 7
76131 Karlsruhe
Deutschland