Anlagenbau & Prozesstechnik

Reinheitskontrolle von Einmalspritzen

23.11.2011 -

ReinRaumTechnik - Viele pharmazeutische Unternehmen gehen immer mehr auf die Verwendung von Einweg-Spritzen bei der Abfüllung von Impfstoffen über. Impfstoffe können meist nicht mit einer endständigen Filtration appliziert werden, sodass die Reinheit des Primärpackmittels Spritze von wachsender Bedeutung ist. Besonders die partikuläre Reinheit des Spritzenkörpers wie auch die extrahierbaren Substanzen aus dem Spritzenkolben rücken in den Fokus.

Versehentlich applizierte Partikel können Blutgefäße verstopfen oder können toxisch oder pyrogen wirken. Injizierte Partikel werden meist in der Nähe des Injektionsortes, der Lunge oder Leber eingelagert.
Die Arzneimittelbücher verschiedener Länder geben für partikuläre Kontaminationen Grenzwerte für die notwendige Reinraumumgebung für die sterile Produktion und für das fertige flüssige Produkt im Primärpackmittel an, betrachten jedoch nicht das Primärpackmittel als solches. So werden fertig abgefüllte Einmalspritzen mit flüssigem pharmazeutischem Präparat entsprechend des Europäischen Arzneibuches Ph.Eur. 2.9.20 nach sichtbaren Partikeln > 50 µm mit dem auslegbaren Grenzwert „essentially free from visible particles" untersucht. Dabei spielt die Transparenz der Injektionsflüssigkeit und des Spritzenkörpers, der Brechungsindex, die Beleuchtung des Inspektionsplatzes und die individuelle Entdeckungswahrscheinlichkeit eines jeden Kontrolleurs oder automatisierten Inspektionseinheit eine entscheidende Rolle. Weiterhin lässt der Grenzwert Interpretationsspielraum, wann ein Produkt tatsächlich verworfen werden muss. Gilt schon ein einziges detektiertes Partikel als Ausschlusskriterium oder erst zwei? Einer ist keiner? Wie setze ich mein Grenzwert?
Die nicht sichtbaren Partikel einer abgefüllten Injektionsflüssigkeit werden unter anderem per Filtration gemäß Ph.Eur. 2.9.19 untersucht. Hier gelten definierte Grenzwerte für Partikel > 10 µm (N = 6.000) und > 25 µm (N = 600), wobei immer beide Grenzwerte gemessen und eingehalten werden müssen. Es wird jedoch nicht explizit die Verwendung einer Laminar Flow Box oder einer entsprechenden Reinraumumgebung gefordert, vielmehr wird gesagt: „vorzugsweise". Generell sollte hier eine entsprechende Reinraumumgebung dafür sorgen, dass keine Querkontamination während der Filterherstellung und -vermessung eingeschleppt werden. Durch den Einsatz von automatisierten Systemen für das Auszählen von Partikeln auf Filtern ab einer Partikelgröße von 10 µm kann ein hoher Messdurchsatz bei reproduzierbaren Messungen erreicht werden.
Was ist jedoch mit dem Primärpackmittel Spritze an sich? Primärpackmittel und andere Medizintechnik-Produkte sind bis heute nicht GMP-reguliert. Die GMP-Leitfäden regulieren ausschließlich das fertige pharmazeutische Produkt. Sind aber Partikel an der Innenwandung eines Spritzenkörpers oder an den Spritzenkolben adsorbiert, kann es sein, dass diese Partikel nach dem Abfüllen und anschließenden Inspektionsschritt sich immer noch an der Wandung befinden und sich erst während des Transportprozesses durch Vibrationen ablösen und in das flüssige Medium übergehen. Dieses Problem wurde unter anderem von der FDA genannt. US 21 CFR Part 211.65 sagt dazu aus: „Ausrüstungsgegenstände sind so zu gestalten, dass Oberflächen, welche das Produkt berühren...nicht reaktiv oder adsorptiv sind...und keine Kontaminationen extrahiert werden können,...sodass die Reinheit des Produkts gemäß den offiziellen Grenzwerten erhalten bleibt." Somit müssen nach der amerikanischen FDA pharmazeutische Hersteller dafür sorgen, dass eingesetzte Ausrüstungsgegenstände und Primärpackmittel nicht das Produkt kontaminieren können.

Prüfung von Einmalspritzen: partikuläre Kontaminationen
Bei dieser Prüfung werden stichprobenartig Einmalspritzen aus einer Charge entnommen. Eventuell vorhandene Partikel werden von den Prüflingen unter reinen Bedingungen (Laminar Flow Box oder entsprechende Reinraumumgebung) eluiert. Das gewonnene Eluat wird filtriert. Die Filter werden je nach Fragestellungen verschiedenen automatisierten Analysesystemen zugeführt. Optisch-mikroskopische Verfahren können in Minuten das gesamte Partikelspektrum ab 10 µm Partikelgröße bestimmen. Durch den Einsatz von polarisiertem Licht kann zusätzlich zwischen glänzenden Partikeln (Glasbruchstücke) und nicht glänzenden Partikeln (Fragmente aus dem schwarzen Elastomer der Spritzenkolben beispielsweise) unterschieden werden. Automatisierte rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen gekoppelt mit energiedispersiver Röntgenspektroskopie (REM-EDX) geben zusätzlich für jedes Partikel seine Elementzusammensetzung an. Das am Institut verfügbare ASPEX-PSEM Messsystem kann sehr schnell für Partikel > 5 µm basierend von Auswahlregeln die detektierten Partikel bestimmten Materialklassen zuordnen. Systembedingt können damit Kunststoffe schlecht detektiert und nicht differenziert werden. Dies wird mit einem ebenfalls am Institut vorhandenen vollautomatisieren RAMAN-System für Partikel > 10 µm durchgeführt. Ein weiteres System führt automatisiert REM-EDX Untersuchungen für Partikel > 0,2 µm durch. Aufgrund der extrem hohen Auflösung dauert hierbei ein kompletter Filterscan (Filterdurchmesser: 47 mm) je nach Beladungsdichte bis über 24 Stunden. Die Elutionseffizienz muss durch Abklingmessungen gemäß VDA Band 19 bestimmt werden. Nur so kann nachgewiesen werden, dass durch den primären Elutionsschritt tatsächlich die meisten der insgesamt vorhandenen Partikel auf den Filter übertragen wurden. Als mindestens zu erreichende Elutionseffizienz wird > 90% angegeben. Als Ergebnis der Untersuchungen erhält man die Anzahl der Partikel je Größenklasse wie auch die Zuordnung der einzelnen Partikel einer Materialklasse. Durch diese Methode kann neben der Reinheit der untersuchten Einmalspritzen eine mögliche Partikelquelle gezielt ermittelt werden (Keller et al. 2011).

Prüfung von Einmalspritzen: extrahierbare Kontaminationen
Extrahierbare Kontaminationen sind zum einem ein Maß der Reinheit der untersuchten Materialien, zum anderen können diese extrahierten Ionen zu einer Veränderung des Salzgehalts des Lösemittels eines pharmazeutischen Substanz (API) führen, sodass das API im schlimmsten Fall in der Primärverpackung ausflockt und als Partikel ausfallen kann. Hier schließt sich der Kreis zu den partikulären Kontaminationen.
In dem hier erläuterten Beispiel werden die Gummistopfen untersucht, welche gemäß Ph.Eur. 3.2.9 „Behältnisse zur Aufnahme wässriger Zubereitungen zur parenteralen Anwendung" verschließen. Bei der Prüfung auf Reinheit wird unter anderem der extrahierbare Gehalt an Ammonium bestimmt. Der Grenzwert hierzu ist mit 2 ppm angegeben. Dazu wird eine bestimmte Anzahl an Gummistopfen mit einer etwaigen Oberfläche von 100 cm2 nach Vorschrift gewaschen, um oberflächlich vorhandene Verunreinigungen zu entfernen. Die gewaschenen Stopfen werden in einem Glasgefäß mit 200 ml Reinstwasser überschichtet und mit Hilfe von gespanntem Dampf bei 121°C für 30 min sterilisiert. Das dabei entwichene Reinstwasser wird wieder auf 200 ml durch Differenzwägung vor/nach Sterilisation aufgefüllt. Unter gleichen Bedingungen wird eine Lösung mit 200 ml Reinstwasser ohne Stopfen hergestellt. Als Methode zur Analyse vorhandener Ammonium-Ionen schreibt das Europäische Arzneibuch die Methode 2.4.1 vor, welche die Färbung der Testlösung mit einer Referenzlösung visuell vergleicht. Eine objektive messtechnische Erfassung der Färbung ist nicht gefordert. Am Institut wurde als alternative Untersuchungsmethode eine ionenchromatographische Bestimmung von Ammonium etabliert. Durch den Einsatz des Ionenchromatographs 850 Professional IC mit Anreicherungstechnik, Metrohm AG, Herisau, Schweiz lassen sich vollautomatisiert hochgenaue Kalibrierungen herstellen wie auch eine Vielzahl von Proben fortlaufend vermessen. Darüber hinaus lässt die hohe Nachweisempfindlichkeit unterhalb 1 ppb viel kleinere Extraktionsansätze direkt in den IC-Probegefäßen bei entsprechenden Parametern zu, sodass unter Umständen sehr kleine Losgrößen bis ein einzelner Stopfen untersucht werden kann. Zusätzlich erhält man mit einem IC-Lauf Informationen über weitere extrahierbare Kationen (u.a. Lithium, Kalium, Natrium, Calcium und Magnesium). Extrahierbare Anionen (u.a. Fluorid, Chlorid, Bromid, Sulfat, Phosphat, Nitrat) sind nach einem Umbau des Systems ebenfalls hervorragend im sub-ppb-Bereich zu detektieren.

Fazit
Reinheitsbetrachtungen von Primärpackmitteln für die pharmazeutische Industrie gewinnen immer mehr an Bedeutung. Durch das Fehlen einer endständigen Filtration während der Injektion direkt aus einer Einmalspritze können Partikel, welche initial von Verunreinigungen des Spritzenkörpers oder Stopfenmaterials stammen, in den menschlichen Organismus gelangen und zu einer potentiellen Gesundheitsgefahr werden. Extrahierbare Substanzen können einerseits für den menschlichen Organismus pyrogen wirken, andererseits können sie zu einer Verschiebung der Lösungsbedingungen in dem abgefüllten Präparat führen. Dies kann zu einer Abschwächung bis zu einer möglichen Inaktivierung des APIs führen. Veränderungen der Salzkonzentrationen im abgefüllten Zustand können zu Ausfällreaktionen führen. Diese Problematik wurde schon von einigen Firmen erkannt. West Pharmaceutical Services Inc. beispielsweise liefern u.a. hinsichtlich partikulärer Kontamination getestete und zertifizierte Spritzenstopfen. Die hier vorgestellten Filterpräparationen und die hochauflösenden REM-EDX-, RAMAN- und IC-Analysen können in der Abteilung Reinst- und Mikroproduktion am Fraunhofer IPA komplett unter höchsten Reinraumbedingungen der ISO Klasse 1 zur Vermeidung jeglicher Querkontamination durchgeführt werden.

Weiterführende Literatur beim Autor erhältlich. 

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