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Chemiekonjunktur

Die Chemieindustrie bleibt weltweit auf Erholungskurs

23.09.2010 -

Im Sommer 2010 setzte sich der Aufschwung in allen wichtigen Wirtschaftsräumen fort, wenngleich das Vorkrisenniveau nicht in allen Ländern wieder erreicht wurde. Vor allem die Industriestaaten haben die Auswirkungen der Finanzkrise noch nicht vollständig überwunden. Die Konjunkturprogramme kosteten Kraft und viele Länder stehen nun vor einem Schuldenberg. Die Emerging Countries haben dagegen schneller zu alter Stärke zurückgefunden. Doch auch dort lassen die Wirkungen der Stützungsmaßnahmen nach. Länder wie China versuchen sogar das Wachstum zu bremsen, damit es nicht zu Überhitzungserscheinungen kommt.
Wachstumsmotor Nr. 1 bleibt in der Erholungsphase die Industrie. Nachdem der Fahrzeugbau, die Stahlindustrie und die Chemiebranche schon frühzeitig ihre Produktionsanlagen wieder hochgefahren hatten, expandierten zuletzt auch die Investitionsgüterbranchen. Der Maschinenbau und die Elektroindustrie konnten seit Jahresbeginn fast täglich neue Aufträge verbuchen. Demzufolge dehnten sie ihre Produktion weltweit aus.
Die globale Wirtschaftsleistung war im vergangenen Jahr um 2,1 % zurückgegangen - die Industrieproduktion um 9,6 %. Schneller und kräftiger, als noch vor einigen Monaten erwartet, setzte jedoch die Erholung ein. Unter dem Strich wächst die Weltwirtschaft in diesem Jahr um 3,8 %, die Industrie legt 11 % zu. Hiervon konnten die Chemieunternehmen frühzeitig profitieren. Bereits im Verlauf des Jahrs 2009 stieg die Chemienachfrage. Dieser Aufwärtstrend wird sich angesichts der guten Industriekonjunktur in diesem Jahr fortsetzen. Die Chemieindustrie bleibt weltweit auf Erholungskurs (Grafik 1).

Chemieproduktion auf Vorkrisenniveau
Abnehmer von Chemikalien sind überwiegend industrielle Kunden und die Erzeugnisse der Chemie stehen am Anfang vieler Wertschöpfungsketten. Aufschwungphasen wie die jüngste Erholung der globalen Konjunktur spürt die Chemiebranche daher frühzeitig. Von der Besserung der wirtschaftlichen Lage hatte die Chemie bereits im zweiten Quartal 2009 profitiert. Seitdem laufen die Geschäfte von Quartal zu Quartal besser. Nach einem Jahr dynamischen Wachstums war im zweiten Quartal 2010 erstmals ein Nachlassen des Expansionstempos zu beobachten. Auf globaler Ebene lag der Zuwachs der Chemieproduktion nur noch im Promillebereich. Das Vorjahresniveau wurde gleichwohl um mehr als 8 % übertroffen (Grafik 2). Die globale Chemieindustrie hat die Krise überwunden und produziert wieder auf Vorkrisenniveau.

Asien bleibt Schrittmacher
In den Schwellenländern Asiens hatte sich das wirtschaftliche Wachstum nur vorübergehend abgeschwächt. Schnell setzten sich dort die Auftriebskräfte durch. Das Auslaufen der Konjunkturprogramme ist jedoch im Chemiegeschäft bereits spürbar. Die aufstrebenden Länder Asiens büßten im zweiten Quartal 2010 an Tempo ein: In Südkorea und Indien stagnierte die Chemieproduktion. Auch Chinas Chemiebranche legte mit einem Plus von 1,4 % vergleichsweise verhalten zu. Die restriktivere Politik im Reich der Mitte hinterließ ihre Wirkung. In den Quartalen zuvor war das Wachstum zumeist deutlich kräftiger ausgefallen.
Japan konnte von der Dynamik der Nachbarländer profitieren. Seit Durchschreiten des Tiefpunktes im ersten Quartal wurde die japanische Chemieproduktion wieder kräftig ausgedehnt. Im ersten Quartal 2010 gab es zwar einen Rückschlag. Die Auftriebskräfte setzten sich aber bereits im zweiten Quartal wieder durch. Die Produktion legte um 3,0 % zu. Das entsprechende Vorjahresquartal wurde zuletzt um rund 5 % übertroffen. Das Vorkrisenniveau scheint in greifbarer Nähe. Noch fehlen aber gut 5 % (Grafik 3).

Europa hat Krise weitgehend überwunden
Die Finanzkrise hat der europäischen Chemie schwer zu schaffen gemacht. Innerhalb weniger Monate war die Chemieproduktion um mehr als 10 % eingebrochen. Dass es nicht noch schlimmer kam, war dem Pharmageschäft zu verdanken, das sich als wenig konjunktursensibel erwies. Seit fünf Quartalen geht es wieder aufwärts. Das Vorkrisenniveau ist in weiten Teilen des Chemiegeschäftes bereits wieder erreicht (Grafik 4). Im zweiten Quartal 2010 wurde die Produktion im Vergleich zum Vorquartal zwar noch einmal gesteigert. Die Dynamik ließ aber deutlich nach. Weil viele Kunden bereits wieder gut gefüllte Chemikalienläger haben, steigen die Bestellungen nicht mehr so schnell an.

Fragiler Aufschwung in den USA
Sorgen bereitet derzeit das US-amerikanische Chemiegeschäft. Frühzeitig war dort die Branche von der Rezession erfasst worden. Zu Jahresbeginn 2009 stand beim größten Chemieproduzenten der Welt ein Minus von mehr als 10 % zu Buche. Zwar setzten sich auch in den Vereinigten Staaten die Auftriebskräfte durch, die Erholung war jedoch weniger dynamisch als in anderen Industrienationen. Im zweiten Quartal dieses Jahres legte der Aufschwung eine Pause ein. Angesichts der geringen wirtschaftlichen Dynamik in den USA konnte die Chemieproduktion nicht weiter ausgedehnt werden. Das Niveau des Vorquartals wurde im zweiten Quartal sogar verfehlt (Grafik 5). Die Produktionszahlen für Juli signalisieren, dass der Aufwärtstrend intakt ist. Allerdings bleibt der Aufschwung fragil und das Vorkrisenniveau in weiter Ferne.
Deutlich besser sieht es in Lateinamerika aus. Insbesondere in Brasilien haben sich die Auftriebskräfte frühzeitig durchgesetzt. Am Zuckerhut liegt die Chemieproduktion bereits wieder höher als vor der Krise. Die Anlagen sind gut ausgelastet. Neue Kapazitäten werden aufgebaut.

Weiteres Chemiewachstum mit gedrosseltem Tempo
Es ist davon auszugehen, dass nach der rasanten Erholung der vergangenen Monate nun das Wachstumstempo spürbar nachlässt. In vielen Regionen deuten die Frühindikatoren auf eine Wachstumsabschwächung hin. In der Chemieindustrie sind die Kapazitäten bereits wieder ausgelastet. Kräftige Produktionszuwächse sind im weiteren Jahresverlauf unwahrscheinlich. Rückschläge sind aber derzeit nicht zu befürchten. Im Gesamtjahr 2010 dürfte die globale Chemie gegenüber dem Vorjahr um 7,5 % zulegen. Im kommenden Jahr werden sich die Wachstumsraten in allen Chemieregionen wieder normalisieren (Grafik 6).
Die weitere Erholung erfolgt nur noch in kleinen Schritten. Zwar sind die mittelfristigen Perspektiven für die Branche gut, weil die großen Herausforderungen der Zukunft nach Produkten und Innovationen aus der Chemie verlangen. Dennoch muss sich die Weltwirtschaft in den kommenden Jahren auf niedrigere Wachstumsraten einstellen als aus den Jahren vor der Krise gewohnt. Damals hatten viele Ländern über ihre Verhältnisse gelebt. Insbesondere die USA und der Süden Europas müssen für mehrere Jahre den Gürtel enger schnallen.

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